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Peak Oil verschoben: IEA prognostiziert sinkende Preise

240 Euro will die IEA für ihren neuen Mittelfrist-Report zur Entwicklung des Ölmarkts haben. Glauben wir SPIEGEL ONLINE ist darin ein Absinken des Ölpreises in den kommenden 5 Jahren zu erwarten. Vom diesjährigen Durchschnittspreis von 107 US$ auf dann 89 US$ soll sich das Preisniveau senken. Diese Entwicklung würde, sofern sie weltweit gültig ist, bedeuten, dass Peak-Oil-Auswirkungen auf volkswirtschaftlicher Ebene bis 2017 nicht eintreten oder spürbar werden, sondern dass wir in den vergangenen 4 Jahren ein zwischenzeitlichen Preis-Peak gesehen haben, der sich in den nächsten Jahren wieder abschwächt.

Laut SPON ist für Optimismus vor allem die Förderung im Irak zuständig. Dem hat sich kürzlich auch Steffen Bukold auf Energiepolitik.de gewidmet und festgestellt, dass die Ölförderpläne nach dem (vorerst letzten) Irak-Krieg erst nicht so vorangingen wie erhofft, aber seit 2011 die Vorkriegsproduktion wieder erreicht und seitdem ordentlich gesteigert wurde. Bukold bezieht sich dabei auf den Iraq Energy Outlook der IEA, der drei Tage vor dem Medium-Term Oil Market Report schien. In keinem anderen Land der Welt kann die Förderung in Zukunft so stark ausgebaut werden wie im Irak. 2035 soll das Land 5,6 Millionen Barrel zusätzlich gegenüber den heutigen Lieferungen exportieren. 8,3 Millionen Fass sollen dann im Zweistromland täglich gefördert werden und Irak wäre dann der weltgrößte Ölexporteur.

"Der Ölmarkt steht an einem Scheidepunkt" sagt IEA Executive Director Maria van der Hoeven und meint damit technologische, geopolitische und ökonomische Veränderungen, die einen "Game Change" möglich machen: Also eine grundlegende Veränderung was die Ölversorgung angeht. Die Optimisten sehen die Veränderung in Technologien wie dem Fracking, welches die USA verstärkt einsetzen und sicherlich auch in einem weniger starken Anstieg des Ölverbrauchs durch technologische Änderungen im Verkehrs- oder Kraftwerksbereich (Elektromobilität + Gaskraftwerke/Erneuerbare). Für die Pessimisten besteht der "Game Change" wohl vor allem in den Risiken, dass der Förderückgang wie beispielsweise in den europäischen Felder nicht durch den Förderzuwachs in anderen Fördergegenden ausgeglichen werden kann. Die IEA tendiert derzeit mit ihrer Preisprognose stärker in Richtung der Optimisten.

Für Europa läßt die Pressemitteilung dennoch nicht besonders viel Optimismus zu. Die geopolitischen Verschiebungen sieht die IEA eher dahingehend, dass in Nord- und Südamerika mehr Öl gefördert werden wird und die Abhängigkeit der amerikanischen Verbraucher (insbesondere der USA) vom arabischen Raum sinkt. Entsprechende Handelskapazitäten (also die exportierbaren Ölmengen) könnten zwar für Europa frei werden, aber das größte Wachstum des Verbrauchs sieht die IEA in den Schwellenländern - und hier kann der arabische Raum sich wohl entscheiden, ob er nach Asien, Afrika oder Europa liefert. Den Optimismus, den der Verbrauch mit sich bringt, ist nämlich überschaubar: Statt um 8% soll der Bedarf nur um 7% bis 2017 wachsen. Förderkapazitäten von 102 Millionen Barrel sollen dann ein Tagesverbrauch von 95,7 Millionen Barrel gegenüberstehen. 6,3 Millionen Barrel freie Förderkapazitäten würde dies bedeuten: Diese Zahl ist wichtig, um unvorhergesehene Ausfälle in der Förderung ausgleichen zu können.

