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Zu Besuch im Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern

Es gibt seltsame Widersprüche in der Phase, in der sich unsere Gesellschaft befindet: Noch im fossilen Zeitalter fest verankert, aber mit den Zehen schon ins postfossile Zeitalter hineinschnuppernd. Noch widersprüchlicher wird die Situation, wenn man sich die "Länge der Zehen" anschaut: Manche sind ihren benachbarten Körperteilen weit voraus und während manche in Fettnäpfchen stehen, stehen andere in fetten Töpfen.

Als Beispiel sei das Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern genannt, welches am Montag den 08. Oktober 2012 Gastgeber für die 6. Internationale Konferenz für nachhaltige Regionalentwicklung durch Nutzung Erneuerbarer Energien war. Etwa 60 Konferenzteilnehmer waren zu Gast an einem eher sonderbaren Ort: Mit Hilfe von Fördermitteln war ein altes Gebäude zum Passivhaus entwickelt worden und in direkter Nachbarschaft entstand ein Art "solares Forschungsgewächshaus", ein kleines Wunderwerk der Technik: Mit Tücken.

Forschungsgewächshaus

Die Tücken zeigen sich schon an der Konstellation, in der ein gemeinnütziger Verein, ehrenamtlich gestemmt vom engagierten Ehepaar Schmidt, im Auftrag der Kommune Wietow das Projekt betreut. Die Kommune musste wegen der Fördermittel ins Boot geholt werden, sie hat die Gebäude saniert, während Grund und Boden den Betreibern gehören. Insbesondere das "solare Forschungsgewächshaus" ist eine Besichtigung wert, denn es kombiniert modernste Technik derart, dass Besucher ein Gefühl dafür bekommen, was mit dem heutigen Stand der Technik möglich ist: Die Außenhaut des Hauses besteht aus einer Folie, die Licht in seinem vollem Frequenzspektrum durchläßt: Was übliches Fensterglas nicht tut. Der direkte Teil des Lichts wird direkt hinter dieser Außenhaut durch Fresnel-Linsen gebündelt und teilweise auf Photovoltaik-Streifen zur Stromerzeugung, teilweise auf Solarthermie-Streifen zur Wärme-Ernte gelenkt. Die Linsen-Ernte-Technik ist schwenkbar und im steuernden Computer sind die Sonnenpfade aller Tage des Jahres gespeichert, so dass die Linsen der Sonne nachgeführt werden, um eine optimale Erntesituation herbeizuführen. Die geerntete Wärme wird in 9 5 Meter hohen Langzeit-Wasserspeicher im Keller des Gebäudes geleitet, um dort gespeichert zu werden. Sommerwärme kann so zum Heizen im Winter benutzt werden, denn die Verluste liegen bei nur 0,3% pro Tag.

Fresnel-Linse bündelt das direkte Licht

Das diffuse Licht, welches durch die Gebäude-Außenhaut und die Linsen in das Gebäude eindringt, reicht aus, um Bananen und andere Südfrüchte wachsen zu lassen. Doch das seltsame Gewächshaus ist weniger auf maximale Ausbeute ausgerichtet, sondern mehr als Forschungsprojekt, weshalb drei Klimazonen im Gebäude verankert sind: "Afrika" ist der Bereich des Gartenbaus, in "Europa" finden sich Betten und ein Wohnbereich, die "Tundra" soll zeigen, dass mit solch einem technischen Aufbau auch Kühlung möglich ist: Eine Adsorptionsmaschine nutzt die geerntete solare Wärme, um Kälte zu produzieren. Nach Angaben des Betreibers wäre es möglich, mit solch einem Aufbau mehrere dutzend Familien mit Lebensmitteln zu versorgen, da man ideales Wachstumsklima herstellen kann. Die Lichteinstrahlung im Winter ist kein einschränkender Faktor, vielmehr brauchen die Pflanzen vor allem angemessene Wärme, die dank der Speichertechnik aber bereitstellbar ist. Interessant ist da doch der Gedanke: Ließen sich solcherart "Energie-Gewächshäuser" nicht auch in Städten oder gar auf Häusern errichten, um Lebensmittel-, Strom- und Wärmeernte zu kombinieren?

