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Saudi-Aramco-Chef fordert Ölbranche zu Investitionen auf

40 Milliarden US$ investiert der saudische Ölkonzern Saudi Aramco jährlich in den kommenden 10 Jahren, um die Förderkapazitäten des wichtigsten "Swing-Producers" der Welt aufrecht zu erhalten. Diese Zahl nannte der CEO Khalid Al-Falih auf der Offshore Northern Seas-Konferenz (ONS), die seit Montag bis Donnerstag im norwegischen Stavanger stattfindet. Saudi Aramco ist Hauptsponsor der Tagung. Bei aktuellen Ölpreisen entspricht die Investitionssumme den Erlösen aus dem Verkauf von 1 Million Barrel Öl pro Tag. Zum Vergleich: Die EIA gibt den Rohöl-Export Saudi Arabiens für 2010 mit 7 Millionen Barrel und den Export von Raffinerie-Produkten mit 1,5 Millionen Barrel pro Tag an. Ein Siebtel seines Rohölexports will die Firma also über die kommenden 10 Jahre in die Aufrechterhaltung der Ölförderung investieren. (mehr …)

Die Fallhöhe und das Netz

Mit Vollgas in die Mauer

Im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Peak Oil wurde schon mehrfach darüber spekuliert welche Folgen eine erzwungene, krisenhafte Kontraktion der Wirtschaft haben könnte. Bekanntlich erfordert unser Wirtschaftssystem ununterbrochenes Wachstum; schon bei zu kleinen Wachstumsraten kommt es in Schwierigkeiten, Stagnation bedeutet massive Krise, ein Schrumpfungsprozess gilt als existentielle Bedrohung des ganzen Systems. So gut wie alle Menschen, die bislang versucht haben, sich ein realistisches Bild davon zu machen, welche Entwicklungen in der Energieversorgung möglich und wahrscheinlich sind, sind zum Schluss gekommen, dass ein Schrumpfungsprozess der zur Verfügung stehenden Energie unvermeidlich ist und unsere Gesellschaft daher gut beraten wäre, ihren Energiekonsum freiwillig und geplant zu verringern, da jede Strategie des «business as usual» unweigerlich in eine umfassende Krise und in einen ungeplanten, chaotischen und krisenhaften Schrumpfungsprozess münden dürfte. Gleichzeitig kann niemand, der die politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte aufmerksam verfolgt hat, es für realistisch halten, dass es in absehbarer Zeit (oder überhaupt jemals) möglich sein könnte, eine freiwillige und gezielte Reduktion des Energiekonsums politisch durchzusetzen. Eine solche Politik würde eine radikale Abkehr vom Prinzip des ewigen Wirtschaftswachstums voraussetzen und benötigte schon im Vorfeld den Entwurf eines neuen Wirtschaftssystems; das würde dem Entwurf eines neuen Zivilastionsmodells gleichkommen. Ein solches ist aber bislang allenfalls skizzenhaft vorhanden und wird bestenfalls nur von einer winzigen Minderheit der Bevölkerung gewünscht, oder besser, erträumt.

Es wird also weiterhin mit grösster Wahrscheinlichkeit am bisherigen System festgehalten werden solange es irgend möglich ist.

Damit ist das wahrscheinlichste Zukunftsszenario jenes einer ungebremsten Fahrt in die unüberwindlichen physikalischen, insbesondere die geologischen Grenzen der Grundlagen des Systems bis zum ungeplanten, erzwungenen und krisenhaften, und vor allem langfristigen Schrumpfungsprozess. Wir haben Interesse uns die Frage zu stellen, wie sich ein solcher krisenhafter Schrumpfungsprozess abspielen könnte, welche Risken er mit sich bringen und welche Möglichkeiten es gibt, seine negativen Folgen zumindest mildern zu können.

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Peak Hoyerswerda: Kohle und Leben in der Lausitz

Für Telepolis habe ich mir die Bevölkerungsentwicklung im Braunkohlerevier der Lausitz angeschaut. Für Leser des Peak-Oil.com-Blogs ist dieser Artikel aus mehreren Gründen interessant. Zum einen sind diverse Glockenkurven zu sehen, die Peak-Oil-Interessierten bekannt vorkommen. Nur, dass diese Glockenkurven nicht die Förderung von Öl beschreiben, sondern die Einwohnerentwicklung zweier Städte: Hoyerswerda und Weisswasser.

