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Kann Peak Oil eine Wirtschaftskrise auslösen?

Seit 150 Jahren fördern die Menschen Öl. Anfangs wurde es benutzt, um es in Lampen zu verbrennen und am Abend Licht zu machen. Später wurde es als Treibstoff in Motoren eingesetzt. Aufgrund seiner leichten Transportierbarkeit fuhr es mit dem Fahrzeug, welches es antrieb, einfach mit. Das Automobil verdankt seinen Siegeszug dem Erdöl, welches immer leichter zu fördern war und in großen Mengen gefunden wurde. Ganze Branchen wurden Opfer des Fortschritts: Pferdefuhrwerke und Kutschenhersteller starben aus und die Industrienationen entwickelten auf Basis von billiger Energie auf Erdölbasis sowie der zunehmenden Mobilität ein Wirtschaftsmodell, das wir heute immer noch nutzen.

Spezialisierung + Arbeitsteilung = Transporte + Energie

Erdöl ist heute für das Funktionieren des gesamten Verkehrssektors verantwortlich. Dies ist gefährlich, wenn uns das Öl ausgeht. Mit Hilfe des Transportgewerbes organisieren wir Arbeitsteilung und Spezialisierung, zwei grundlegende Konzepte unserer Wirtschaft. Die zunehmende Spezialisierung überwand das Prinzip der Selbstversorgung und spaltete wirtschaftliche Tätigkeiten in eine Vielzahl kleinster Produktionsschritte auf: So wird ein Auto heute beispielsweise durch die Zulieferung von hunderten einzelner Teile gebaut, welche alle durch einzelne hochspezialisierte Firmen hergestellt werden. Die eine liefert die Rückleuchten, die nächste das Handschuhfach, die dritte den Motor, die vierte die Reifen und so weiter. Aber all diese Produkte müssen an einen Ort transportiert werden, wo sie zum Endprodukt zusammengefügt werden. Dieses Prinzip der Spezialisierung und Arbeitsteilung gilt natürlich nicht nur in der Auto-Industrie, sie gilt überall in der Wirtschaft. Und dieses Prinzip braucht Öl, da Öl der Treibstoff ist, mit dem die LKWs. Schiffe, Flugzeuge sowie viele Züge angetrieben werden, die all die hunderttausende Produktteile zu zentralen Produktionsstätten bringen und die fertigen Produkte in die Läden des Einzelhandels.

Peak Oil, der Höhepunkt der Ölförderung, macht Öl teuer. Da Öl über das Transportgewerbe in nahezu jedem anderen Produkt vorhanden ist, wirkt sich seine Preissteigerung auf die Preise aller anderen Produkte aus. Werden Produkte teurer, so werden sie seltener gekauft. Werden Produkte seltener gekauft, nehmen die Hersteller weniger Geld ein und müssen Arbeiter entlassen und Geschäftsverbindungen auflösen. Sie kaufen weniger Zulieferprodukte ein. Wirtschaft ist ein eng vernetztes Gewebe unterschiedlichster Unternehmen und Arbeiter, weshalb eine Krise eines Unternehmens sich auf sein geschäftliches Umfeld auswirken kann und weitere Unternehmen in die Krise stürzen kann. Jede punktuelle Unternehmens-Krise im Wirtschafts-Netzwerk kann sich also auf weitere Unternehmen auswirken. Eine echte Wirtschaftskrise entsteht, wenn sich eine selbstverstärkende Dynamik entwickelt, die viele Unternehmen und viele Menschen in ihre Abwärtsspirale zieht.

Peak Oil und die steigenden Ölpreise haben das Potential zu einer immensen Wirtschaftskrise allein dadurch, daß Öl in so vielen Bereichen der Wirtschaft gebraucht wird. Es ist nicht einfach, Öl durch andere Produkte zu ersetzen: Das gesamte Transportgewerbe braucht Öl-Produkte für den Antrieb ihrer Fahrzeuge, Ölheizungen funktionieren nur mit Öl, chemische Produkte, die auf Öl basieren, kann man nur selten auf Basis anderer chemischer Verbindungen herstellen. Ein Mangel an Öl greift in dermaßen viele Räder des ökonomischen Getriebes ein, so daß ein schneller Anstieg des Ölpreises oder eine Knappheit aufgrund Peak Oil mit großer Wahrscheinlichkeit eine Wirtschaftskrise auslöst.

Profiteure in der Krise?

Natürlich profitieren auch Wirtschaftszweige von der Öl-Krise. Unternehmen, die mit kürzeren Transportwegen arbeiten, da sie nah an Kunden und Lieferanten sitzen, gewinnen Wettbewerbsvorteile gegenüber Unternehmen, die riesige geografische Distanzen für Herstellung oder Vertrieb ihrer Produkte überwinden müßen. Kleinräumig organisierte Unternehmen oder Unternehmensnetzwerke gewinnen durch Peak Oil und allgemein dürfte sich eine Neuorganisation zugunsten räumlicher Nähe verstärken. Auch wird die Suche nach Alternativen zum Erdöl verstärkt, was Unternehmen zugute kommt, die sich mit erneuerbaren Energien, Energieeinsparung oder Öl-Substituten befaßen. Landwirtschaft, die sich auf Öl-Ersatz konzentriert (Raps, Sonnenblumen, Hanf), dürfte ebenfalls Gewinner eines Anstiegs des Ölpreises durch Peak Oil sein, genau wie Branchen, die mehr auf Dienstleistungen statt auf materielle Produktion setzen. Recycling und Reparatur-Dienstleistungen dürften an Bedeutung gewinnen und sicher auch neue Impulse in einer geänderten Wirtschaftswelt setzen, Marktanteile gewinnen sowie Arbeitsplätze schaffen.