Die Absurdität dieses technischen Meisterwerkes zeigt sich in den Details: Noch immer wird im "EE-Vorzeigestandort Deutschland" gedämmt was das Zeug hält und Fußbodenheizungen oder Heizkörper verbaut, obwohl die Kapillartechnik längst breit einsetzbar wäre: Strohhalmdicke Wasserleitungen im Zentimeter-Abstand als Matten in die Decke oder die Wände eingebaut erlauben Strahlungswärme auf Niedrigtemperaturebene mit extrem hohem Wirkungsgrad. 30 Liter Wasser reichen im Solarzentrum aus, um das Passivhaus vollständig mit Heizflüssigkeit zu "durchfluten" und 30 Liter heizen sich eben mit sehr viel geringerem Energieaufwand auf, als die herkömmliche Heiztechnik benötigt. Die Technik der Kapillarheizungen habe ich bereits in der alten Mühle in Fürstenwalde bewundern dürfen: Ein Backstein-Fabrikgebäude ohne Dämmung, das seine Wärmeenergie per Wärmepumpe aus der Spree zieht und entsprechend ohne sichtbare Heizkörper/Heiztechnik auskommt. Für mich als "Frostbeule" war es erstaunlich, dass der aus Backstein bestehende Bau so angenehm warm war. Absurd erscheint, was technisch möglich und bereits umsetzbar ist und dennoch nicht bei Heizungsbauern ankommt oder in Bauleitplänen der Kommunen vorgegeben wird. Obwohl all diese Technik vorhanden und einsetzbar ist, wird weiterhin fossile Technik verbaut - und möglicherweise in einigen Jahren wieder rausgerissen, weil es seine Besitzer in wirtschaftliche Nöte treibt.

Absurd ist die Situation des Solarzentrums auch deshalb, weil die massenhaft anfallenden Daten, die von hunderten Sensoren gesammelt werden, nicht ausgewertet werden. Den Betreibern selbst fehlt die Zeit, die umliegenden Hochschulen betreiben entweder keine Forschung oder sind auf Bereiche wie Wasserstoff spezialisiert, die als Hochtechnologie geltend derzeit nicht praktikabel sind (Zitat des Tages: "Wenn -273°C die ideale Umgebungstemperatur des Menschen wäre, wäre Wasserstoff der ideale Energiespeicher.") So laufen im Solarzentrum im Zwei-Sekunden-Takt Daten zur Sonneneinstrahlung, zur Energieernte bei PV- und Solarthermie-Modulen an, zur Speicherung und zum Verlust von 9 verschiedenen Wärmespeichertechnologien (jeder einzelne Wasserspeicher wurde bewusst etwas anders gebaut, um Unterschiede messbar zu machen) und vielem mehr: Und niemand wertet diese Daten aus. Zwar gibt es hin und wieder Zusammenarbeit mit Hochschulen, aber die Politik zeigt wenig Interesse, das Kleinod im mecklenburgischen Raum (35 Menschen pro Quadratkilometer) zu beforschen, weiterzuentwickeln, die Ergebnisse an die Ingenieurbüros oder die Heizungsfirmen heranzutragen oder Planungen an den gemachten Erfahrungen auszurichten. Um die anfallenden Daten ins Netz zu stellen und der weltweiten Forschergemeinde verfügbar zu machen, fehlt den Betreibern die Zeit.

Steuerung Solarhaus Wietow

So lassen sich Bausteine einer Technik bestaunen, die erahnen lassen, wie Energienutzung der Zukunft aussehen könnte, aber das große Geld fließt nicht in jene dezentral denkenden Projekte, sondern wird als Industrieförderung dorthin ausgeschüttet, wo Patente und Geld zu machen sind. Mit den Milliarden, die allein der Bund jährlich für die Energiewende ausgibt, könnte man durch strategisch kluge Herangehensweise vermutlich recht schnell auch das andere Bein die Grenze zum postfossilen Zeitalter überschreiten lassen.