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Diese beiden Städte waren die zentralen Wohnorte für die Kraftwerker und Bergleute und ihr Aufstieg und Fall dürfte ohne Beispiel in Europa sein. Zum anderen ist Braunkohle genau wie Erdöl ein zentraler Energierohstoff unserer Zeit, auch wenn die Bedeutung der Kohle bereits geschrumpft ist, während jene von Öl an ihrem Höhepunkt angekommen ist. Bedenklich sind mögliche Zusammenhänge zwischen Kohle und Einwohnerzahlen, die sich möglicherweise auch zwischen Öl und Einwohnerzahlen finden lassen. Als drittes habe ich eine Diskussion aus der Peak-Oil-Community auf die Kohle übertragen: Die Frage nach dem Energy Return on Energy Invested (ERoEI) und dem best-first-Prinzip. Ich würde mich freuen, wenn dieser Artikel auf Interesse stößt!

Ich bin in der Lausitz geboren und gehöre zu denen, die von dort weggezogen sind. Die Schule, in die ich in Weisswasser ging, steht nicht mehr. Sie wurde "zurückgebaut", wie so viele Gebäude der Stadt. Wann auch immer ich dorthin zurückkehre, werde ich nichts mehr finden, was an meine Schulzeit erinnert. Wo früher diese Schule stand, holt sich heut der Wald seinen Raum. Es ist diese Entwurzelung, die andere Lausitzer noch viel drastischer trifft: Jene, die nicht nur ihre Schule, sondern ihr Haus verloren haben oder verlieren sollen. Bei denen dort, wo teils jahrundertealte Familienwurzeln wuchsen, ein Loch bleibt.

Ich erinnere mich gut an das Quietschen der eisernen Bagger in der Nacht, welches für mich (warum auch immer) nach dem Schreien von Löwenbabys klang. Kurz vor dem Heimatdorf meiner Mutter stoppten die Bagger letztlich, zogen sich später zurück und machten Platz für den größen See Sachsens. Die Kulisse von heute könnte widersprüchlicher nicht sein: Vom idyllischen Sandstrand des Bärwalder Sees aus sieht man auf der anderen Seeseite das Kraftwerk Boxberg, welches dieses und andere Löcher buchstäblich in die Erde gefressen hat. Man kann die Maschinerie erahnen, die aus Kraftwerk und Förderbändern bestand, die wie fleißige Hände die Kohle in den Verdauungstrakt transportierten, aus der Erde gekratzt durch saurierhafte Kohlebagger.

Was mich umtreibt, wenn ich an die Lausitz denke ist, ob die Planer der realsozialistischen Kohleförderung (und ihre Nachfolger) vor Augen hatten, was am Ende dieses Prozesses stehen würde. Dass die wachsenden Städte in rasantem Tempo wieder in sich zusammenfallen würden, dass Löcher bleiben würden, so unfassbar groß, dass kein Mensch mit Spaten in den Händen je auf die Idee käme, sie könnten menschengemacht sein. Dass die umgegrabene Erdkruste zu einem Phänomen namens "Braune Spree" führen würden, das zustande kommt weil feinste Eisenpartikel im Boden mit dem Luftsauerstoff zu Rost reagieren und durch das wiederkommende Grundwasser ausgespült und die Spree entlang Richtung Berlin transportiert werden. Durchaus 100 Jahre und mehr wird uns allein dieses Ergebnis der Braunkohleförderung beschäftigten, bestätigte mir ein befreundeter Wasserwirtschaftler. Wieviel Exergie werden wir wohl in den kommenden 100 Jahren aufwenden, um das Braune-Spree-Problem einzudämmen? Wird das Verhältnis zwischen eingesetzter Energie und geförderter Braunkohle in einigen Jahrhunderten noch positiv sein?

Wenn aber die Planer von damals nicht in der Lage waren, die Auswirkungen ihres Handelns 100 Jahre später zu beurteilen - droht uns auch bei anderen Energieträgern eine vergleichbare Entwicklung?

 

Resiliente Infrastrukturen und Städte: Kritikalität und Interdependenzen

Der folgende Artikel stammt vom Dresdner Verkehrswirtschaftler Martin Randelhoff. Er steht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0 de und wurde erstmals im Dezember 2013 auf zukunft-mobilitaet.net veröffentlicht.


