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Der Satz im Koalitionsvertrag

Fritz Vorholz schreibt in der ZEIT:

Union und SPD begraben die Energiewende

Als Beleg zitiert er folgenden Satz aus dem Koalitionsvertragsentwurf vom 11. November:

"Wir werden prüfen, ob große Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien einen Grundlastanteil ihrer Maximaleinspeisung garantieren müssen, um so einen Beitrag zur Versorgungssicherheit zu leisten."

Er leitet aus dieser Aussage ab: Die Betreiber von EE-Erzeugungsanlagen müssen mit den Firmen Geschäfte eingehen, die fossile Kraftwerke betreiben. Da Vorholz die Kilowattstunde fossilen Strom mit 6 Cent ansetzt, sieht er einen Zwangsakt kommen, bei dem die EE-Anlagen die fossilen Anlagen mitfinanzieren.

Ich fürchte, diese Argumentation greift zu kurz.

Zuerst einmal ist es in diesen Breitengraden unüblich, dass Gesetze so verändert werden, dass sie rückwirkend auf bereits geschlossene Verträge wirken. Dass ausgerechnet die risikoscheue CDU Alt-Verträge über den Haufen wirft, wäre in der Tat ein Skandal. Daher nehmen wir mal an, die bisher nach dem EEG gebauten Anlagen laufen weiter, wie gehabt. Also gilt der Satz vermutlich nur für jene Anlagen, die künftig dazukommen. Würde aber obiger Satz automatisch dazu führen, dass alle EE-Anlagenbetreiber Stromlieferkapazitäten bei den fossilen Kraftwerksbetreibern einkaufen? Mitnichten. Dies würden nur jene Anlagenbetreiber tun, die wirklich viel Strom liefern und nicht so schnell eigene Speicher bauen können, um den geforderten Grundlastanteil bereitzustellen. Einen (anfänglich geringen) Prozentsatz an der Stromerzeugungskapazität in Speichern bereithalten zu können, wäre ein echter Zugewinn für die Energiewende. Denn dies würde bedeuten, dass eben nicht völlig unberechenbare Stromerzeugungskapazität ans Netz gehen kann, die man nur nach unten regeln kann, indem man sie abklemmt (was ja tatsächlich durch die Netzbetreiber getan wird!). Sondern es würde bedeuten, dass Pufferungen möglich werden und damit nicht dumpfe Energieliefermaschinen rumstehen, sondern sehr viel feiner steuerbare Kleinkraftwerke.

Man könnte argumentieren, die Speichertechnik ist noch nicht so weit. So ranzugehen bedeutet aber zu vergessen, was das EEG bis hierher geleistet hat: Es hat dafür gesorgt, dass in großem Stil Produktionsanlagen für EE-Anlagen aufgebaut wurden, dass große Fortschritte in der Stromerzeugungstechnologie erzielt wurden, dass große Kapazitäten ans Stromverteilnetz angedockt wurden und dass Erfahrungen gesammelt wurde, die weltweit wertvoll sind. Ähnliches könnte mit einem klugen Anreiz-Programm auch bei Fortschritten auf Seiten der Speicher führen. Die Speicher-Frage ist die zentrale Frage der Energiewende. Wie kommt Exergie vom hellen Tag in die dunkle Nacht und wie vom warmen Sommer in den kalten Winter? Am Äquator ist diese Frage nicht ganz so wichtig, je weiter man zu den Polen kommt, umso mehr entscheidet sie darüber, wie viele Menschen in einem bestimmten Breitengrad überhaupt leben können.

Da Speicher das nächste notwendige zentrale (technische) Element der Energiewende sind, erleben wir bereits (und werden wir künftig noch stärker erleben) die Förderung des Speicherausbaus. Sachsen hat grade ein 3-Millionen-Euro-Förderprogramm aufgelegt, um kleinere Speicher an kleinere PV-Anlagen zu kriegen. Mit dieser Förderung werden nicht nur die Speicher selbst in die Welt gebracht, sondern die Projektierer, die PV-Anlagen planen, haben einen Anreiz, mit dem nächsten Stromwende-Baustein zu experimentieren. Wenn sowas schon in Sachsen passiert (wo erneuerbare Energiequellen politisch nicht gerade hofiert werden), ist damit zu rechnen, dass auch anderswo diese Richtung eingeschlagen wird. Warum also nicht auch auf Ebene der Bundesregierung?