Kontakt:

Solar Initiative Mecklenburg-Vorpommern e.V. (SIMV e.V.)
Haus Nr. 9
23966 Triwalk
Tel.: +49 (0) 3841/ 780409
Fax.: +49 (0) 3841/ 780075
E-Mail: solar.simv@t-online.de

Besucheradresse:
SolarZentrum Mecklenburg-Vorpommern
Haus Nr. 11
23966 Wietow
Tel.: +49 (0) 3841/ 33300
Fax.: +49 (0) 3841/ 333033
Mobil.: +49 (0) 170/1866648
E-Mail: info@solarzentrum-mv.de
Internet: www.solarzentrum-mv.de

17 Kommentare to “Zu Besuch im Solarzentrum Mecklenburg-Vorpommern”

  1. Sukram sagt:

    “…Strohhalmdicke Wasserleitungen im Zentimeter-Abstand als Matten in die Decke oder die Wände eingebaut erlauben Strahlungswärme auf Niedrigtemperaturebene mit extrem hohem Wirkungsgrad….”

    falls das System dicht ist (von Sauerstoffdiffusionsdichtheit garnicht erst zu reden) & solange es sich noch nicht zugesetzt hat.

  2. ... sagt:

    Zu den “Energie-Gewächshäusern”:

    1. Damit kriegt man kein Fleisch, keine Milch, keine Eier, kein Wein erzeugt – die machen den ganz ganz großen Kuchen unserer Nahrungsmittelverorgung aus, was Energie angeht. Wenn es darum ginge, die Menschen nur zu “versorgen”, braucht Deutschland heutzutage nur 15% der Fläche, die wir aktuell beackern, wenn überhaupt – man muss sich ja nur angucken was hier alles weggeschmissen wird.

    2. Wo kriegen sie den Dünger für den Spaß her? Eigenurin, Klärschlamm? Net so dolle, sind Medikamente drin. Und müssen auch erstmal besorgt werden – wenn das 100.000e von Menschen dezentral machen gibt das einige Extraautofahrten – für die Wartung ebenso…Gründüngung für Stickstoffeintrag is auch nicht drin. Müssen sie synthetisch machen, kostet auch wieder Energie. Also müssen Sie wohl Dünger in Westsahara (Reichweite: 150 Jahre, Peak bald absehbar) einkaufen.

    Ungeziefer-, Virus- und Pilzbekämpfung, Bestäubung, Abtransport, u.U. schwach giftiges Abwasser etc. hab ich noch garnicht angesprochen…also vergessen Sie das am Besten. Es ist viel viel einfacher sich nen Stück Land zu kaufen und Kartoffeln drauf zu setzen, wenn man auf Subsistenz aus ist. Zumindest wenn man, wie ich auf dem Land wohnt ;)

  3. Tom Schülke sagt:

    Solche Gebäude machen mich Traurig.

    Sie hinterlassen bei mir dieses sonderbare Gefühl, einer verlorenen Chance bei der Beerdigung zuzuschauen. Hätten wir vor 30 Jahren massiv in diese Techniken und perfekte Recyclingmethoden investiert… Dann … vielleicht.

    Das eigentliche Problem ist wie mir inzwischen scheint, dass wir zur Errichtung unserer sonnigen Zukunft voller Elan auf eine Hightechzukunft setzen, die nur dann eine relevante Chance hat, wenn die hochkomplexen Strukturen an Zulieferern, globalen Material und Knowhowströme dauerhaft und ohne nennenswerte Beeinträchtigungen weiterfunktionieren.

    Wie Wahrscheinlich ist es, dass wir uns in 20 Jahren noch eine Computerisierte Hightechanlage leisten können, die nur dann eine Zukunft hat, wenn ein Massenmarkt die Stückzahlpreise auf erträglichem Niveau belässt. Von den Ressourcen ganz zu schweigen.