Viele Maßnahmen im Bereich der Verkehrsplanung werden häufig vor dem Hintergrund einer höheren Verkehrssicherheit und Internalisierung externer Effekte (Verringerung von Lärm, Luftschadstoffen, etc.) durchgeführt. Einige bestimmte Maßnahmen gehen jedoch darüber hinaus und sichern wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Strukturen und somit unseren Wohlstand.

Was ist Resilienz?

Der Begriff „Resilienz“ (resilience (engl.) = Spannkraft, Elastizität, Widerstandsfähigkeit; resilire (lat.) =  zurückspringen, abprallen) stammt aus der Psychologie und wurde in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals verwendet. Zu diesem Zeitpunkt bezeichnete Resilienz eine spezielle Eigenschaft von Personen (besonders Kindern), die in ihrer Kindheit Erlebnisse erleiden mussten, unter denen die meisten Menschen zerbrochen wären (z.B. Armut, Flüchtlingssituation, Krieg, alkoholsüchtige oder psychisch erkrankte Eltern), aber dennoch im Erwachsenenalter psychisch unauffällig sind, einen Beruf ausüben und nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen.

Mittlerweile wurde Resilienz als Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, auch auf Erwachsene erweitert. Resiliente Personen können mit stressigen Situationen besser umgehen, sei es Arbeitsstress oder emotionaler Stress nach einem Trauma, wie etwa Vergewaltigung, dem plötzlichen Verlust nahestehender Angehöriger oder Kriegserlebnissen.

Portierung in den Infrastrukturbereich

Unsere Infrastruktur und das Gesamtverkehrssystem sind zu jeder Zeit Störungen kleinen und großen Ausmaßes ausgesetzt wie zum Beispiel Weichenstörungen oder Unfälle unterschiedlichen Ausmaßes. Insbesondere Wetterextreme wie Sturm, Starkregen, starker Schneefall und große Hitze setzen der Straßen- und Schieneninfrastruktur sowie Luft- und Schifffahrt zu. Der Großteil aller Störungen kann mit einigen Ausnahmen über einen kurzen Zeithorizont behoben werden. Entsprechende klimatische, wirtschaftliche, geopolitische und weitere Entwicklungen machen es jedoch notwendig, auch unser Verkehrsnetz und die Organisation desselben robust und widerstandsfähig gegenüber externen Schockereignissen zu machen. (mehr …)

Algen als Kerosin-Ersatz: Zum Stand der Forschung

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat den Zeitungen einen Artikel von Elke Silberer angeboten. Überschrift: "Algen sind das Kerosin der Zukunft". Zur Erinnerung: Kerosin ist der erdölbasierte Treibstoff für Flugzeuge. Er wird in Deutschland im Gegensatz zu Benzin (65,45 Cent pro Liter) und Diesel (47,04 Cent pro Liter) nicht besteuert. Bereits heute ist Kerosin und damit die gesamte Luftfahrtbranche also hochsubventioniert. Preisschwankungen am Rohölmarkt schlagen mangels puffernden Steuern auch regelmäßig auf die Wirtschaftlichkeit der Fluglinien durch.

Die dpa-Journalistin hat ein Forschungszentrum in Jülich besucht, wo aus tausenden Algenarten die wirtschaftlichste gesucht wird: Sie soll möglichst schnell wachsen und möglichst hohe Fett-/Öl-Anteile beinhalten. Die Hoffnung der Forscher: Da Algen im gleichen Zeitraum sieben- bis zehnmal mehr Biomasse heranwachsen lassen als Landpflanzen, erhofft man sich hohe Erträge. Allerdings ist der Stand der Forschung der, dass der aus Algen hergestellte Treibstoff fünf- bis zehnmal so teuer sei wie der heute aus Öl hergestellte. Dabei bleibt der dpa-Artikel ungenau: Er sagt nicht, ob diese Zahl sich auf den Ölpreis bezieht, auf den Herstellungspreis von Kerosin oder auf den durch spürbare Steuersätze teureren Endverkaufspreis von Benzin oder Diesel. So oder so sagt ein fünf- bis zehnfacher Preis aber, dass dieser Weg keiner ist, der von heute auf morgen mal eben Erdöl-Kerosin aus dem Flugverkehr verdrängen kann. Ein fünf- bis zehnmal so hoher Treibstoffpreis für Fluglinien würde nicht nur die Ticketpreise massiv erhöhen, sondern auch so manchen Flug und weitere Flughäfen unwirtschaftlich machen. Mit dem Regionalflughafen Zweibrücken bei Saarbrücken geht dieser Tage grade der nächste Kleinflughafen in die Abwicklung, mit dem Berliner Giga-Projekt BER wird derzeit ja möglicherweise ein gigantisches Infrastrukturgrab ausgehoben. Eine Verfünffachung der Treibstoffkosten würde die Kapazitäten des BER als völlig überdimensioniert dastehen lassen.