Insofern bedeutet dieser Satz im Koalitionsvertrag keineswegs zwangsläufig, dass die EE-Anlagen künftig die fossilen Kraftwerke alimentieren werden. Es kommt darauf an, wie hoch der geforderte Grundlastanteil wäre und wie die Politik die Anforderung an die Stromeinspeiser genau definiert. Wenn sie RWE&Co. Geschenke machen will, wird sie deren fossile Grundlast anrechnen, was den fossilen Dinosauriern einen unfairen Wettbewerbsvorteil und den Rückschritt zur Oligopolbildung bedeutet - und Fritz Vorholz' Albträume werden wahr. Wenn sie fair sein will, muss sie fordern, dass der Grundlastanteil ebenfalls mit "postfossilen Technologien" erbracht werden muss, also keine fossilen Quellen zur Grundlastbereitstellung genutzt werden dürfen. So würde sie Wettbewerb in der postfossilen Branche auslösen, statt den Fossilen Großen plötzlich wieder Vorteile einzuräumen. Will die Regierung den Vorgang beschleunigen, wird sie sich überlegen müssen, wie sie mögliche "Wirtschaftlichkeitslücken" überbrückt: Wenn Speicher noch zu teuer sind, um den Speicherausbau zu heutigen Strompreisen wirtschaftlich zu machen, wären Förderanreize hilfreich. Sie könnte dazu ein Bonus-Malus-System einsetzen und unerwünschten Energieverbrauch besteuern (Malus), um daraus den Speicherausbau zu finanzieren (Bonus). Fossil wirtschaften würde teurer, postfossil wirtschaften billiger.

Ich denke, wir werden künftig viel von Methanisierung hören. Saisonale Speicherung in Methan, kompatibel mit dem bestehenden Erdgas-Verteilnetz. Die technischen Bausteine sind bereits vorhanden (Elektrolyseure, Methanisierer, Speicher, Netze), die Speicher-Kapazitäten sind relativ groß. Erdgasfahrzeuge spielen nach den Mineralölfahrzeugen die zweitgrößte Rolle auf den Straßen, Methan wäre aber auch in Brennstoffzellen nutzbar - und ist somit sehr breit einsetzbar.

Wenn der Satz im Koalitionsvertragentwurf in diese Richtung führt, wäre das ein durchaus guter Schritt. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik auf die kleinen, wichtigen Details achtet. Im Sinne der Bürger (nicht der Rendite).

 

Anderes:

18 Kommentare to “Der Satz im Koalitionsvertrag”

  1. Ert sagt:

    Ohne bestehende Gesetze zu ändern, könnte die Regierung durch ein Gesetz meiner Ansicht nach durchaus die Auflage machen eine Grundlastanteil bei den Bestandsanlagen zu garantieren. Machen die EE Erzeuger das nicht – dann müssen Sie eben eine “Umlage-Abgabe” etc. zahlen. So bleibt die Einspeisevergütung wie sie ist.

    Es ist dann auch möglich den Anteil der Speicherung in kleinen Schritten pro Jahr hochzufahren – das lässt dann auch Zeit entsprechende Produkte zu entstehen und gibt den Herstellen eine sehr gute Planungssicherheit – und somit Zugriff auf günstige Kredite.

    Und das ist dann gleich das zweite Ziel: Verschuldung der Wirtschaftsteilnehmer (der Defla entgegenwirken) und Anreize zur Investition.

    Letztendlich muss der Verbraucher die ganze Soße zahlen – was aber auch absolut vernünftig ist – “the (energy) party is over”.

  2. B.R.Ahlers sagt:

    Umweltschutz ist ein sehr lukratives Geschäft das man nicht einfach einigen Weltverbesserer, die den Patienten Erde retten wollen überlassen darf. Auf der UN-Klimakonferenz in Warschau geht es auch nicht um das Klima, sondern ausschließlich um wirtschaftliche Interessen. Frei nach dem Motto „was interessierst uns die Welt von Morgen? Solange noch ein Tropfen Öl und ein Gramm Kohle im Boden ist, werden wir es zu Geld machen, koste es, was es wolle!“

    Auch die italienische Mafia hat das Geschäft mit dem Klima erkannt und investieren massiv in Windparks, und wahrscheinlich mit Hilfe deutscher Banken.
    Vito Nicastri war eigentlich ein einfacher Elektriker. Doch dann macht ihn die Mafia als Strohmann zum Herrn über etliche Windparks in Süditalien. Als italienischen Fahnder ihn aus dem Verkehr ziehen, beschlagnahmen sie auch sein Vermögen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Die Mafia macht auf Ökostrom.

    Von Süditalien führt die Spur nach Aurich. Von dort lieferte die Firma Enercon Windräder nach Süditalien – und die Kredite für das mafiöse Geschäft finanzierte in Hamburg die HSH-Nordbank. Deutschland scheint für die Mafia ein bevorzugtes Territorium bei der Geldwäsche zu sein.
    Umweltschutz sei Dank

  3. Ert sagt:

    Mal was anderes….

