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Ölpreis: Kaufkraftgewinne, Steuerverluste, Projekt- und Finanzsystemrisiken und Saudi Arabiens neue Macht

Zum aktuellen Ölpreisabsturz wurde bereits viel gesagt und geschrieben. Die Wirkungen werden an mindestens vier Fronten sichtbar:

  • in den Ölimportländern sinken die Ölkosten und es wird Kaufkraft bei den Ölverbrauchern frei, die anderweitig einsetzbar ist. In Europa führt diese Tatsache dazu, dass der Ölpreiseinbruch als Konjunkturpaket gefeiert wird.
  • in den Ölexportländern sinken die Exporterlöse. Dies strapaziert die wirtschaftliche Situation der Ölförderer und der Staatshaushalte, denn die meisten Ölkonzerne sind im Staatseigentum und führen ihre Erlöse in irgendeiner Form in den Staatshaushalt ab. Schrumpfende Ölpreise führen zu schrumpfenden Staatseinnahmen, beim aktuellen Ölpreis gerät der Haushalt von immer mehr Staaten ins Defizit.
  • die Finanzierung von Ölförderprojekten steht in Frage. Dies betrifft sowohl die niegelnagelneue Fracking-Industrie in den USA, die Ölsand-Industrie in Kanada wie auch einen großen Teil von Offshore-Projekten weltweit, die unter der Annahme höherer Ölpreise als 50 US$ geplant und projektiert wurden. Der Ölpreisabsturz untergräbt nicht nur die Wirtschaftlichkeit bereits laufender und geplanter Projekte, er untergräbt auch das langfristigere Vertrauen von Investoren und Projektumsetzern in ein angemessenes Preisniveau. Zerohedge meldet die Insolvenz der ersten im Fracking engagierten Firma WBH Energy LB und listet weitere Firmen mit anfälligem Schulden-Gewinn-Verhältnis auf (Diese Liste führt eine Firma namens Cheniere Energy Partners LB an, die 44 mal soviel Schulden hat, wie sie als Jahresgewinn verzeichnet.)
  • das Ölpreisniveau vergrößert die systemischen Risiken für das weiterhin angeschlagene Finanzsystem, weil viele Ölförderer kreditfinanziert agieren und wechselseitige Absicherungsgeschäfte Finanzjongleure in Gefahr bringen. Wenn kreditfinanzierte Firmen ausfallen, müssen die Kreditgeber ihre Kredite abschreiben, was in dem labilen Finanzumfeld zu Kettenreaktionen führen kann, bei denen letztlich (man kennt das ja schon) die auflaufenden faulen Kredite durch "Schuldenpakete" wieder auf den Staatshaushalten lasten könnten.

Die Rentabilitätsschwäche der Förderfirmen wird Übernahmen und einen Konzentrationsprozess im US-Fracking-Geschäft vorantreiben sowie die Fracking-Aktivitäten bremsen. Mittelfristig ist ein Rückgang der US-Ölförderung wahrscheinlich, weil die Zahl der wirtschaftlich betreibbaren Förderstellen schrumpft. Schaut man sich an, wie schnell die US-Ölförderung in den vergangenen 10 Jahren angestiegen ist und kombiniert man dieses Bild mit dem Wissen um die rasanten Förderabfälle in den Fracking-Bohrungen, so wird deutlich, dass ein Abbremsen der Fracking-Aktivitäten schnell auch die US-Ölförderung wieder in Richtung des 2005er Niveau schieben kann.

us-oelfoerderung-2000-2014

Ein Jojo-Effekt ist zu befürchten: Während der Fracking-Erfolg seit 2005 die Ölnachfrage der USA auf dem internationalen Ölexportmarkt so stark schrumpfte, dass derzeit ein Überangebot auf dem Weltmarkt diesen rasanten Preiseinbruch hervorruft, so könnte ein Schrumpfen des Frackings die US-Importe ebenso schnell wieder ansteigen lassen. Genauso schnell, wie der Ölpreis einbrach, könnte er dann wieder anziehen; mit dem Ergebnis, dass die Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Preisentwicklung eher zunimmt: Gibt es künftig nun niedrige oder hohe Ölpreise? Lohnt sich ein Investment in die Ausbeutung von Öl oder tut es das nicht? Offensichtlich hat der Ölpreis einen Stabilitätskorridor nach unten verlassen. Das Ergebnis ist Unsicherheit.