Doch nicht nur die Kostenfrage ist in dem dpa-Artikel im Nebensatz versteckt. Auch die Mengenproblematik: Das Jülicher Forschungsprojekt erprobt die Algen-Zucht auf 1500 Quadratmetern und ist damit offenbar das größte europäische Projekt dieser Art. Ein Flugzeug könnte mit der auf dieser Fläche geernteten Jahresmenge grade mal 6 Minuten lang fliegen, sagt der dpa-Artikel. Zum Vergleich: Greenpeace kalkulierte 1997 für einen Flug Frankfurt-New York 78.000 Kilogramm benötigten Treibstoff. Der Flug dauert heute etwa 8 Stunden und 20 Minuten, insgesamt also 500 Minuten, also das 83fache der Jülicher Jahresernte. Demnach müßte man 12,5 Hektar (125.000 qm) ein Jahr lang mit Algenanbau belegen, um einen Flug Frankfurt-New York zu ermöglichen. Und dies eben nicht in einer Freiland-Variante, sondern in laborähnlich aufwändiger Umgebung. Der schlechte Wirkungsgrad der Verbrennungstechnologie läßt grüßen.

Obwohl der Artikel letztlich Vergleiche wie den 6-Minuten-Flugzeit-pro-Jahresernte bringt, wird dem Leser durch die Überschrift suggeriert, Algen würden jenes Kerosin herstellen, mit denen er seinen Urlaubsflug in der Zukunft antreten wird. Dabei sind die zu erwartenden Mengen bei den zu erwartenden Kosten ein krasser Unterschied zur heutigen Situation. Warum man diese aufwändige Forschung trotzdem macht und warum die Bundesbehörden 5,7 Millionen Euro Fördermittel in solch ein Projekt stecken, erklärt der Artikel ebenfalls nicht. Sollten sie es tun, um damit "alternative Kraftstoffe mit besserer CO2-Bilanz in Verkehr zu bringen" (Zitat dpa), so ist das verdammt viel Geld für eine naive Schnapsidee. Ehrlich wäre der Artikel dann, wenn er klarstellt: Wir wissen nicht, womit wir in 20 Jahren unsere Flugzeuge betanken sollen. Und wenn uns da nicht bald was Bahnbrechendes einfällt, wird der extrem energieaufwändige Flugverkehr wohl zu großen Teilen zum Erliegen kommen. Was es bedeutet, wenn Gesellschaften sich auf die ständige Verfügbarkeit internationaler Flugverbindungen verlassen, erleben derzeit die Israelis hautnah. Ulrike Putz schreibt für SPIEGEL ONLINE von einem immensen wirtschaftlichen Schaden, der durch die gekappten Flüge nach Tel Aviv zu erwarten sei.

Nachtrag:

US-Sanktionen gegen Russland gefährden Europas Energieversorgung

Man sagt, im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Im aktuellen Konflikt um die Ukraine hat die US-Regierung die Zügel angezogen und härtere Sanktionen gegen russische Firmen verhängt. Die Sanktionen verbieten es US-Bürgern laut der Spezifikation des Office of Foreign Assets Control (OFAC), Kredite zu vergeben oder in der Kreditvergabe behilflich zu sein, die länger als 90 Tage laufen. Übersetzt heißt das: US-Bürgern ist es verboten, den sanktionierten Firmen längerfristige Finanzierungen zu ermöglichen. Was erstmal unspektakulär klingt bekommt angesichts der Relevanz des US-Dollars im internationalen Geschäftsleben natürlich Brisanz, denn de facto beschneidet die Sanktion die strategische Weiterentwicklung der betroffenen Firmen.

Unter anderem ist Rosneft auf die Sanktionsliste gerückt, aber auch die Gazprom-eigene Bank und der Hersteller der Kalaschnikows.

Der SPIEGEL zitiert US-Präsident Barack Obama, der die Sanktionen mit dem Hinweis verteidigte, sie seien so gewählt, dass sie möglichst wenig Schaden gegen us-amerikanische und europäische Unternehmen anrichten. Als Beispiel benennt der SPIEGEL, dass die Firma Gazprom von den "Sanktionen ausgenommen" wurde und suggiert mit einem Halbsatz, dass dies geschehen sei, weil Europa seinen Gasbedarf von Gazprom deckt.