    Was mich mehr und mehr beschäftigt, ist das es zwar viele Kongresse bez. Zukunft [1], Änderungen im Wirtschaften [2], alternativen Energien und Versorgungskonzepten [3] gibt – aber die meisten dabei den aktuellen Status-Quo sichern wollen, bzw. wohl fundamental davon ausgehen (bzw. alles unter die Grundannahme stecken) das dieser sicherbar ist – nur eben anders: Also des gleichen oder vergleichbaren Wohlstands und Expansion des ganzen Wirtschaftssystems in Richtung “Erneuerbar” und “Nachhaltig”.

    Kaum irgendwo lese oder höre ich etwas von “Schrumpfung”, also weniger, weniger verbrauchen, weniger herstellen, weniger und! lokaler wirtschaften, längere Nutzungszyklen – Einschränken – außer bei Leuten wie z.B. Niko Paech, der gerade dies sehr stark thematisiert und wohl auch praktiziert.

    Momentan sehe ich eher Tendenzen das Elektroautos – wie z.B. Tesla – bejubelt werden, mit der Hoffnung das alles weiter so gehen kann wie bisher – nur eben anders. Anscheinend ist Kohle-Strom aus der Steckdose so grün, das dadurch E-Autos auf einmal “Sauber” sind – Porentief rein!

    In diesem ganzen Wirrwarr habe ich aber dennoch heute etwas schönes gefunden, von Herrn Prof. Leohold – seines Zeichens Chef der Konzernforschung bei VW. Der sagt: “Mit elektrischen Antrieben allein lösen wir das CO2-Problem Problem nicht. Auch die Infrastruktur muss stimmen. Einen wirklichen Fortschritt erreichen wir nur, wenn E-Autos auch mit Strom aus erneuerbaren Quellen fahren” [4]

    Hier ist nun auch die Brücke meines Kommentars zu Norberts Beitrag. Malt ‘man’ sich eine Umstellung alleine 50% unseres aktuellen motorisierten Individual- und Kraftverkehrs in Richtung “E” aus, dann darf wirklich gefragt werden woher der ganze Strom kommen soll. Nicht nur das! – unser heutiger Strommix ist ja schon ziemlich mies, weil noch stark auf Kohle und teilweise Atomstrom basiert.

    Sicher ist was im Bereich EE möglich – und auch nötig, aber ich glaube nicht das EE, in Anbetracht der EROEI reduzierenden und ressourcenaufwändigen Speicherproblematik, das allseligmachende Heilmittel sein kann.

    Ich frage mich und bin gespannt, wann der Umbau zu einem gesichertem und robusterem (resilentem) ‘weniger’ ein zentraler Punkt in der öffentlichen Diskussion wird. Denn dies hat fundamentale Auswirkungen auf unser Wirtschaften und den Umbau unserer heutigen wirtschaftlichen Strukturen – da mit weniger die bestehenden und zukünftigen Zins- und Kreditlasten nicht mehr erfüllt werden können.

    Quellen/Links:
    [1] http://www.igmetall-kurswechselkongress.de/um-was-gehts/
    [2] http://www.wbcsd.org/
    [3] http://www.zukunftsenergien.de/
    [4] http://www.igmetall-kurswechselkongress.de/expertenportal/prof-dr-jurgen-leohold/

    • Ert sagt:

      Hier noch ein Link bzw. ein schöner Vortrag zu Niko Paech bez. Postwachstumsöknonomie: “Die Wachstumsparty ist vorbei” – http://www.youtube.com/watch?v=Xdwqu88cY3g

      Mit klaren Ansagen wie es weiter gehen kann – mit weniger!

    • Marcus Kracht sagt:

      @ Ert

      Nicole Foss hat der Elektromobilität auch eine Absage erteilt. Das Problem ist immer das gleiche: im Prinzip ja, aber nicht in den gegenwärtigen Dimensionen. Ich sehe nicht, wie wir allen Ernstes komplett auf Elektrofahrzeuge umstellen können. Und so ist das auch mit der erneuerbaren Energie. Die wird nicht in der gleichen Menge zur Verfügung stehen und auch nicht so kontinuierlich wie fossile Energie.

      Aber statt zu sagen: das ist es wohl, darauf wird man sich eh einstellen müssen, also ändern wir mal das Verbrauchsverhalten (wie wär’s mit weniger Nachtschichten), wird jetzt nach mehr Einspeisesicherheiten gerufen. Was ja eigentlich nicht verkehrt ist, aber wohl nur eine Zwischenlösung, ein Puffer für die Zukunft.

      An der Uni wird offenkundig auch eher so geforscht, dass es weiter wie bisher gehen kann. Wann immer ich die Probleme thematisiere, ernte ich Schweigen von den allermeisten. Der Diskurs will nicht in Gang kommen.