Zu befürchten ist, daßdie Abhängigkeit unserer Wirtschaftsakteure vom Rohstoff Öl jedoch so groß ist, daßeine schnelle Abkehr und Neuorientierung nicht machbar ist. Die Umstellung einer Industrie, die sich 150 Jahre an Erdöl gewöhnt hat und auf diesem Rohstoff aufgebaut wurde, läßt sich schwer innerhalb weniger Jahre gestalten. Auch der Aspekt der Gewöhnung von uns Menschen an den liebgewonnenen Luxus billiger Autofahrten verzögert sicherlich die Suche nach anderen Wegen des Wirtschaftens. Dafür dürfte der psychologische Aspekt einer einsetzenden Wirtschaftskrise diese eher verstärken, wenn durch mangelndes Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft weniger Kredite vergeben werden. Zwar gibt es mit Kreditgenossenschaften und alternativen Finanzwerkzeugen wie Regionalgeld und Bartersystemen neue Ansätze der Geldwirtschaft, der Großeil der Ökonomie hängt jedoch an den gewachsenen Bankstrukturen, die sich in Krisenzeiten oft eher krisenverstärkend verhalten. Es ist zu befürchten, daß mit abschwächender Konjunktur auch die Kreditvergabe eingeschränkt wird, zumal die aktuelle Peak-Oil-Diskussion zeitgleich mit einer globalen Finanzkrise einhergeht. Mangelnde Kredite lassen jedoch die Investitionstätigkeit sinken - möglicherweise sogar in jene Branchen, die Peak Oil etwas entgegenzusetzen hätten.

Immobilienmarkt und Autoindustrie in den USA

Vor allem in den USA gibt es derzeit besorgniserregende Entwicklungen. Obwohl Ölprodukte an US-Tankstellen pro Liter wesentlich weniger kosten als beispielsweise in Deutschland (z.B. aufgrund anderer Besteuerung), wirken die rasant gestiegenen Ölpreise mit einem viel mächtigeren Hebel: Gerade weil aufgrund fehlender Besteuerung die Preise bis vor wenigen Jahren extrem niedrig waren, schlägt sich die Preissteigerung an den Öl-Märkten jetzt noch intensiver nieder. Und gerade weil die niedrigen Ölpreise kein Bewußtsein für künftige Entwicklungen schufen, entwickelte sich in den USA eine Kultur der langen Fahrtwege und Spritfresser: Zum Spritsparen gab es keinen finanziellen Grund, weshalb man mit großen Wagen weit außerhalb in Vororten wohnte.

Jetzt verlassen immer mehr Menschen diese Vororte. Es wird teuer, weit zu fahren. Die zurückgelassenen Immobilien verstärken den Preisverfall auf dem Immobilienmarkt, der bereits seit 2 Jahren angeschlagen ist und dessen Krise sich längst über die Banken ins Finanzsystem eingeschlichen hat ( [Manager-Magazin] Flucht aus der Vorstadt ). Zugleich fahren die US-Amerikaner ihre vorhandenen Autos länger und wollen keine Spritschlucker mehr kaufen. Blechlawinen stehen unverkäuflich herum, drücken die Autopreise und laden den Autoherstellern Milliardenverluste auf ([Spiegel] US-Automarkt: Begraben von der Blechlawine). Diese Verluste könnten sich künftig in schließenden Fabriken, neuen Arbeitslosen und einer weiteren Spirale in der Wirtschaftskrise niederschlagen.

Hier wirkt nicht nur Peak Oil, hier greifen verschiedene Entwicklungen ineinander: Preisverfall der Immobilien, Vertrauenskrise im Finanzsystem, explodierende Rohstoffpreise und der Vertrauensverlust in die US-Währung. Denn überschuldet ist die USA schließlich auch noch. Einer auf Export fixierten deutschen Wirtschaft werden diese Entwicklungen zusätzlich schaden, wenn die Krise die Importländer zu Einsparungen zwingt.

Einzig einige ölexportierende Länder sowie die grossen Öl-Händler werden künftig mehr Geld für Importe zur Verfügung haben. Wer Öl zu steigenden Preisen verkaufen kann, der hat Geld, Güter zu importieren. Eine Verschiebung der Machtkonstellation auf dem Planeten geht mit Peak Oil einher. Doch die Zeit der billigen Energie könnte vorbei sein und mit ihr fällt eine auf Energieverschwendung programmierte Wirtschaft in die Krise.

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Fussnoten

Norbert Rost, www.peak-oil.com, August 2008

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