    Steigt aber die Arbeitslosikteit, sinken die Nutzerzahlen, so werden auch die Stückkosten unserer Hightechspielzeuge steigen müssen , was die Nutzergemeinschaft weiter sinken lässt. Nur eine der vielen positiven Rückckopplungsschleifen, die eine Deflationäre Wirtschaft mit sich bringt, wenn Energiearmut das Wachstum stoppt.

    Ich glaube , jede sinvolle Investition in die Zukunft muß robust sein, von Einfachheit gekennzeichnet und dauerhaft mit einfachen Methoden zu reparieren.

    Die Zukunft gehört nicht dem Hightechsupereffizienten Computeroptimierten Gaskocher, sondern Großmutters alter Kochkiste und zwei selbstgezimmerten Solaröfen.

    Schade… Ich wäre so gerne auf den Mars geflogen… ;-)

    • Ert sagt:

      “Ich glaube , jede sinvolle Investition in die Zukunft muß robust sein, von Einfachheit gekennzeichnet und dauerhaft mit einfachen Methoden zu reparieren.”

      100% Zustimmung – leider aber oft ignoriert. Auch entspricht das nicht unserem aktuellem Wirtschaftssystem. Den aktuell sind nur mit Komplexitätssteigerung neue Produkte, zukünftige Abhängigkeiten und mehr Wegschmeiss erzeugbar.

      Eine Investition in einen Obst/Gemüsegarten, also Bäume, ggf. ein gutes Gewächshaus sowie ein Holzofen für die Küche mit Wasserspeicher sind sicher Top.

      Angesichts der damit verbundenen Arbeit und den aktuellen Lebensmittelpreisen – ist man damit aber deutlich vor der Zeit.

  4. Marcus Kracht sagt:

    @Tom Schülke

    Absolute Zustimmung. Es gibt schon jetzt Modellrechnungen, bei denen man zusehen kann, wie das frei verfügbare Einkommen in den kommenden Jahren schrumpfen wird und damit auch der Teil, aus dem all diese schönen Dinge finanziert werden können. Da gerade Hightech wegen der hohen Stückzahlen so erschwinglich wurde, wird sie recht bald verschwinden, wenn wir das Geld nicht mehr erübrigen können. Ich möchte allerdings die Planer sehen, die solcherart Überlegungen einbeziehen. Noch denken Sie über vertikale Ökostädte nach …

    • Ert sagt:

      @Markus Kracht

      Wo können diese Modellrechnungen zum Einkommen bezogen werden?

      Ich der Firma in der ich Arbeite thematisiere ich gerade genau diese Entwicklung basierend auf Peak-(Cheap)-Oil und der wirtschaftlichen Entwicklung u.a. der Euro-Zone, insb. DE mit seiner aktuellen Exportfixiertheit und der Nettolohnstagnation.

      • Das neue Buch von Charles Hall / Kent Klitgaard: Energy and the Wealth of Nations, Springer 2012
        enthält dazu einiges. Es gibt ein Programm mit Visualisierung:

        http://forio.com/simulate/billy/cheese-slicer/run/

        Das Buch ist sehr wichtig, weil es argumentiert, dass wir die energetische Grundlage wirtschaftlichen Handelns ernst nehmen müssen. Weniger Energie bedeutet schlicht weniger Produkte, egal wie schnell die Notenpresse läuft.

        — Marcus

    • Bruno Müller sagt:

      “Ich möchte allerdings die Planer sehen, die solcherart Überlegungen einbeziehen. Noch denken Sie über vertikale Ökostädte nach …” (Marcus Kracht)

      Als Architekt aus dem Süd-Westen besuche ich regelmäßig berufsorientierte Fortbildungen an der Architektenkammer Baden-Württemberg in Stuttgart. Bei diesen Seminaren, die qualitativ durchweg sehr hochwertig sind, wird per Fragebogen regelmäßig abgefragt, welche Themen, außer den angebotenen, noch von Interesse wären. Mein mehrfacher, ernst gemeinter Themenvorschlag lautet: “Wie bauen wir nach Peak Oil?”. Bisher keine Reaktion, Anfrage oder Neugierde seitens der Architektenkammer, z.B.: “Wie das denn gemeint sein soll?” Ich sollte doch mal aktiv nachhaken.

