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Unverbrennbare Kohlenstoffvorräte

Nur naive Geister können annehmen, dass die Umwandlung von fossilen Energieträgern in Kohlendioxid absolut keine Reaktionen im planetaren System hervorruft. Üblicherweise gilt in diesem Universum das Gesetz von Aktio=Reaktio, nach welchem jede Aktion eine (Gegen-)Reaktion hervorruft. Die Anreicherung von Kohlenstoffverbindungen in der Atmosphäre verändert deren Zusammensetzung und zieht Wirkungen nach sich - wie stark diese Wirkungen sind, darüber kann man diskutieren. Aber dass sich keinerlei Reaktionen zeigen, ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern aus einem systemischen Blickwinkel heraus: Unmöglich.

Allein dass die Menschheit über die Folgen der CO2-Anreicherung diskutiert ist Beleg für diese Aussage: Die Spezies Mensch diskutiert. Sie tut es in dieser Woche in Warschau, wo der nächste "Klimagipfel" tagt. Drastische menschliche Reaktionen sind bereits jetzt zu erleben: Der Vertreter der Philippinen, die gerade vom Taifun Haiyan betroffen sind, droht mit einem Hungerstreik, um eine Einigung der Staatengemeinschaft zu erzwingen. Kofi Annan, der von 1997 bis 2006 UNO-Generalsekretär war, fordert Umweltsteuern, um den Konsum zu drosseln - eine nicht ins Wachstumsparadigma passende Position. Seiner Meinung nach geht es ums Überleben der Spezies.

Für Telepolis habe ich eine Meldung ausgegraben, die neue Fronten in der Fossil-Diskussion aufzeigt: Eine Investorengruppe hinterfragt die Risiken, die sich aus dem Klimawandel und der weltweiten Diskussion um dessen Folgen für jene Konzerne ergeben, die stark mit fossilen Energieträgern arbeiten. Akzeptiert man, dass die Verklappung der Umwandlungsreaktion fossiler Energieträger (Kohlendioxid) begrenzt werden muss, stellt sich nämlich die Frage: Was bedeutet eine Limitierung der Kohlenstoffverbrennung für jene Unternehmen, die auf solchen Kohlenstoffreserven sitzen und diese als Aktiva in ihren Büchern haben? Der Artikel heißt

und ist hiermit zur Lektüre, Diskussion und Weiterleitung empfohlen.

Die neue Front, die hier aufgemacht wird ist eine, die nicht zwischen "Umweltschützern" und "Umweltverwertern" aufgemacht wird, sondern sie entsteht im Spannungsfeld zwischen Investoreninteressen und Management. Auch Investoren sind Menschen und daher interessiert am Überleben der Spezies. Doch kann sowohl die Diskussion um die Vermeidung von Kohlenstoffausstoß wie auch politische Entscheidungen dazu führen, dass der Wert von Kohlenstoffreserven in den Unternehmensbilanzen berichtigt werden muss - und dies führt zur Abwertung der Investorenwerte. Wie mit diesen Risiken umgegangen wird ist die spannende Frage, die eine Investorengruppe nun hinterfragt.

Für Peak-Oil-Beobachter ist diese Frage deshalb spannend, weil ein weiteres Limit in die Gleichungen eingezogen wird: Nicht nur der geologisch-technische Aspekt spielt für Peak Oil eine Rolle, sondern auch der politische Aspekt: Wenn sich die Menschheit einigt, die Kohlendioxid-Emissionen zu begrenzen, muss Kohlenstoff im Boden verbleiben. Öl-, Gas- und Kohlereserven würden demnach "unverbrennbar" (daher: unburnable carbon). Die Wirkungen auf das globale Gesellschaftssystem entsprechen jenen, die in der Peak-Oil-Diskussion bereits herausgearbeitet und thematisiert werden: Es ist egal, ob Öl nicht gefördert wird, weil diese Förderung zu teuer oder technisch nicht machbar wäre, oder ob es durch politische Entscheidungen und eine globale Genügsamkeit im Boden verbleibt. Beide Auslöser führen dazu, unseren Umgang mit den Energieträgern anzupassen.

Weiteres:

Nachtrag:

Kommentarlos, Teil 34

Das ist keine Routine. [..] Die Offiziere üben zum ersten Mal gemeinsam für den Ernstfall: eine Ölkatastrophe in der Arktis, an der Beringstraße mitten im Nirgendwo zwischen Amerika und Russland. [..] Das gemeinsame Katastrophentraining vor einigen Wochen hat einen einfachen Grund: Die Katastrophe wird wahrscheinlicher. Hoch oben im Norden, wo einst nur Forscher und Entdecker wie Vitus Bering auf todbringender Mission waren, steigt wegen der Eisschmelze der Schiffsverkehr - vor allem von Öltankern. [..] Doch es geht nicht nur um die Schifffahrt, sondern auch um Rohstoffe, um Öl, Gas, Erze, Edelmetalle und seltene Erden. Neue Förderregionen werden zugänglich, wenn das Eis schmilzt. Ölkonzerne haben bereits Bohrgenehmigungen. [..] Aber mittelfristig würden die Konzerne dort fördern, glauben Experten, zumal leichter erreichbare Rohstoffquellen versiegen. [..] Und all die Rohstoffe müssen abtransportiert werden.

