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IEA-World Energy Outlook 2012 – Peak Oil abgesagt?

Gestern wurde der jährliche World Energy Outlook (WEO) in London vorgestellt, heute wird der Energie-Bericht in Berlin präsentiert. Aus den bisher öffentlich zugänglichen Dokumenten läßt sich hinsichtlich Öl und Peak Oil folgendes herauslesen:

  • Die USA können bis 2030 einen Selbstversorgungsgrad mit Öl und Gas von 100% erreichen. Bis 2020 soll das Land zum größten Ölförderer werden und Saudi Arabien überholen. Der internationale Ölhandel konzentriert sich demnach in Richtung Asien, wo auch die größten Verbrauchs-Zuwächse zu finden sind. Diese Entwicklung gilt jedoch als Anomalie, denn die Tendenz weltweit geht in genau die entgegengesetzte Richtung: Die meisten anderen Länder können ihre Förderungen wenn überhaupt nur sehr begrenzt steigern oder weiten ihre Importabhängigkeit sogar aus. Dennoch erreicht die Ölförderung in den USA bereits zwischen 2020 und 2025 ihr Maximum bei etwa 10 Millionen Fass pro Tag. Öl und Gas zusammen erreichen ihren Peak um 2025.

Öl- und Gasförderung in den USA laut WEO 2012

  • Nur wenn angemessene Maßnahmen zur Energieeffizienz weltweit greifen und umgesetzt werden (entsprechend des "Efficient World Scenario") würden die energiebedingten CO2-Emissionen ab 2020 nicht mehr weiter steigen und dann langsam zurückgehen. Der WEO hält dann ein Erreichen eines 3-Grad-Ziels (!) für möglich. Bis 2050 dürfen dann aber nur ein Drittel der weltweit bekannten fossilen Rohstoffe genutzt werden.
  • Der Großteil der steigenden Ölnachfragefrage resultiert aus dem Wachstum des Straßengüterverkehrs. Der Verbrauchsrückgang in den alten Industrienationen (OECD-Raum) wird durch die Übernahme des westlichen Konsumstils in den Schwellenländern mehr als ausgeglichen. In 2035 soll der Weltverbrauch bei 99,7 Millionen Barrel am Tag liegen - 2011 waren es 87,4 Millionen Barrel. Der Ölpreis soll dann 215 US$ betragen, was inflationsbereinigt 125 US$ von heute entspricht. Die IEA geht also nur von eine geringfügig höheren Preisniveau als heute aus - der Brent-Ölpreis liegt derzeit bei 108 US$.
  • Die Ölförderung in den Nicht-OPEC-Ländern erreicht ab 2015 einen Peak. Das Förderplateau soll etwa 10 Jahre anhalten, also bis zur Mitte der 2020er. Danach hängt die weltweite Ölversorgung noch stärker am Kartell der erdölexportierenden Staaten (OPEC). Der weitergehende Anstieg der Ölförderung in den OPEC-Ländern erfolgt nur durch die unkonventionellen Fördertechniken.
  • Der Großteil der Förderhoffnungen ruhen auf dem Irak. Auf bis zu 8 Millionen Fass pro Tag soll die dortige Ölförderung bis 2035 steigen, in 2020 sollen es bereits 6 Millionen Barrel täglich sein. 5 Billionen US$ soll der Irak bis 2035 an Exporterlösen erzielen, wobei die meisten Exporte nach Asien gelenkt werden. Ohne den Irak "würden die Ölmärkte schwierigen Zeiten entgegensehen", was entsprechende politische Stabilität im Land voraussetzt.
  • Der Wasserbedarf für die Energieerzeugung steigt. 2010 wurden bereits etwa 15% der weltweiten Wassernutzung im Energiesektor benötigt. Wasser könnte sich als Engpass bei der Energieerzeugung zeigen, beispielsweise bei der Aufbereitung von Ölsanden in Kanada aber auch beim Fracking wird es in riesigen Mengen gebraucht.
  • Europas Abhängigkeit von Gas-Importen steigt bis 2035 auf 85%, die Abhängigkeit von Ölimporten auf über 90%. Es ist wenig beruhigend, dass es China und Indien genauso geht, denn letztlich werden diese Großregionen um die schrumpfenden Mengen der ölexportierenden Staaten konkurrieren, die sich nicht ohne Grund bereits 1960 in einem Kartell namens OPEC zusammengeschlossen haben.

WEO 2012: steigende Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten in Europa, Indien, China

  • Entsprechend verändern sich die Handelsströme. Untenstehende Grafik zeigt die künftigen Gas-Flüsse, wobei Europa insbesondere von Russland und aus Afrika versorgt werden soll.