      • Ert sagt:

        @Marcus

        Danke für Deine Antwort und den Einblick in Deine Arbeitsrealität.

        Ich war ja schon Baff, als ich letztens im IGM Wolfsburg Magazin “WIR” auf einer Doppelseite einen Bericht mit den Titel “Ist Wachstum die Lösung oder das Problem?” gelesen habe. Die Doppelseite (Seite 8 und 9) hätte bei peak-oil.com veröffentlicht sein können! [1]

        Natürlich möchte fast keiner morgen “Materiell” schlechter leben als heute – deswegen wird das ganze nur wenig oder abstrakt thematisiert. Nur zerstört gerade dieses materielle Modell, gesteigert durch geplante Obsoleszenz, unsere Lebensgrundlage.

        Die größte “Nuss” aber ist die Frage wie unser globales Wirtschaftssystem nachhaltig “schrumpfen” kann. Wenn wir wieder weg kommen von unseren aktuellen Skaleneffekten durch Globalisierung und Arbeitsteilgier Massenproduktion – dann verteuern sich Produkte und es verringert sich zwangsläufig dann auch Komplexität & Absatz. Geht das mit einer weiteren Effizienzsteigerung einerseits und Pleiten andererseits einher – dann haben wir eine doppelte Krise im Bereich der Wirtschaft und Arbeitslosigkeit.

        Für mich heißt das, das die Mammutaufgabe ist wie wir unser gesamten Wirtschaften und Arbeiten umstellen müssen – so das wir ohne kompletten ‘Bruch’ die Transition schaffen. Das kann mittelfristig auch heißen, das alle weniger (abhängig) arbeiten (und verdienen), damit alle Arbeit haben. Wenn dies eine eine gemeinsame und gesamteuropäischen Basis hätte – dann könnte so etwas auch in einer demnächst weniger globalisierten Welt klappen.

        Aktuell aber versucht ja ein Großteil der deutschen Industrie Ihr Exportmodell weiter zu verteidigen – wohl in dem Wissen das es einseitig, kurzfristig, opportunistisch, und zerstörend ist – und Europa bzw. unseren Nachbarn und Partnern stark schadet.

        ” Wann immer ich die Probleme thematisiere, ernte ich Schweigen von den allermeisten. Der Diskurs will nicht in Gang kommen.”

        Das ist auch meine Wahrnehmung, wenn es Hart auf Hart kommt. Hier also nicht nur um das “Theoretische” verzichten und Umdenken geht – sondern wenn es um die praktische Umsetzung geht.

        [1] http://www.igmetall-wob.de/uploads/media/WIR_11-2013.pdf

      • Norbert Rost sagt:

        Hallo Markus.

        Ich glaube auch nicht an eine vollständige Substitution unserer heutigen Flotte und der heutigen Fahrleistung auf E-Mobilität. Ich finde das andererseits nicht zwingend schlimm, da eine Menge Fahrten und Fahrzeuge durch andere Arten des Umgangs (z.B. CarSharing + kürzere Wege) ersetzt werden kann und dies zweifellos unserer vollgeparkten Gesellschaft in vielerlei Hinsicht gut täte.

        Was mich interessiert ist deine Aussage nach dem nicht in Gang kommenden Diskurs. Mich interessiert: Wem gegenüber thematisierst du? In welcher Form? Mit welchem Fokus, welchem Ziel? Was ist noch unprobiert und was könnte demnach helfen, den Diskurs zu provozieren? (Antwort gern auch als PM oder als veröffentlichbaren Artikel :-) )

        • Marcus Kracht sagt:

          @ Norbert

          Ich versuche viele verschiende Wege, zum Beispiel Vorträge organisieren oder auch, indem ich die eine oder andere Meldung herumschicke oder ab und an mit Leuten direkt rede. Meine Erfahrung: wenn man persönlich, also eins-zu-eins mit den Menschen redet, hat man eine gewisse Chance. Wobei es ein bisschen davon abhängt, wie vorbelastet die Leute sind durch eigenes Denken. Bei Vorträgen verpufft die Wirkung meist, Studenten kommen eigentlich gar nicht, wenn es nicht irgendwie “abgerechnet” werden kann.

          Auch Erstsemester kläre ich ab und an über die Zukunft auf, aber da kommt irgendwie nichts, nicht mal Gegenrede (wäre ja auch gut, dann hätte man mal einen Anhaltspunkt, ob die Leute einem glauben). Ich schaue stattdessen in treue Gesichter, die zwar zuhören, aber keinerlei Reaktionen verraten.