Diese Interpretation der SPIEGEL-Redaktion muss heftigst hinterfragt werden. Einerseits ist zu vermuten, dass Gazprom eine Menge Geschäfte über seine eigene Gazprombank abwickelt und Finanz-Sanktionen gegenüber dieser Bank auch den Energiekonzern selbst treffen. Andererseits ist die seit Monaten anhaltende Eigenseitigkeit in der Gas-Betrachtung seltsam. Den Journalisten muss entgangen sein, dass Russland nicht nur ein Drittel der Gasversorgung Europas stellt, sondern auch ein Drittel der Ölversorgung.

Das wiederum wirft die Frage auf: Für welche Mengen an Ölexporten aus Russland ist eigentlich welches Unternehmen zuständig? Untenstehendes Diagramm basiert auf Zahlen aus dem Jahresbericht von Gazprom Neft und zeigt, dass 2013 der größte russische Ölexporteur Rosneft war mit fast der Hälfte des russischen Ölexports. Das bedeutet, dass das größte Ölexportunternehmen des zweitgrößten Ölförderlandes der Welt nun auf der Sanktionsliste des größten Ölverbraucherlands der Welt sitzt:

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Und Europa? Sitzt dazwischen. Und SPIEGEL ONLINE suggeriert seinen Lesern, die US-Sanktionen seien kein Problem, weil der größte russische Gasförderer ja nicht sanktioniert würde. Dabei ist der Anteil Rosnefts am Ölexport in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. 2010 lag Rosnefts Anteil bei "nur" 39%.

Was zwischenzeitlich als Konflikt zwischen der EU und Russland um den Einfluss in der Ukraine erschien, entwickelt sich zunehmend zu einer konfrontativen Situation mit Katastrophenpotential. Vor dem Hintergrund bekommen weitere Handelsabkommen zwischen der EU und den USA einen schrägen Beigeschmack. Inwieweit schränken von den USA verhängte Sanktionen die europäischen Handlungsmöglichkeiten ein? Denn obwohl es politische Gründe geben mag, den Anschluss der Schwarzmeer-Halbinsel Krim an Russland zu kritisieren, so scheinen die nun angesetzten Sanktionen eindeutig gegen die europäischen Interessen einer stabilen Versorgung mit Öl und Gas aus Russland zu sprechen. Aus europäischer Sicht sind diese Sanktionen fragwürdig und könnten dazu führen, dass die durch die Spionageaffäre aufgerissene Kluft zwischen Europa und den USA noch stärker wächst.

Russisches Finanzministerium erwartet zurückgehenden Ölexport ab 2016

Die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS meldet, dass das russische Finanzministerium in den Budgetplanungen für die Haushaltsperiode 2015-2017 einen Rückgang der Einnahmen aus dem Ölexport um 4,5 Milliarden US$ für das Jahr 2016 erwartet. In 2015 liegen die Planungen unter den ursprünglichen Erwartungen, aber immerhin noch wachsend gegenüber 2014. Als Ursache wird ein Rückgang der Ölförderung benannt.

Damit bestätigen die russischen Behörden die Befürchtungen, dass der weltdrittgrößte Ölförderer (nach Saudi Arabien und den USA) und weltzweitgrößte Ölexporteur (nach Saudi Arabien) seinen Peak Oil erreicht haben dürfte. Solche Befürchtungen ließen sich einerseits aus der Dynamik der historischen Ölförderkurven ablesen, andererseits zuletzt durch einen Bericht des russischen Ölkonzerns LUKOIL, der auf diesem Blog im Mai besprochen wurde. Lukoil setzte den Beginn des Falls der russischen Ölförderung auf 2016-2017 fest. Das russische Finanzministerium geht in seinen Planungen offenbar davon aus, dass 2016 der Rückgang beginnt und die daraus resultierenden Erlöse ebenfalls sinken.