Süddeutsche: Ölpest volle Kraft voraus

Update: Bundeswehr-Studie zu Peak Oil

Aus dem Zentrum für Transformation der Bundeswehr gelangte im Sommer 2010 die Studie Peak Oil - Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen an die Öffentlichkeit. Die Transformation der Bundeswehr hat inzwischen auch dieses Amt erreicht: Das Zentrum ist im neuen Planungsamt der Bundeswehr aufgegangen. Dort bemüht man sich nun um moderne Außenkommunikation. Die Publikationen des Planungsamtes werden als "Produkte" des Amts im Sinne der Bundeswehr betrachtet und man bemüht sich, die Öffentlichkeit intensiver über interne Überlegungen zu informieren.

Die Peak-Oil-Studie der Bundeswehr betrachtet das Planungsamt offenbar als einen gelungenen Baustein der bisherigen Entwicklung. Daher ist diese Studie auch die erste, die einem "Future Update" unterzogen wurde. Auch wurde eine dritte Fassung veröffentlicht, die jetzt 116 Seiten umfasst - die Fassung von Februar 2011 hatte einen Umfang von 125 Seiten. Das Inhaltsverzeichnis weist jedoch dieselben Kapitel aus. Auffällig ist, dass erstmals Autoren der Studie mit Namen, fachlichem Hintergrund und Werdegang genannt werden und das Papier damit eine menschlichere Note bekommt. (mehr …)

Ölförderplateau seit 2005 und das US-Fracking

Matt Mushalik analysiert in seinem Blog, dass 75% der Ölförderländer in 2012 nicht höhere Mengen förderten als bereits 2001. Oder anders ausgedrückt: Drei Viertel der Ölfördernationen förderten im vergangenen Jahr soviel wie 11 Jahre zuvor oder sogar weniger. Europa sticht dabei heraus, denn die Fördermengen des alten Kontinents sinken jährlich ohne Aussicht auf eine Trendumkehr. Mushalik schlußfolgert, dass Steigerungspotential also nur noch bei einem Viertel der Nationen überhaupt vorhanden ist. Ohne diese Länder mit Wachstumspotential, deren Förderzuwächse die zurückgehenden Förderraten der weltweiten Mehrheit ausgleichen müssen, würde die Ölförderung also bereits sinken.

Vergleicht man das mit einem Radrennen, bei dem es darum geht, Geschwindigkeitsrekorde eines globalen Teams von Radrennern aufzustellen, so sind bereits drei Viertel des Teams am Leistungsmaximum angekommen oder schwächeln bereits. Eine weitere Steigerung der Gesamt-Geschwindigkeit liegt also in den Beinen eines Viertel der Teammitglieder. Da einzelne Rennfahrer aber ihre Rekordgeschwindigkeit bereits hinter sich haben und diese langsam sinkt, müssen - unter der Annahme dass die Räder irgendwie miteinander verbunden sind - die Radler mit Ausbaupotential einen Teil ihrer Kraft dafür aufwenden, die schwindende Kraft der schwachen Teammitglieder auszugleichen und einen Teil dafür, die Gesamtgeschwindigkeit des Teams noch zu steigern.

So muss also beispielsweise die jährlich abnehmende Fördermenge Europas durch einen anderen Teamplayer ausgeglichen werden, andere Förderregionen müssen also ihre Leistung allein schon dafür steigern, Europas Schwächeln auszugleichen. Erst wenn dieser Ausgleich geschafft ist, können weitere Förderkapazitäten zur Steigerung der Gesamtförderung (=Team-Geschwindigkeit) eingesetzt werden. (mehr …)

Monbiots Erwachen

Ähnlich wie Enten, die grade noch am Ufer eines Sees schwammen und in deren Mitte ein Schuss losgeht, flattert derzeit die (englischsprachige) Peak-Oil-Szenerie erschrocken auf. Nachdem Leonardo Maugeri seine Studie über die Möglichkeit einer neuen Ölrevolution veröffentlichte, schwor der Guardian-Kolumnist und Umweltaktivist George Monbiot vom Glauben an ein Ölfördermaximum ab: We were wrong on Peak Oil - There's enough to fry us all (Wir lagen falsch mit Peak Oil - es gibt genug, um uns alle zu rösten) heißt der Artikel, der dem Schuss im Ententeich gleich kommt. George Monbiot gilt als wichtiges Sprachrohr der britischen Umweltbewegung, sein Wort hat Gewicht und es wird in der englischsprachigen Welt wahrgenommen. Sein Kernthema ist der Klimawandel, weshalb er Kernenergie als CO2-freien Weg der Energieerzeugung für akzeptabel hält. Als Reaktion auf diesen Artikel erscheinen derzeit weltweit Antworten in Artikelform: (mehr …)

radikal denken: Harald Klimenta beerdigt das Kyoto-Protokoll

Einen interessanten Beitrag hat Harald Klimenta in seinem Blog gepostet: Er fordert die Beerdigung des Kyoto-Protokolls und stellt die Idee der Weltklimakonferenzen grundsätzlich infrage. Das ist lesenswert!