          Aktuell habe ich die Meldungen über eine interne Diskussion der DFG bzgl mangelnder Grundfinanzierung der Universitäten und die Antragsflut innerhalb der Fakultät so kommentiert, dass das 1. abzusehen war, 2. nicht nur ein finanzielles Problem ist sondern unterliegend auch ein energetisches. Und dass wir eben gut beraten wären, mal zu fragen, was denn nun sich zu erforschen wirklich lohnt bzw was eben einfach nur Beschäftigung um der Beschäftigung willen ist. Anhang war eine Aufsatz von mir zu dem Zusammenhang zwischen “big science” und Energie. Die Reaktionen lassen auf sich warten (nur Emeritierte haben wohl die Zeit, sich mit so etwas zu befassen …).

          Marcus

    • Hansi sagt:

      @ Ert
      Hatte vor ein paar Tagen ähnliche Gedanken zur E-Mobilität und fraglichen Kapazitäten dafür in der Stromversorgung, war aber zu faul mal nachzurechnen.
      Aufgrund deines Kommentars hab ich das Ganze jetzt mal ausgerechnet:

      Im Jahr 2011 wurden in Deutschland 609 Mrd. PKW-Kilometer gefahren (von 43 Mio. PKW). Wenn das alles E-Autos wären, schlagen die mit einem Stromverbrauch von 0,22 Kwh pro Kilomter zu buche (Verbrauch des Tesla Model S).
      Das ergäbe einen zusätzlichen Stromverbrauch von 134 Mrd. Kwh für das Jahr 2011.
      Der gesamte Stromverbrauch Deutschlands lag 2011 bei 603 Mrd. Kwh – davon kamen 120 Mrd. Kwh aus erneuerbaren Energien (20 %).

      Wenn man dazu nun den Verbrauch aus zusätzlicher E-Mobilität (nur PKW natürlich!) dazurechnet, müssten wir die Stromproduktion “nur” um 22 Prozent steigern.
      Will man den Strom jedoch komplett aus EE beziehen, müsste man den EE-Bestand aus 2011 etwas mehr als verdoppeln.

      Schon interessant wie ich finde. Ich hoffe, ich konnte mit den Zahlen etwas beitragen.

      • Ert sagt:

        @Hansi

        Danke für die Überschlagrechung.

        Zum Stromverbrauch/Produktion.

        So weit ich weiß wird die Stromproduktion beim Erzeuger gemessen (Einspeisepunkt) – so zumindest auch bei der EE Vergütung.

        Nun gibt es bis zur Leistung IN DIE Batterie des E-Fahrzeuges bei weiterhin Zentral bzw. distributiert generierter Energie (Strom) einige Wandlungs- und Übertragungsverluste. Mir fallen aktuell ein: Hochtransformation, Übertragungsweg zum Kunden, runtertransformation, Laderegeler für das E-Fahrzeug, Ladungsverluste der Batterie.

        Weiterhin gibst Du die PKW-Kilometer an: Wie würde das bei ÖPNV (Straße) und LKW aussehen? Das ist ja nicht unwesentlich, insb. der Schwerverkehr?

        Könntest Du das auch überschlagen bzw. weisst Du welche Leistungsverluste da angesetzt werden müssten?

        In [1] werden für alle Leitungsverluste Kombiniert 4,3% angenommen. Aus einer anderen Publikation weiss ich das man für HV-Laderegeler im E-Kfz Bereich ggf. 95% erreichen kan, heute aber eher bei 89-92% ist. Zu Ladeverlusten bei LiFePo4 (Tesla) habe ich nichts gefunden, anhand [2] gehe ich mal von 93% aus.

        Das macht: 0,957*0,92*0,93 =0,81! Das bedeutet, das die Primärenergiezahl noch durch ca. 0,8 geteilt werden müsste.

        Durch Ansätze wie INEES [3] ist sicher noch was drin – das sind aber fette Investitionen.

        [1] http://www.energie-fakten.de/html/energieverluste.html
        [2] http://de.wikipedia.org/wiki/Akkumulator#Energiedichte_und_Wirkungsgrad
        [3] http://www.erneuerbar-mobil.de/projekte/foerderung-von-vorhaben-im-bereich-der-elektromobilitaet-ab-2012/kopplung-der-elektromobilitaet-an-erneuerbare-energien-und-deren-netzintegration/inees

        • EcoDrive sagt:

          @Ert

          Ich kann zu den Ladeverlusten hier meine persönlichen Daten, Erfahrungen einbringen.
          Ich erfasse seit 6.5.12 alle relevanten Daten für den Opel Ampera. Den Stromverbrauch erfasse ich mit einem geeichtem Zähler (überall, wo ich lade) und erfasse auch die Verbrauchsanzeige im Auto.
          Damit sind alle ‘Ladeverluste’ erfasst.
          23933 km elektrisch gefahren mit 12,90 kWh/100km ab Akku.
          16,80 kWh/100km ab geeichtem Zähler.Stand 01.11.13.