WEO2012: Handelströme für Erdgas in 2035

Fazit

Als Zwischenfazit der öffentlich zugänglichen Dokumente läßt sich sagen, dass die Förderung mit unkonventionellen Fördertechniken in den USA zwar für eine Entlastung der weltweiten Exportmärkte sorgt, doch Europa nach seinem Peak sich in weitere Abhängigkeiten begibt. Eine stabile Öl- und Gasversorgung setzt politische und ökonomische Stabilität in den Lieferländern voraus. Auch wenn die USA vorerst sehr viel lockerer auf das Erreichen des globalen Peak Oil und Peak Gas schauen können, weil sie die Rohstoffe im eigenen Garten fördern, sieht sich Europa in zunehmender Konkurrenz zu den Schwellenländern Asiens. Der Peak Oil im engeren Sinne, der Moment eines Ölfördermaximums, mag dank unkonventioneller Fördertechniken möglicherweise erst 2035 erreicht werden, doch die Risiken für europäische Verbraucher steigen weiter.

Abgesagt ist Peak Oil damit längst nicht. Die Szenarien der IEA reichen bis 2035. 23 Jahre von heute aus klingen nach viel Zeit. Doch eine Abkehr von Öl als Rohstoff ist nichts, was "man mal eben in 5 Jahren macht". Laut dem Hirsch-Report sind 20 Jahre Vorlauf angemessen viel Zeit, um sich anzupassen ohne Auswirkungen zu verspüren. Der IEA-World-Energy-Outlook suggiert, dass wir diese Zeit haben. Er setzt jedoch politische Stabilität in den Förderländern voraus, also: keine Revolutionen bis 2035. Und er setzt voraus, dass die zugrunde liegenden Daten korrekt sind und korrekt interpretiert werden.

Quellen:

Presse:

Interessant:


Nachtrag, 14.11.2012: Obiger Text beruhte auf den allgemein öffentlich zugänglichen Quellen der IEA. Eine vertiefende Analyse des World Energy Outlook 2012 hinsichtlich Öl-Gesichtspunkten findet sich nun unter dem Titel: Nachschlag: IEA WEO 2012 im Detail

14 Kommentare to “IEA-World Energy Outlook 2012 – Peak Oil abgesagt?”

  1. Hier ein paar Anmerkungen:

    1.) Peak Oil ist abgesagt? Die Grafiken stellen Öl *und* Gas dar. Bei Öl alleine sieht die Lage auch für die USA nicht so rosig aus. Und es geht bei Peak Oil zunächst einmal um Rohöl. Kein Wunder, dass sich der Peak verschiebt …

    2.) Das Problem am unkonventionellen Öl ist die Energierendite: die ist miserabel. Insofern bedeutet die Ausweitung der Menge nicht viel.

    3.) Die Gasförderung mittels Fracking hat bis jetzt sehr viel Geld gekostet. Gas wird zur Zeit unter Herstellungskosten verkauft! Ich bin gespannt, wie sich das auf Förderung auswirken wird.

    — Marcus Kracht

  2. Florian Hoppe sagt:

    3.) Die Gasförderung mittels Fracking hat bis jetzt sehr viel Geld gekostet. Gas wird zur Zeit unter Herstellungskosten verkauft! Ich bin gespannt, wie sich das auf Förderung auswirken wird.
    ——————

    Eben genau dieser Punkt muß genau beobachtet werden. Wie ich schon i nden anderen Kommentaren sagte, riecht dass sehr sehr stark nach einer Blase…..

    Desweiteren:

    . Der Ölpreis soll dann 215 US$ betragen, was inflationsbereinigt 125 US$ von heute entspricht. Die IEA geht also nur von eine geringfügig höheren Preisniveau als heute aus – der Brent-Ölpreis liegt derzeit bei 108 US$.