Gescheiterte Algenzucht, E-Mobilität ohne Markt, Ölpreisspekulation bei 150 US$

Zum 1.1.2010 waren von 41,7 Millionen PKW in Deutschland gerade einmal 1.588 reine Elektrofahrzeuge. 28.862 Hybrid-PKW waren auf den Straßen unterwegs und 437.945 PKW fuhren mit Flüssig- oder Erdgas. Der Anteil der nicht durch Mineralöl angetriebenen PKWs lag also bei schlichten 1,1% der Gesamtflotte, weiterhin ist der PKW-Verkehr also zu 98,9% von Mineralöl abhängig. Die Zielstellung der Bundesregierung, bis 2020 1 Millionen Elektroautos auf den Straßen zu haben, wird nun in einem STERN-Artikel als Träumerei bezeichnet, denn in 2011 wurden bislang grade mal 1808 Elektroautos angemeldet, wovon nur 101 Stück an Privatpersonen gingen. Offenbar sehen die Hersteller die Entwicklung stark ernüchtert. In Amsterdam will man jedoch weiter mit Elektromobilität vorangehen, der Verkehr der Stadt soll bis 2040 nur noch auf Elektrobasis rollen - bis 2015 sollen es 10.000 sein, bis 2020 sogar 40.000 Elektro-PKW. Amsterdam ist bereits Vorbildstadt was den Radverkehr betrifft.

Ernüchtert ist man auch in Senftenberg, wo eine Algenzucht-Anlage aus dem Vattenfall-Kraftwerk "Schwarze Pumpe" zusätzlichen Treibstoff gewinnen sollte. Der Energieaufwand (ERoEI) für die Abscheidung des für das Algenwachstum benötigten Kohlendioxid aus den Verbrennungsgasen ist zu hoch, die CO2-Ausbeute zu niedrig. Die Anlage steht vor dem Aus und die Algenzucht-Firma ecoduna will sich künftig auf die Gewinnung von Rohstoffen statt auf Energieerzeugung konzentrieren (Nahrungsergänzungsmittel, Tierfutter, Kunststoffe).

Auch wenn der Ölpreis derzeit eher sinkt, erwartet die Händler langfristig offenbar steigende Preise und preisen auch einen Iran-Konflikt schon mit ein - so zumindest sieht es die Financial Times und Bloomberg. Demnach kaufen die Händler heute bereits Optionen, ein Fass Öl im Dezember 2012 zu 150 US$ erwerben zu dürfen. Solche Geschäfte gelten als Absicherung gegen aber auch als Spekulation auf steigende Ölpreise. Morgen trifft sich die OPEC um über ihre Förderquoten zu beraten.

Beim Dialog Kölner Klimawandel hat beim Wettbewerb um die besten Ideen für einen "grünen Masterplan für die Stadt" im Bereich Verkehr die Idee "Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit" von Davide Brocchi gewonnen, der sich sehr stark auf Peak Oil bezieht. DIE ZEIT bemüht sich derzeit intensiv um gesellschaftliche Entwürfe "jenseits des Kapitalismus", die sehr oft in Verbindung stehen zum Ölfördermaximum und Ausdruck einer gesellschaftlichen Suche sind:

Nachtrag: C. Neumann wies mich darauf hin, dass die Kündigung des Kyoto-Abkommens durch Kanada mit der Ölproduktion des Landes zusammenhängen dürfte: Der Abbau der Teersande in Alberta ist kaum kompatibel mit der Dämpfung von Kohlendioxid-Emissionen. Ein Plan, ein Importverbot für Öl aus Teersanden zu verhängen, wie es wohl die EU-Kommission vorsieht, dürfte wenig Einfluss haben. Das kanadische Öl wird hauptsächlich auf dem nordamerikanischen Markt verbraucht.

Leben in Transition Towns

Wo wir heute stehen ist ein Punkt, der bereits hinter der Kreuzung liegt. Entscheidungen, die ein Abbiegen auf steuerbare Wege möglich gemacht hätten, waren vor einiger Zeit noch denkbar, jetzt ist die Reise eher vergleichbar mit der Dynamik einer Bootsfahrt auf einem Bach. Die Geschwindigkeit des Wassers ist so groß, dass unsere Aufmerksamkeit sich nahezu ausschließlich darauf richtet, das Boot nicht kentern zu lassen, aber wir haben keine nennenswerten Kapazitäten, die Richtung zu wechseln, gegen die Strömung zu rudern oder gar unser Boot ans Ufer zu bringen. Wir haben Fahrt aufgenommen. Wohin die Reise führt ist ungewiss, sicher ist nur: Wir bewegen uns. (mehr …)