      Natürlich gibt es Seminare über Themen wie “Nachhaltigkeit planen” oder “Nachhaltige Stadtentwicklung” oder auch “Energieeffiziente Gebäudeplanung”. Das ist gut so, reflektiert aber leider nur die “halbe Wahrheit”, denn nicht nur die Herstellung von Baumaterialien, sondern auch der ganze Bauablauf mit Materialtransport zur Baustelle usw., wird zu 99% mit fossilen Treibstoffen bewerkstelligt, selbst das Bauen von Passivhäusern.

      Wir Architekten, selbst die Architektenschaft, bei denen Nachhaltigkeit oder Effizienz keine Fremdwörter sind, machen uns keine Vorstellung davon, was es bedeuten könnte im Bausektor mit weniger und/oder sehr teurem Öl auskommen zu müssen. “Wir planen ja keine Ölheizungen mehr!”, könnte eine nicht überraschende aber ernst gemeinte Antwort von meinen Berufskollegen sein.

      Herr Kracht, diese Planer sehe ich zumindest hier im “Schlaraffen-Schwabenland” leider nicht. Auch nicht die Bauherrschaft, die Peak Oil in ihre Lebensplanung, also auch darauf annähernd abgestimmt, ihr “Dach über dem Kopf” mit einbeziehen wollen.

      “Zumal den meisten, die sich auf die dunklen Seiten dieser Überlegungen einlassen, klar wird, dass es eben keine einfachen Lösungen gibt sondern jeder Weg zu einer möglichen Lösung sehr wahrscheinlich unsere Lebensmuster drastisch verändert.” (Norbert Rost) aus http://www.peak-oil.com/2012/09/transition-ist-kein-substantiv/

      Das trifft des Pudels Kern. Drum kommt Peak Oil allgemein so gar nicht gut an. Selbst bei denen nicht, die eine immense gesellschaftliche Verantwortung als Gestalter (nicht nur optisch) der gebauten Umwelt haben, bei uns Architekten.

      Grüße
      Bruno Müller

      • Ert sagt:

        Ich denke mal, das die nutzungseffektiitaet von Gebäuden wieder steigen wird. 1 Person auf 30-60qm ist dann vorbei. Letztendlich werden weniger Gebäude benötigt – und die bestehenden, die nicht mehr bewohnt oder gebraucht werden sind das Problem. Ggf. Kann man diese ja abreissen und die baumaterialien anderweitig verenden.

  5. Ne, Jungs sagt:

    Sie wissen aber schon, wie komplex es ist einen “einfachen” Chip herzustellen? Und sie wissen hoffentlich auch, das Computerchips sehr lange halten können, wenn man sie nach den Richtigen Kriterien designed?! Und sie wissen auch, das ein Raspberry Pi mit 1,5Watt Leistungsaufnahme selbst mit ner Rennmaus betrieben werden kann?

    Bei aller Liebe: Eine Computerfreie Zukunft kann ich mir nicht vorstellen, noch nichmal wenn sich die Stückkosten verhundertfachen (was bei ARM-Chips immernoch net viel ausmacht).

  6. Norbert Rost sagt:

    Mich hat das Solarzentrum deshalb beeindruckt, weil es zeigt, was mit durchaus einfachen Mitteln machbar ist und was dennoch in der allgemeinen gesellschaftlichen Debatte kaum wahrgenommen wird.

    Was hier in den paar Postings zu meinem Artikel zum Ausdruck kommt ist die konträre Seite zum gesellschaftlichen Mainstream: Die absolute Deidustrialisierung steht vor der Tür. Ich kenne das “Spiegelprinzip”, welches Marcus Kracht sehr anschaulich beschrieben hat und halte dieses Szenario für durchaus wahrscheinlich. Wenn wir aber sagen, wir akzeptieren dieses Szenario anstrengungslos und arbeiten auf eine Zukunft ohne Computer, ohne Technik und auf Basis von Solarkochern und Holzheizungen hin, dann müssen wir konsequenterweise auch sagen, dass wir die Bewohnerzahlen des Planeten auf maximal 2 Milliarden schrumpfen lassen. Mit allen Konsequenzen.