"Unvorhergesehene Ausfälle" wären, nimmt man das IEA-Szenario als real an, dann auch das größte Risiko in den kommenden 5 Jahren. Der Förderpeak wäre während dieses Zeithorizonts noch nicht sichtbar, das Preisniveau sogar sinkend (und angesichts der vergangenen Preissteigerungen volks- und betriebswirtschaftlich vermutlich gut zu ertragen) aber was bleibt sind dennoch geopolitische Risiken. Auch Steffen Bukold weist in seinem Irak-Artikel darauf hin, dass die größten Risiken nicht unter, sondern über der Erde liegen. Ein kurzer Blick in die Tageszeitungen auf die Spannungen zwischen der Türkei, Russland und Syrien sowie die Erinnerung an Kriegsdrohungen gegen Iran zeigen, wovon die Rede ist. Wie kritisch derzeit auch das Verhältnis "des Westens" zu Russland ist zeigt ein Interview mit Wladimir Jakunin. Das Verhältnis zum Großen Bruder im Osten ist aus Öl-Sicht extrem wichtig: Genau wie Deutschland ist auch ganz Europa zu etwa einem Drittel des verbrauchs abhängig von Lieferungen aus Russland!

Doch auch auf weniger geopolitischem Terrain sind Risiken sichtbar. So erlebt Kalifornien grade einen Preisschub, der in anderen US-Staaten nicht zu sehen ist. Geschlossene Großtankstellen, Rationierung von Benzin durch die Raffinerien und Preisschübe, die ein Allzeithoch erreichen lassen: Die Gründe sind komplex und mit Pipelineschließungen und Raffinerieausfällen verbunden (siehe Handelsblatt: Kalifornien droht der Benzin-Kollaps). Da hilft auch Fracking nicht, welches ja eher im Norden der USA stattfindet. Und dass Fracking auch kein reines Erfolgserlebnis für die Ausbeute ist, sieht man in Montana: Dorthin ragt ein Teil der Bakken-Formation, aber die Förderraten pro Bohrung sinken so schnell, dass so mancher Zweifel an der Öl-Revolution hat. Und tatsächlich sank die Ölförderung Montanas seit einem Peak im Sommer 2006 wieder und befindet sich seit 2010 auf einem Plateau unterhalb des Peaks (Förderkurve bei der EIA).

In den kommenden Tagen wird es ausgehend von den neuen Publikationen der IEA ein Update des Peak-Oil-Barometers geben.

Nachtrag (13.10.2012): Steffen Bukold von EnergyComment meint, dass SPIEGEL ONLINE bzw. dpa die IEA-Publikation "falsch gelesen" habe. Die IEA macht demzufolge in ihrem Bericht gar keine Preisprognose. Da die Agentur in der Vergangenheit sehr oft mit ihren Preis-Vorhersagen danebenlag, seien sie mit Preis-Aussagen vorsichtiger geworden. In der Summary schreibt die IEA: "The IEA MTOMR model uses oil prices as an input of its forecasting model rather than an output. For better or worse, this report, as do others, relies on the futures curve as a source of price assumptions." Zu deutsch: Man nutzt Ölpreisvorhersagen anderer, speziell die Futures auf Öl, aber produziert keine eigenen Preisvorhersagen!

 

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7 Kommentare to “Peak Oil verschoben: IEA prognostiziert sinkende Preise”

  1. ... sagt:

    Interessant. Sind wir jetzt auf 396 ppm CO2, würden es 2017 schonma locker 408 werden, mindestens. Da wäre ich ja mal gespannt zu sehen, was passiert.

    Und man muss einrechnen, das wir MINDESTENS 20 Jahre brauchen werden die 95mbarrel Öl-Infrastruktur umzustellen, wenn die jetzigen EE-Technoligien überhaupt einfach so large-scale anwendbar sind. Wahrscheinlich fliegen uns da eher noch höhere Kupfer-Förderkosten bzw. generell höhere Kosten durch abnehmende Erzegrade und noch ein paar andere Dinge um die Ohren. Die Wahrscheinlichkeit ist meiner Meinung nach kleiner als 2%, das wir im IEA Szenario auch nur irgendwie unter 450ppm bleiben können und damit am 2 Grad Ziel ordentlich vorbeischießen.

    Ich möchte daran erinnern, dass der als sicher angesehene level 350ppm sein soll. Und das manche Gegenden wie die Arktis bereits heute schon heftigst reagieren: http://neven1.typepad.com/.a/6a0133f03a1e37970b017744cf5360970d-pi

    http://polarmet35.mps.ohio-state.edu/albedo/20120815/0-3200m_Greenland_Ice_Sheet_Reflectivity_Byrd_Polar_Research_Center.png

    • GermanStacker sagt:

      Wir werden alle fossilen Treibstoffe ohne Pause verbrennen. Ich habe nichts gegen China oder andere Schwellenländer, aber denen ist der Klimawandel egal, sie werden unser Konsummodell imitieren bis zum bitteren Ende. China importiert bereits jedes Barrel Öl, das es kriegen kann, und kauft sich weltweit Ölquellen und Raffinerien. Wenn sie könnten, würden sie auch das Doppelte verbrauchen. Benzin ist streng rationiert, alles was geht betreiben sie mit Kohle.