          Wobei ‘Ladeverluste’ nicht der richtige Ausdruck ist. Beim Ladevorgang laufen mehrere Pumpen, Controller, Systeme, die Energie verbrauchen. Die Ladedauer hat Einfluss auf den Gesamtwirkungsgrad. An schwacher Leitung mit 6A laufen die Systeme einige Stunden länger, dadurch verschlechtert sich der Gesamtwirkungsgrad. Bei 16A Ladeleistung liegt der Gesmatwirkungsgrad bei 83% bis 85%.
          Den grösseren Anteil der ‘Ladeverluste’ (Netz vs. verfügbar ab Akku) macht die Standheizung/Vorheizen vor der Fahrt und das Vorklimatislieren im Sommer aus.
          Mein Verbrauch von 129 Wh/km ab Akku, bzw. 168 Wh/km ab Netz ist der Gesamtdurchschnitt seit 3.5.12 inkl. kühlen im Sommer & heizen im Winter des Fahrgastraums und inkl. der Akkukühlung, Akkuheizung während der Fahrt.

          Übrigens ist der Energieverbrauch im Sommer durch Klimatisieren absolut vernachlässigbar. Er ist so gering, dass er kaum Einfluss auf die Reichweite hat. Das hängt damit zusammen, dass E-Fahrer gerne Strom sparen und die Kühlung so einstellen, wie man es eigentlich machen sollte, -> max 5° unter der Aussentemperatur und nicht gleich auf 20° runterkühlen und dann zum Arzt gehen zu müssen, weil man sich einen Schnupfen holt.

          Ich bin mir dessen bewussst, nicht jeder fährt so effizient wie ich, dennoch ist es ein Anhaltspunkt. Je geringer der Energieaufwand, desto stärker kommen kleinste Unterschiede in der Klimatisierung, Heizung und Fahrweise zum Vorschein.

          In der Schweiz ist der Stromverbrauch 2012 zum zweiten Mal in Folge um gleich 2,1% gesunken. Dies trotz massiver Zuwanderung (auch aus D) und entsprechender Bautätigkeit, zehntausende von Neubauwohnungen.

          • Norbert Rost sagt:

            Danke @EcoDrive für diesen kleinen Einblick. Was ich faszinierend finde und aus eigener Erfahrung gern bestätige, ist wie stark sich die Energiefrage auf meine Fahrweise auswirkt, wenn ich elektrisch unterwegs war. Gerade weil die aktuellen Akkus nur beschränkte Reichweite liefern, achtet man sehr viel stärker auf energiesparendes Fahren und die sogenannten “Komfortverbraucher”, wie Heizung, Radio & Co. Und man merkt, welche Rolle diese beim Energieverbrauch spielen. Das kriegt man in einem Verbrenner ja überhaupt nicht mit.

          • Ert sagt:

            @EcoDrive

            Danke für diese aufschlussreichen Zahlen aus der Praxis!

            Wenn ich diese Zahlen sehe, dann wird mit schon bei einer elektromotorische Servolenkung unwohl – weil das ziemlich heftig auf den Stromverbrauch geht. Wenn ich dann noch die Servos und Steuergeräte bedenke… dann komme ich zum Schluss das all das weg muss – um Gewicht und Verbrauch zu sparen.

            Meine Frage an Dich: Wie viel Elektronik, Fensterheber, Servolenkungs, etc. Schnickschnack hat den der Ampera?

      • Ert sagt:

        @Hansi

        Anmerkung zwei: Einfach EE zu verdoppeln greift zu kurz. Die Energie muss da sein, wenn Die Fahrzeuge geladen werden sollen/können (u.a. Erhöhung der Grundlastfähigkeit).

        Schau Dir mal die Gesamt-Energieerzeugungsdaten der Frauenhofer Gesellschaft an [1]. Gerade bei Strom aus PV wird das ganze “Tricky”. Letztendlich müssten alle E-Fahrzeuge bei allen Parkplätze (Start/Ziel) ‘einstöpselbar’ sein und als EE-Puffer für das Stromnetz dienen. Mich würde da interessieren, welche zusätzlichen Investitionen nötig sind, damit das klappt.

        Nimmt man die Fahrzeuge als EE-Puffer, dann geht das auf die Zyklen… macht man es zentral, dann sind es auch gigantische Investitionen. Das alles kostet…. hmmmmmmmmmmmm…..