Risiken für die russische Wirtschaft

Dieser Vorausblick wirft Sorgen sowohl für das Exportland Russland auf wie auch für die Importeure des russischen Öls. Die Importeure müssen sich auf schrumpfende Liefermengen aus Russland einstellen, während der russische Staat und die beteiligten Firmen sich auf sinkende Erlöse einstellen müssen. 2013 sollen die russischen Energieexporte für 10% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verantwortlich gewesen sein, wobei diese Zahl wenig darüber aussagt, ob bei einem Schrumpfen der Exporterlöse die russische Wirtschaftsleistung proportional schrumpft. Seiteneffekte und Rückkopplungen könnten das BIP überproportional stärker schrumpfen lassen, als der Erlösrückgang vermuten läßt, da jeder eingenommene Dollar in Russland mehr als einen Dollar Sozialprodukt auslöst. Auch der russische Staatshaushalt wäre von einem Rückgang der Erlöse stark betroffen und mit ihm alle Bereiche, die in Russland von Staats wegen finanziert werden.

Risiken für Russlands Kunden

Die deutschen Haushalte und Unternehmen, die fast 34% ihres Ölbedarfs aus Russland beziehen, müssen sich auf steigende Ölpreise einrichten. Zumal Russland sich beim Ölexport zunehmend Richtung Asien orientiert und die aufsteigenden asiatischen Volkswirtschaften Teil des Bieterwettbewerbs sein werden. Das besondere Risiko für Ölimportländer ergibt sich zudem aus dem sogenannten "Export Land Model". Denn wenn ein Öl-Exportland seinen Peak Oil überschreitet stellt sich für das Land die Frage, ob zuerst der Inlandsverbrauch gedrosselt werden sollte oder zuerst der Ölexport. Nur wenn sowohl beim Export wie auch beim Inlandsverbrauch in gleichem Maße gekürzt wird, schrumpfen die Exportmengen genauso schnell/langsam, wie die Ölförderung zurückgeht. Da innenpolitische Aspekte bei der Energieversorgung eine sehr bedeutsame Rolle spielen, ist die Wahrscheinlichkeit jedoch groß, dass zuerst die Ölexporte geschrumpft werden, um die Binnenversorgung mit Öl weiter zu gewährleisten. Das bedeutet für Ölimportländer wie Deutschland, dass die Mengen des auf dem Weltmarkt gehandelten russischen Öls schneller schrumpfen, als die Förderung im Land selbst. Den Unternehmen und Kommunen in diesen Ländern ist zu empfehlen, sich auf diese sich verändernde Entwicklung einzustellen!

Hohe Decline-Raten in bestehenden Ölfeldern

Außerordentlich sind die sich zeigenden Raten, mit denen die bereits schrumpfenden Ölfelder Russlands ihre Ergiebigkeit verlieren. Lukoil zufolge verlieren jene Felder, die ihren Peak überschritten haben, 10 bis 12% der Fördermenge pro Jahr. Auch wenn es noch einige Jahre über 2016 hinaus dauern  dürfte, bis der Förderabfall diese Dynamik erreicht, sind die Daten dennoch bedrohlich: Schrumpfen die Fördermengen des drittgrößten Ölförderers in dieser Schnelle, dürfte sich der Ölmarkt rasant verändern - genau wie der Ölpreis.

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USA: Infrastrukturkrise durch hohe Ölpreise

Das letzte Mal wurde die Mineralölsteuer in den USA 1993 angepasst. Seit über 20 Jahren zahlen Autofahrer in den USA auf jede Gallone (ca. 4 Liter) 18,4 Cent Mineralölsteuer (< 5 Cent pro Liter!). Diese Steuer fließt überwiegend dem Highway Trust Fund zu, der daraus die Erneuerung der Straßen, Brücken und Highways finanziert. Diesem Fond geht jedoch das Geld aus - schon im August könnte die Finanzierung der Straßeninfrastruktur in den USA zum Stillstand kommen.

Hintergrund der Finanzierungskrise ist nicht nur die seit 20 Jahren unangepasste Mineralölsteuer, sondern auch der seit 2002 gestiegene Ölpreis. So wie die Benzinpreise stiegen, sank der Spritverbrauch in den USA: Es wurde weniger gefahren und es wurden sparsamere Fahrzeuge gekauft. Statt fast 50 Milliarden US$ Einnahmen für die US-Bundesbehörden vor der Ölpreisexplosion standen den Bundesbehörden zuletzt nur etwas mehr als 30 Milliarden US$ aus der Mineralölsteuer zu. Natürlich schrumpfte die Länge des US-Straßennetzes nicht in gleichem Maße, weshalb einem gleichbleibendem (bzw. sogar inflationär wachsenden) Aufwand schrumpfende Steuereinnahmen gegenüberstehen.