  2. Marcus Kracht sagt:

    Und wenn das so wäre, ein paar Jahre ist nicht wirklich viel Zeit. Und dann haben wir auch noch nicht von der Kohle gesprochen, bei der sich ähnliche Engpässe entwickeln werden. Und von so vielem anderen.

    — Marcus

  3. GermanStacker sagt:

    Die explodierenden Ölpreise seit 2004 haben doch ihren Dienst bereits getan und ganze Volkswirtschaften aus der Bahn geworfen, mit Folgen über Jahrzehnte. Fast schon egal ob sie jetzt nochmal ein paar Dollar zurückgehen. Das große Wachstum des Westens war nur mit dauerhaftem Cheap Oil möglich. Öl ist heute nicht nur teuer weil es peakt, sondern auch weil immer mehr Shareholder ihren Teil möchten: Arabische Staaten die mit 1000% Gewinn produzieren und damit einfach alles finanzieren, russische Milliardäre die einen neuen Luxus definiert haben, Ölfirmen die mit neuer Technik die letzten Lagerstätten erschließen, das Wall Street Casino, usw.

    Wo der Ölkonsum weiter ansteigt, ist er ja meistens massiv subventioniert: China, Russland, Indien, USA (Militär sichert die Importe, Regierung=Ölmultis usw.), die OPEC-Länder wo Benzin quasi kostnlos ist…

    Wir sprechen immer pauschal über die Ölpreise, so als würden sie jeden gleichmäßig treffen. Aber für die Menschen entscheidet es sich sehr individuell: Wenn sie durch ihre persönliche Situation, ihre Firma, ihre Branche, ihr Land usw. kein gutes Einkommen mehr haben, dann ist jeder Ölpreis zu hoch für einen konsumorientierten Lebensstil. Siehe Griechen, Spanier, Portugiesen.
    Wer aber einen halbwegs anständigen Job hat oder sonstiges Einkommen, wird auch in 20 Jahren noch zum Spaß autofahren können. So ist das System, die Ressourcen werden immer reichen, nur nicht für alle.

    • Tom Schülke sagt:

      Die Ressourcen werden sicher noch lange Reichen. Das meine ich auch. Doch das Problem ist letztlich vielschichtiger. Wenn wir erwarten in 20 Jahren könnten die Wohlhabenden immer noch über die Runden kommen, dann setzten wir implizit einen linearen Wohlstandsrückgang vorraus. Das ist intuitiv und in der Frühphase des PO sicher auch zutreffend. Gänzlich unrichtig wird es aber wenn unser Wirtschaftssystem tatsächlich einen Tippingpoint überschreitet. Das Verflixte Wirtschaftssystem kann schließlich ohne Wachstum nicht funktionieren. Wachstum oder Kollaps ist die Devise. In dem Fall aber bedeutet der PO in 20 Jahren für Alle und für Jeden einen dramatischen Wohlstandsrückgang (oder schlimmer), weil schlicht weltweit zersplitterte Produktions und Lieferketten zusammenbrechen. Und das trifft am härtesten zunächst Komplexe Produkte sowie Staaten und Regionen in denen Sofortlieferketten am höchsten entwickelt sind.

      Es ist wie bei einem Rückgang der Blutmenge im Körper.. Da geht der Puls auch nicht ganz allmählich runter. Es wird holprig. Bis das Herz schließlich aussetzt oder das Gehirn versagt… Am ende erreicht man dann ein neues metastabiles Geleichgewicht auf einer niedriger komplexen Stufe….

      • GermanStacker sagt:

        Guter Punkt, das passiert exponentiell. Das Ganze ist als globale Economy of Scale ausgelegt, und wenn das schwächste Glied bricht ist’s vorbei. Die Menschen haben keine Ahnung wie exponiert und verwundbar unser System ist.

  4. […] die IEA ihre Mittelfristprognose angepasst hat, hat EnergyComment das Peak-Oil-Barometer auf den aktuellen Stand […]

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