        [1] http://www.ise.fraunhofer.de/de/downloads/pdf-files/aktuelles/stromproduktion-aus-solar-und-windenergie-2012.pdf

        • Hansi sagt:

          @ Ert

          Das ist natürlich richtig. Wenn man einfach nur verdoppeln würde, müssten man davon ausgehen, dass die Leistung immer gleich verfügbar ist.
          Wenn ich mir den Jahresgang der Monate von Solar und Wind in deiner Quelle anschaue(Folie 16), sieht es relativ gleichmäßig aus. Natürlich gibt es durch ungünstige Wetterlagen immer wieder mehrere Tage oder Wochen, wo viel zu wenig produziert wird. Das sieht man auf deinen Folien auch immer wieder, wenn Tagesleistungen über Monate oder Jahre gezeigt werden.
          Dafür müsste man natürlich Speicher anlegen. Da kann ich nicht mit Zahlen dienen. Welche Kapazitäten man wie oft, in welcher Art und wie verteilt braucht, zu erforschen, ist sicher eine Doktorarbeit für sich. Eine andere Möglichkeit sind natürlich fossile Kraftwerke als Notlösung für schlechte Wetterlagen bereit zuhalten. Oder solche Projekte wie DESERTEC zu realisieren (liegt ja glaub ich derzeit auf Eis) und damit EE-Strom aus Südeuropa/Afrika/Norwegen etc. zu importieren.

          Zum Thema LKW-Kilometer hab ich mich gerade noch etwas schlau gemacht:
          2008 wurden 341 Mrd. Kilometer von 4,2 Mio Lkws gefahren.
          Der E-Force-One (Schweizer Elektro-LKW mit 18 Tonnen) verbraucht ca. 0,9 Kwh pro Kilometer. Macht also bei 100% E-Mobilität 307 Mrd. Kwh Stromverbrauch pro Jahr. Somit deutlich mehr als der PKW-Verkehr, der wie oben von mir ausgerechnet, bei 134 Mrd. Kwh liegt.

          LKW und PKW zusammen also stolze 441 Mrd. Kwh.
          Zur Erinnerung: Der gesamte Stromverbrauch Deutschlands lag 2011 bei 603 Mrd. Kwh – davon kamen 120 Mrd. Kwh aus erneuerbaren Energien (20 %).
          Also bräuchte man nahezu eine Vervierfachung der erneuerbaren Energien (Wetterlagen-/Jahreszeiteneffekt nicht mit eingerechnet). Dazu kommen noch deine angesprochenen Leistungsverluste auf dem Weg in die Batterie, zu denen ich nichts sagen kann.

          Das ist schon eine Riesenaufgabe, die kaum machbar erscheint. Wenn man sich allein vorstellt, dass zu jedem einzelnen Windrad, jeder einzelnen Solaranlage usw. noch drei Stück dazu kommen sollen und das nur für PKW-/LKW-Mobilität. Der Straßen-ÖV fehlt da noch komplett (auch wenn ich denke, dass der im Vergleich zum LKW-Verkehr nicht stark ins Gewicht fällt).
          Wenn man dazu noch die restliche Stromproduktion auf EE umstellen will, sind wir schon bei einer VERACHTFACHUNG des EE-Bestandes. Also noch sieben Windräder/Solaranlagen usw. zu jedem einzelnen bestehenden dazu. Ich glaub, ich muss gar nicht mehr weiterschreiben, wie unsere Landschaft dann aussehen würde und was das für Ressourcen verschlingen würde.

          Da bleibt am Ende wirklich nur eine Reduzierung/Schrumpfung. Eben Postwachstumsökonomie.

  4. B.R.Ahlers sagt:

    @Hansi

    Wie kann man glauben, das, solange die Stromerzeugung nicht zu 100% aus erneuerbaren Quellen stammt, die E-Mobilität „Umweltfreundlich“ ist. Alle E-Geräte sind, wenn der gleiche Maßstab angesetzt wird, CO2-Neutral. Glauben sie denn wirklich, dass die Eisbären einen Unterschied machen, ob ihr Eis durch Autos, oder Kühlschränke zum schmelzen kommt?

    • EcoDrive sagt:

      @Ert

      Zur el. Servolenkung. Das Gegenteil ist der Fall. Je nach Konstruktion wird im Verbrennerauto der Servodruck dauernd auf dem max Wert aufgebaut, auch wenn dieser gar nicht benötigt wird. Nicht so beim Elektroauto und bei neuen Modellen der Premiumhersteller. Pumpelelektrisch wird ein hydraulischer Druck in einem Speicher aufgebaut aus dem die Servolenkung gespiesen wird. Erst wenn der Druck auf ein definiertes Minimum gefallen ist, wird die Pumpe wieder gestartet. Das reduziert den Verbrauch, beim E-Auto (Strom) wie auch beim Verbrenner (Benzin).