    Wenn wir einen anderen Entwicklungspfad in Betracht ziehen wollen, ist es aus meiner Sicht notwendig eine Brücke zu bauen zwischen der zweifellos notwendigen Robustheit und gewisser technischer Cleverness. Was das Gebäude im Solarzentrum für meine Augen zeigt ist, dass gar nicht so viel Technik notwendig ist! Fresnel-Linsen sind keine Wunderwerke, Elektromotoren, die sie auf die Sonne ausrichten ebensowenig wie ein kleiner Chip, der diesen Elektromotoren die “richtigen” Impulse gibt. Wasserleitungen zur Wärmeabfuhr und Folien als Außenhaut sind ebenfalls keine Wunderwerke, wahrscheinlich enthält heute jeder PKW mit Navi, Klimaanlage, Airbags und sonstigem Schnickschack mehr Hochtechnologie als dieses Gebäude. Was mich traurig macht ist eben, dass dort ein erforschbares und anschaubares Beispiel steht, welches aber nicht erforscht wird und beispielsweise auf die hier in den Kommentaren aufgeworfenen Fragen hin überprüft wird. Das Gebäude müßten eigentlich Landwirtschaftsstudenten bevölkern, die die Pflanzenfragen beleuchten, Materialwissenschaftler, die die Robustheit der Außenhaut und der Kapillarheizungen prüfen, Architekten, die Integrationsmöglichkeiten einzelner Elemente in neue und alte Bauten prüfen, Informatiker, die die Daten auswerten, Energietechniker, die Optimierungen und Vereinfachungen vornehmen.

    Sooo Hightech, wie ihr das beschreibt, kam mir dieses Gebäude eben gar nicht vor! Möglicherweise erscheint es in meiner Beschreibung so übertechnisch, weil uns solcherlei Kombinationen aus Technik und Cleverness sonst eben selten begegnen…

    • Marcus Kracht sagt:

      Lieber Norbert,

      ich teile deine Ansicht. Natürlich geht es nicht ohne. Solange uns also die Technik zur Verfügung steht, ist gegen einen Gebrauch nichts zu sagen. Ich persönliche habe sogar meine Freude an Erfindungen, ich finde das oft sehr spannend. Ich wollte nur anmerken, dass das Problem der Hochtechnik in absehbarer Zeit gar nicht ihre Verfügbarkeit ist sondern ihr Preis. Bei der Frage, wie wir unseren eigenen Energieverbrauch senken können, habe ich mich letztlich schon aus Geldmangel für recht konventionelle Lösungen entschieden (die es aber auch bringen).

      — Marcus

    • Stephan Becker sagt:

      Hallo Norbert,
      denkst Du bei den 2 Milliarden an die Lebensmittelversorgung?
      Ich denke, dass mindestens die heutige Weltbevölkerung ganz ohne Erdöl und Kohle mit genügend Lebensmitteln versorgt werden könnte. Man denke nur an riesigen Flächen in den USA, Russland, Australien, Brasilien oder auch Argentinien, die noch zur Verfügung stehen bzw. ungenutzt sind.
      Wie das gehen soll?

      Hiermit (ein paar Beispiele):

      moderner biologischer Landbau Teil 1
      http://www.youtube.com/watch?v=s1YJ2fWQGPE

      moderner biologischer Landbau Teil 2
      http://www.youtube.com/watch?v=STmrWIeTyKI

      Vor allem der dritte Teil ist interessant, weil man hier im direkten Vergleich (das konventionelle Feld und das Bio-Feld liegen direkt nebeneinander) sehen kann, um wieviel besser der Bioanbau ist, obwohl er auf all die “bewährte” Technik (Gentechnik, Spritzmittel und Kunstdünger) verzichtet – er ist nämlich u.a. wesentlich sparsamer, weil der Boden locker ist und die Regenwürmer die Arbeit des Pflugs um mehrere Größenordnungen besser machen:
      moderner biologischer Landbau Teil 3
      http://www.youtube.com/watch?v=Bvcln-Le_7o