    ————

    Auch das ist auf Dauer gefährlich, wenn Jeremy Rifkins Behauptung der hohe Ölpreis Anno 2008 hat die Wirtschaftskrise mitverantwortet:

    http://www.peak-oil.com/2011/01/jeremy-rifkin-wirtschaftskrise-hat-ursache-im-oel/

  3. Athamas sagt:

    Peak Oil also erst in weiter Zukunft? Goldgräberstimmung angesagt? War alles nur ein großer Witz von irgendwelchen Weltuntergangsspinnern?
    ..Da habe ich in scharfsinnigen Analysen auf dieser Website über Themen wie EROI oder die tatsächliche förderbare Menge aus unkonventionellen Vorkommen etwas ganz(!) anderes gelernt.
    Nur weil in den Staaten für einige Jahre das Fracking-Fieber die Halluzination verursacht, das ganze Spiel geht endlos weiter – kann nun nicht einfach so Entwarnung geschrien werden. Man sollte erst sorgfältig die Daten auswerten, was im oberen Artikel bei weitem(!) nicht geschehen ist. Gerade bei einem fundamentalen “Pfeiler” der ganzen Peak-Oil Thematik sollte man nicht auf jeden Zug springen, welcher im Mainstream hochkocht! Sonst hat man sehr schnell mit Unglaubwürdigkeit zu kämpfen, frei nach dem Motto: “Wer einmal lügt..”

  4. wolfswurt sagt:

    Die Aussagen über vorhandene Lagerkapazitäten und/oder Förderkapazitäten sind auf einem Niveau angekommen, welches den jährlichen Plan-Übererfüllungen in der DDR entspricht.
    Doch in den Geschäften fand man nirgends die übererfüllte Produktion.

    Mediengeschreibsel und die Realität, sprich Preisentwicklung zur angeblichen Menge, haben anscheinend einen großen Spread.

    Meine einfache und bescheidene Großmutter besaß folgende Weisheit: jedwede Obrigkeit bescheißt ihre Untertanen.

  5. Tom Schülke sagt:

    Hallo Norbert,

    dann sind wir auf den zweiten Teil gespannt…

  6. peakaustria sagt:

    Ich finde das Interview von mit Martenson mit dem Druiden Greer passt da super dazu: http://www.peakprosperity.com/podcast/80011/john-michael-greer
    Ich glaube wie schon im Spiegel gepostet, dass die Förderfirmen von Shale mit einem Kater aufwachen werden. Ebenso wird es zu De- Komplexität Erscheinungen kommen müssen um die 3 Grad am Ende des Jahrhunderts nur annähernd zu schaffen! Aber sagen Sie irgendjemanden oder alten Fortschrittsgläubigern(Studenten oder Pensionisten) einmal, dass Sie in Zukunft auf 2/3 Ihrer Privilegien zu Gunsten der Entwicklungsländer verzichten sollen! Ohne Komfortverlust wird es nicht gehen siehe Tom Murphy oder Ugo Bardi…

  7. M.U. sagt:

    Zuversicht als letztes Mittel!

  8. steffomio sagt:

    Bei allem was ich bisher gelesen habe, halte ich besonders die Angaben der USA für einen Blöff.
    Da diese ihren exorbitanten Finanzhaushalt kaum mehr glaubhaft durch ihre schwindende Wirtschaftsleistung absichern können, bleibt nur das Versprechen eines zukünftigen Booms der “unglaublicher Ölmengen”, die noch im Erdboden schlummern. Ein Versprechen welches bei Bedarf jederzeit Jahr ums Jahr in die Zukunft verschoben werden kann.

    Wie auch immer, die anderen Nationen werden Zähne knirschend die Angaben der an sich bankrotten USA glauben (müssen) und dessen Dollars akzeptieren (müssen).

  9. Flin sagt:

    Die USA als Selbstversorger (momentaner Verbrauch 18,8 Mb/d)
    Ich glaube eher nicht daran, auch wenn man NGL, Kohleverflüssigung usw einrechnet.
    was ich sehr wohl Glaube bzw mir sehr sicher bin …die Menschen werden erst aufhören Fossile zu verbrauchen wenn Schlicht und Einfach nichts mehr da ist. Erst Öl dann Kohle und Gas.. und zum Schluss evtl noch die Methanhydrate aus dem Meer , was das mit dem Klima macht dürfte klar sein. Hauptsache die Kohle stimmt. Mfg

  10. ... sagt:

    3 Grad sind das Ziel??? Sind die eigentlich total verrückt geworden?! Wissen die bei der iea was 3 Grad heißen würden ?

  11. roderik sagt:

    “In 2035 soll der Weltverbrauch bei 99,7 Millionen Barrel am Tag liegen – 2011 waren es 87,4 Millionen Barrel. Der Ölpreis soll dann 215 US$ betragen, was inflationsbereinigt 125 US$ von heute entspricht. Die IEA geht also nur von eine geringfügig höheren Preisniveau als heute aus – der Brent-Ölpreis liegt derzeit bei 108 US$.”
    Und mit wie viel globalen Wirtschaftswachstum rechnen die Kollegen? Hört sich für mich wie zwanzig Jahre Stagnation an.

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