      Der Ampera hat sehr viel weniger Schnickschnack drin als ein Verbrenner der gleichen Fahrzeugklasse. Das ganze Konzept ist auf Sicherheit und Effizienz ausgelegt, bei sehr offenem Blick auf die Kosten.
      Es gibt zur Zeit keinen anderes E-REV und eigentlich auch kein E-Mobil, das mit dem genialen Konzept des Volteantriebs so hohe Effizienz und gleichzeitig die volle heutige Alltagstauglichkeit erreichen kann und bezahlbar ist.
      Wegen des Akku (198kg) wurde an vielen Stellen Gewicht gespart. Nur, spielt das Gewicht beim Verbrauch nicht die Hauptrolle. Deshalb hat der BMW i3 (Version mit RangeExtender) (345kg leichter durch Carbon) einen nur um 0,4kWh/100km niedrigeren Normverbrauch, als der Ampera. Weit wichtiger ist der Rollwiderstand und der Luftwiderstand. Da haben die Entwickler des Ampera einen guten Job gemacht.
      Frank Weber, jetzt bei BMW bei der Entwicklung des i3, hat davor bei Opel zusammen mit GM den Ampera mitentwickelt.

      Im Ampera arbeiten fast 100 (Hundert) Microprozessoren, die mit über 10 Millionen Programmierzeilen zum Leben erweckt werden. Das sind mehr Programmierzeilen als in einer Boeing 787 oder in einem modernen Kampfjet zu finden sind.
      Auf’s stromsparen wurde bei der Entwicklung sehr viel Wert gelegt. Der Sicherheit wegen müssen trotzdem redunante Systeme vorhanden sein. Der E-Motor hat einen Wirkungsgrad von 95% (haben wir gemessen).
      Die Akkukonditionierung ist auf maximierte Lebensdauer (mind. 240’000km) bei gleichzeitig optimiertem Energieeinsatz ausgelegt.
      Die Rekuperationsleistung ist Weltrekord in einem Serienfahrzeug. 80% der kinetischen Energie werden beim Bremsen in den Akku zurückgespiesen. Die maximale Rekuperationsleistung ist mit bis zu 66KW sogar etwas höher als die des Tesla ‘S’.

      Ich bin mir schon darüber im Klaren, dass die Herstellung dieses Autos weit mehr Ressourcen verbraucht, als ein konventioneller Verbrenner. Mit diesem Konzept wird ein Teil des Ressourcenverbrauchs vom Fahrbetrieb in die Produktion verlagert.

      Auch ich bin früher der Automobilindustrie auf dem Leim gekrochen, habe einen SUV gefahren..
      Im Vergleich dazu habe ich in nur einem Betriebsjahr mit dem Ampera 2100 Liter weniger Benzin verbrannt. In 10 Jahren… Im Augenblick beträgt bei meinem Fahrprofil der Benzinverbrauch weniger als 60L/Jahr.

      Das muss meiner Meinung nach das Ziel sein, die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Energie benutzten, die wir hier in Europa herstellen können. Das muss heute beginnen und nicht erst 2035.

      Wenn ich mit den Zahlen von Hansi etwas weiter rechne, komme ich auf 700’000 bpd allein für den PKW-Verkehr. Stimmt das? Was kostet das? Wieviel Kapital steht dann zur Verfügung (für EE), wenn wir auf Elektomobilität umstellen?

      Rechnet man mit 0,17kWh/km für meinen Ampera, oder noch weniger für künftige E-Autos, sieht die Rechnung nochmals ganz anders aus.

      Nochmal anders sieht die Stromrechnung aus, wenn wirklich Einsparungen gemacht werden. Damit wurde ja noch nicht mal angefangen.

      Wie ich schon gesagt habe, in der Schweiz ist der Stromverbrauch gesunken.

      Sorry, das war jetzt viel off Topic, für mehr Informationen zum Ampera empfehle ich das Ampera Fachforum.

    • Hansi sagt:

      @ B.R. Ahlers

      Ich habe nirgends behauptet, dass eine EE-Mobilität bei dem aktuellen Strommix umweltfreundlich wäre. Natürlich ist sie das nicht! Wenn man vorher Kohle im Kraftwerk verbrennt, um den Strom dann in die Autos zu leiten, löst man gar keine Probleme und die Eisbären leiden weiter.

      Ich wollte nur die aktuelle Gesamtstromproduktion mit dem potentiellen Verbrauch für EE-Mobilität vergleichen. Wo Sie da jetzt herauslesen, dass ich den aktuellen Strommix für umweltfreundlich halte, ist mir schleierhaft.

Diesen Eintrag kommentieren: Norbert Rost

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