      Der Bauer mit den Regenwürmern – DVD Trailer – 5min23s
      http://www.youtube.com/watch?v=iWKO522jw2Q

      Beschreibung über die Aktivitäten eines australischen Landwirts (und ehemaligen Geologen?) von Anfang der 70er, was man schon als Permakultur bezeichnen kann:

      The City Forest
      THE KEYLINE PLAN FOR THE HUMAN ENVIRONMENT REVOLUTION
      CHAPTER TEN
      Soil Sense
      http://www.soilandhealth.org/01aglibrary/010127yeomansIII/010127ch10.html

      Die USA könnten wahrscheinlich locker ihren heutigen immer noch abartigen Energieverbrauch allein durch den Anbau von Ölpflanzen (Erdnüsse, Raps, Leinsamen, Soja, Hanf (Fasern+ölhaltige Samen), Sonnenblume, Baumwolle (Fasern+ölhaltige Samen) etc.) in Mischkultur oder durch die Anwendung des Prinzips der Agroforstwirtschaft auf ihren endlosen Getreideanbauflächen decken.

    • Stephan Becker sagt:

      Am kommenden Samstag, 20. Oktober 2012 um 14:40, wird auf Arte ein Film ausgestrahlt, der genau das wieder gibt, was ich mit meinem vorigen Beitrag sagen wollte:

      “Zukunft pflanzen – Bio für 9 Milliarden”
      http://www.arte.tv/de/6815836.html

      oder direkt bei Youtube:

      “ZUKUNFT PFLANZEN – BIO FÜR 9 MILLIARDEN (Arte)”
      http://www.youtube.com/watch?v=p_YgjdxxJ6g

      Da kommt u.a. auch der Deutsche Biobauer Friedrich Wenz aus Südbaden drin vor, der diesen Vortrag im YT-Film “moderner biologischer Landbau” hält.

      Hier auch direkt ein Interview mit der Autorin des Films, Marie-Monique Robin:

      “Die Erde macht alle satt” – Interview mit Marie-Monique Robin
      http://www.arte.tv/de/die-erde-macht-alle-satt-interview-mit-marie-monique-robin/6988114.html

    • Stephan Becker sagt:

      Und noch zwei Beispiele für die ausreichende Ernährung der Weltbevölkerung mit Hilfe der Natur:

      Ein Beispiel aus Kolumbien:
      Die Wiederaufforstung eines abgeholzten Regenwalds bringt das Wasser, die Einwohner, Ernährungs- und Arbeitsmöglichkeiten zurück.

      Bäume als Regenmacher in der Steppe
      Quelle: Haiko Pieplow und Ute Scheub 2012
      Artikel im Ithaka Journal 2012

      Als der Kolumbianer Paolo Lugari 1984 mit der Vision nach Las Gaviotas kam, aus einem heruntergewirtschafteten Land wieder einen lebenswerten Ort zu machen, hielten ihn viele für einen Träumer. Zehn Jahre später waren bereits 5.000 Hektar aufgeforstet, derzeit sind es 8.000 ha. Weitere 45.000 ha sind bereits von der Regierung an die Initiative übergeben worden. Weitere 6,3 Millionen ha des von den kolonialen Siedlern verwüsteten Landes könnten folgen und wieder Waldgärten werden. Das entspricht immerhin der Fläche der Benelux-Staaten.

