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Biokerosin: Lufthansa beendet erfolgreichen Test. Problem: “Pflanzen müssen erstmal wachsen”

In der jüngsten "Arena-Analyse", die DiePresse und DIE ZEIT gemeinsam mit dem Beratungsunternehmen Kovar & Köppl erstellen ließ, wird der Ölpreis als einer der Hauptproblemfelder der Zukunft gesehen. Im auswertenden Artikel der PRESSE wird Peak Oil als eine von fünf möglichen Weltkrisen benannt. Kernaussage der Analyse ist: Wir brauchen mehr Resilienz, mehr Widerstandsfähigkeit, unsere menschlichen Systeme müssen ähnlich den natürlichen Systemen externe Schocks aushalten und sich aus sich selbst heraus erneuern können. Nur so, das ist die Kernaussage der Analyse, werden wir in jener Zukunft bestehen können, die von Klimawandel und Ressourcenverknappung geprägt wird.

Auf dem Weg in eine "Biobased Economy" hat die Lufthansa zwischen Juli und Dezember 2011 eine ihrer Maschinen im normalen Tagesbetrieb mit "Biokerosin" der Firma Neste Oil betankt. Das Projekt gilt als erfolgreich, wird dennoch nicht fortgeführt.  laut Financial Times: "das bislang knappe Angebot an Rohstoffen, den hohen Preis und die bislang noch nicht erprobte Infrastruktur an den Flughäfen". Der Projektleiter dämpft deshalb die Erwartungen mit den Worten "Wir stehen erst am Anfang einer sehr langfristigen Entwicklung". Obwohl über 1000 Flüge absolviert wurden und das Projekt auch zum erwünschten Ergebnis einer geringeren Kohlendioxidproduktion führte, wird das Projekt vorerst beendet und in den kommenden 2 Jahren ausgewertet.

Das Beispiel der Lufthansa zeigt, dass Peak Oil längst nicht durch eine Umstellung auf Biotreibstoffe gelöst werden kann, sondern dass diese Annahme vielmehr als naiv gelten darf. Das Hauptproblem wird auch im FTD-Artikel angesprochen: Die Zeit. Dort heißt es: "Pflanzen müssen erstmal wachsen" und diese vier Worte enthalten den Peak-Oil-Sprengstoff schlechthin: Zwar ist es technisch möglich, die heutigen Maschinen mit Treibstoffen auf Pflanzenbasis zu betreiben, doch die Herstellung dieser Treibstoffe ist ein sehr viel langsamerer Prozess als das Fördern von Erdöl. Die Mengen von Erdöl-Energie, die wir pro Tag heute fördern und verbrauchen wächst während dieses Tages allein durch Photosynthese nicht auf unseren Äckern. Die Fördergeschwindigkeit von Erdöl dürfte die Wachstumsgeschwindigkeit der Pflanzenwelt um ein Vielfaches überschreiten. Eine Wirtschaft auf Basis von Biotreibstoffen wird limitiert durch das Wachstum der Pflanzen. Die Lufthansa hat jetzt offenbar Verträge mit Lieferanten geschlossen, die ihre Biomasse in einigen Jahren zur Weiterverarbeitung bereitstellen werden - dann könnte Teil 2 des Experiments starten.

Das zweite Zeitproblem liegt in den bestehenden Infrastrukturen. Offenbar überfordern die Mengen an Biokerosin, die allein die Lufthansa für ihr Experiment mit einer einzigen Maschine benötigt, bereits den Biosprit-Hersteller; auf jeden Fall aber den globalen Biosprit-Markt. Die Preise für das Biokerosin liegen beim Dreifachen der "normalen" Kerosinpreise. Und dies zu einem Zeitpunkt, wo Biokerosin noch gar keiner ernsthaften Nachfrage unterliegt. Angesichts der Knappheit der Rohstoffe ist es fraglich, ob der Zukunftspreis dieses Treibstoffs überhaupt sinken kann oder ob mit der Abnahme der Erdölproduktion nicht sogar die Nachfrage und damit der Preis nach Biokraftstoffen steigt. Um überhaupt genügend "Biosprit" zu produzieren, müßten noch einige Fabriken auf diesem Planeten entstehen - und dieses zu bauen kostet Zeit, Material und natürlich Energie.

Die Kernfrage angesichts Peak Oil ist: Wieviel Zeit bleibt, um wirtschaftlich sinnvoll neue Infrastrukturen zu bauen? Es existiert eine Rückkopplung zwischen den Ölpreisen und dem Aufbau von Infrastrukturen, denn hohe Ölpreise machen zwar einerseits manche Investitionen lukrativ, andererseits überlasten hohe Ölpreise möglicherweise genau dann die Firmen, wenn Investitionen am drängendsten wären. Vorausschau wäre hier sinnvoll, doch quartalsorientiertes Wirtschaften steht der langfristigen Sicht im Wege. Das Lufthansa-Experiment hat die Firma vermutlich auch nur deshalb gemacht, weil von den 6,6 Millionen Euro Kosten 2,5 Millionen das Wirtschaftsministerium - also der Steuerzahler - übernommen hat.

Eine weitere Kritik am Lufthansa-Experiment kommt von Greenpeace (Flächenkonkurrenz) und vom Frauenhofer-Institut für Energiesystemtechnik. Die Umwandlung von Biomasse in Treibstoffe kostet 50% des Energieinhalts.

Angesichts dieser Situation bekommt die Arena-Analyse besondere Bedeutsamkeit: Resilienz, Widerstandsfähigkeit, wie sie auch von der Transition-Bewegung propagiert wird, ist für die Zukunft eine weitaus hilfreichere Strategie als ein Hoffen auf "business as usual".

 

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