Nun wird diskutiert, wie sich die Einnahmesituation verbessern ließe und mit großer Wahrscheinlichkeit kommen zusätzliche Steuern auf die US-Autofahrer zu. Es ist zu erwarten, dass die dadurch steigenden PKW-Kosten zu sinkender PKW-Nutzung führen werden und damit tendenziell die Situation wiederholt wird: Dem großen Aufwand der regelmäßigen Ertüchtigung des Straßennetzes stehen tendenziell sinkende Einnahmen aus der Mineralölsteuer gegenüber, was letztlich zu der Erkenntnis führen sollte: Das Straßennetz der USA ist überdimensioniert.

Maut in Deutschland

Zwar haben die US-Mineralölsteuern noch viiiiel Spielraum, bis sie deutsches Niveau erreichen (Benzin: 65 Cent pro Liter, Diesel: 47 Cent pro Liter, Kerosin: 0 Cent), doch zeigt sich an der derzeit laufenden Maut-Debatte auch in Deutschland, dass die Finanzierung der gewachsenen Straßeninfrastruktur keineswegs gesichert ist. 625 Millionen Euro soll Dobrindts Ausländer-Maut in die Kassen spülen, während der Lobbyverband Pro Mobilität e.V. eine Finanzierungslücke von 6,5 Milliarden Euro jährlich sieht.

Unter Peak-Oil-Gesichtspunkten ist es fraglich, ob die heutige Straßeninfrastruktur auch in der Zukunft in diesem Umfang benötigt wird und vor allem: Ob sie tragbar ist. Immerhin braucht es zum Straßenbau nicht nur Geld, sondern auch Bitumen und große Mengen Treibstoffe für Baumaschinen und Materialtransporte. Das gilt für Deutschland genauso wie für die USA und die meisten anderen industrialisierten Länder der Welt. Florian Rötzer bezeichnet die Mautpläne denn auch als Fehlgeburt, weil sie bürokratisch ist und jegliche Lenkungswirkung vermissen läßt.

Als warnendes Beispiel für Infrastrukturrisiken läßt sich die aktuelle Situation im thüringischen Gera benennen. Dort meldeten in der vergangenen Woche die Stadtwerke Insolvenz an und in der Folge sind nun auch die Verkehrsbetriebe zahlungsunfähig. Auch in der Stadtverwaltung selbst gilt eine Haushaltssperre. Finanzielle Verbindungen zwischen Stadtwerken und Verkehrsbetrieben gibt es in vielen deutschen Städten, wobei meist die Energieversorger den ÖPNV querfinanzieren. Es bleibt zu hoffen, dass Gera ein tragischer Einzelfall bleibt und nicht ein erster von vielen Fällen wird, bei denen die städtische Daseinsvorsorge infrage steht. Das Risiko einer schleichenden Erosion der gewachsenen Infrastrukturen läßt sich aus Peak-Oil-Gesichtspunkten durchaus ableiten. Die Maut-Diskussion schließt leider bislang keine Diskussion über eine zukunftsfähige Mobilitätsinfrastruktur in Deutschland ein, sondern ist auf den Erhalt des üppig dimensionierten Straßennetzes ausgerichtet.

x-ter Versuch: Subventionsabbau in Ägypten

Dass die Verteuerung von Mobilität revolutionären Sprengstoff beinhaltet, wissen manche arabische Länder genau. Ägypten versucht dieser Tage mal wieder, den Staatshaushalt von Subventionen zu entlasten. Die Streichung von 20 Milliarden US$ Mineralölsubventionen führten in Ägypten am Freitag zu einem Anstieg der Spritpreise um 78%. Schon zur Revolution 2011, bei der Hosni Mubarak die Macht in Ägypten verlor, spielten die gestiegenen Energiepreise eine Rolle. Auch die jetzige Entscheidung dürfte einige Ägypter hart treffen aber erneut die Frage aufwerfen, wie stark sich einzelne Gesellschaften von Öl als Treibstoff abhängig gemacht haben und wie man aus dieser Verstrickung konstruktiv rauskommt. Iran, Saudi Arabien, Indonesien, Indien, Venezuela und China werden das Experiment mit großer Aufmerksamkeit verfolgen: Denn in diesen Ländern sind die staatlichen Subventionen der PKW-Mobilität noch größer als in Ägypten.

(Dank an Frank)

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