      Innerhalb von 20 Jahren ist der Boden wieder so fruchtbar geworden, dass sich der Bodenpreis im Vergleich zur umliegenden Steppe um das 3000fache erhöht hat.
      http://sonnenseite.com/Eine+Welt,Baeume+als+Regenmacher+in+der+Steppe,18,a22255.html

      Und ein Beispiel aus Jordanien (englischer Film bei YT, 36min, mit französischen oder englischen Untertiteln):

      Ein Bericht über ein Projekt, das in 2001 im Herbst, mit finanzieller Unterstützung einer japanischen Organisation begann

      Greening the Desert Video – Parts I and II
      http://www.youtube.com/watch?v=reCemnJmkzI

  7. Tom Schülke sagt:

    Hallo Norbert.

    Die Hoffnung, dass wir einen höheren Stand and Solartechnik mitnehmen werden als den Solarofen, teile ich natürlich auch. Es ist jede Anstrengung wert.

    Sich in seinem Persönlichen Umfeld auf die Entwicklungen der Zukunft vorzubereiten ist ja auch stark vom persönlichen Geldbeutel abhängig. Hätte ich genügend mittel, würd ich mir und meinen Freunden natürlich gerne ein Nullenergiedorf spendieren ;-)

    So reichte es eben doch eher für die Kochkiste, mangels eigenen Gartens oder eines Daches, das ich mit einer Solaranlage beglücken könnte. Ich glaube auch das es sehr stark eine Frage von Risikomanagement ist. Die meisten von uns leisten sich schließlich auch eine Hausratversicherung, obwohl der schlimmste Fall kaum eintreten wird.

    Im Angesichte einer möglicherweise verheerenden Wirtschaftskrise mit sich gegenseitig verstärkenden Rückckopplungsschleifen und einer auf Sofortlieferketten angewiesenen Versorgungsstruktur jedoch tickt unsere Gegsellschaft anders. Sich gegen ein Versorgungsrisiko abzusichern wird weithin als extravagantes Spinnertum abgetan. Selbst der 2 Wochen Nahrungsmittelvorrat, der noch in den 70er Jahren gang und gebe war, ist heute kaum mehr zu finden.

    Risikomanagement wäre angesagt. Und hier sind es dann doch die Einfachen Mittel, die eher Linderung verschaffen können.

  8. M.U. sagt:

    “Wenn wir aber sagen, wir akzeptieren dieses Szenario anstrengungslos und arbeiten auf eine Zukunft ohne Computer, ohne Technik und auf Basis von Solarkochern und Holzheizungen hin, dann müssen wir konsequenterweise auch sagen, dass wir die Bewohnerzahlen des Planeten auf maximal 2 Milliarden schrumpfen lassen. Mit allen Konsequenzen.”

    Das werden wir so oder so tun. Mit oder ohne Hightech spielt dabei eigentlich kaum eine Rolle. Der schlichte Unterschied zwischen beiden Varianten besteht lediglich darin die Möglichkeit zum Überleben der menschlichen Spezies zu erhalten oder aber auch nicht. Unser Energieproblem ist doch nur eines von vielen. Vielleicht noch nicht mal das Größte.

    Dieser Hightechporno bedeutet nichts anderes als hundert Jahre Infrastruktur langfristig zu ersetzen. Das wiederum bedeutet die letzten hundert Jahre mit allen Konsequenzen zu wiederholen. Also so ziemlich Alles mindestens mal zwei. Ich denke, damit würde sich Homo Sapiens in den Orkus katapultieren. Andere vor uns schafften das mit steinernen Äxten. Wir haben wir Maschinen! Gott sei dank!

    Mir fehlen bei solchen Betrachtungen oft die Nebenkosten bzw. Folgekosten. Wenn man alles einrechnen würde vom ersten Spatenstich der Mine bis zur Beseitigung der durch die Herstellung entstanden Hinterlassenschaften ist die Bilanz dieses technischen Wunderwerks mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Katastrophe. Ich denke, der einfache und banale Eindruck den dieses Haus hinterlässt täuscht. Wenn ich mir vorstelle was nötig war um die Ressourcen dafür abzubauen, ranzuschaffen, zu bearbeiten usw. Eine Blockhütte ist sicherlich effizienter und noch dazu umweltverträglicher. Unsere technischen Errungenschaften versprechen uns eine Zukunft die wir niemals haben können/dürfen.

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