Unsicherheit statt Planungssicherheit torpediert die von der Internationalen Energieagentur erhofften Investitionsmengen in die globale Ölförderung, die aber notwendig sind, um das heutige Förderniveau aufrecht zu erhalten. Der rasante, vorerst als kurzfristiges Phänomen wahrgenommene Ölpreisabsturz manifestiert auf längere Sicht das Fördermaximum. Die Unsicherheiten bezüglich künftiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen könnten Geld aus dem Ölgeschäft fernhalten und damit zu einer sich selbst verstärkenden Abwärtspirale führen, wie sie Gail Tverberg in ihrer wenig ermutigenden Grafik darstellt:

Interessant in dem Zusammenhang ist die neuzubewertende Stellung Saudi Arabiens. Die Saudis haben das Ölkartell OPEC auflaufen lassen und signalisiert, dass sie nicht mehr als alleiniger Swing-Producer auftreten werden. In der Vergangenheit dämpfte Saudi Aramco zu große Preisausschläge dadurch, dass bei zu starkem Preisanstieg die Ölförderung auch kurzfristig gesteigert und bei zu großen Preisabschlag die Ölförderung gedrosselt wurde. Saudi Arabien hat für den Ölmarkt das bereitgestellt, was Betreiber von Stromnetzen "Regelenergie" nennen. Wo die Netzbetreiber die Frequenz des Stromnetzes in einem engen Frequenzkorridor um 50 Hz herum fahren, fuhr Saudi Arabien die Weltölversorgung von 2011 bis 2014 in einem engen Preiskorridor um 110 US$ herum. Der exorbitante US-Fracking-Erfolg hat saudisches Öl aus Nordamerika verdrängt: Man versorgt sich dort wieder in größerem Maße selbst, der US-Importrückgang zwingt die Scheichs dazu, ihr Öl anderswo zu verkaufen. Mit dem faktischen Aufkündigen des OPEC-Kartells und dem Rückzieher als Stabilisator für die Weltölversorgung zeigt die saudische Königsfamilie ihre (neue) Macht: An ihnen hängt eine stabile Ölversorgung und ein stabiler Ölpreis, sie können diesen bei Bedarf so stark drücken, dass eine Marktbereinigung (im Sinne aus dem Spiel fallender Ölfirmen und Ölfördergebiete) die Folge ist, sie können ihn aber auch zweifellos stark anziehen lassen - wobei ein Realität gewordener Beweis für diese Macht noch aussteht. Auch wenn jetzt ein einzelner saudischer Prinz (von denen es wohl 8000 bis 12000 gibt) sagt, man würde einen Ölpreis von 100 US$ nie wieder sehen, ist das kein Grund zu reiner Freude. Denn der Ölpreis ist eben längst nicht nur ein Kostenfaktor für Ölverbraucher, sondern auch der Investitionstreiber für Ölversorger. Hinzu kommt eine unsichere Zukunft für das mächtigste Ölland auf dem Planeten: Der 90jährige König Abdullah wurde zum Jahreswechsel mit akuter Atemnot ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Tage sind gezählt. Machtkämpfe innerhalb des mächtigsten Öllandes stehen aufgrund fragiler Nachfolgeregelungen vor der Tür. Keineswegs bedeutet diese Situation Sicherheit für Annahmen über die künftige Ölstrategie des arabischen Staats.

Weiteres:

Rosneft-Chef Setchin: Welt-Organisationen sind wenig wirksam; Ölpreisziel bei 60 US$

In einem ausführlichen Interview mit der WELT stellt der Igor Setchin, Chef des größten russischen Ölkonzerns Rosneft, den globalen Organisationen für Energie und Handel ein sehr schlechtes Zeugnis aus:

Man muss eingestehen, dass die bestehenden Branchenstrukturen wie die Internationale Energieagentur oder das Sekretariat der Energiecharta leider ihre Funktion nicht erfüllt haben. Sie haben keine Vorschläge, Empfehlungen oder Mechanismen ausgearbeitet, um Spannungen auf dem Energiemarkt zu beseitigen. Schon fünf Monate lang fällt der Ölpreis.

Der aktuelle Preisverfall, dem das zerstrittene OPEC-Kartell nicht durch Förderkürzungen entgegen treten will, würde laut Setchin den Ölpreis in 2015 auf 60 US$ senken. Für das laufende Geschäft sei Rosneft dennoch ausreichend gewappnet, auch wenn Setchin dann Investitionen "in gewisse teure Projekte verschieben" muss. Laut Setschin hat der aktuelle Ölpreisverfall auf Russland weniger Auswirkungen als die Sanktionen im Zuge des Ukraine-Krieges, bei der russischen Energiekonzernen der Zugang zum westlichen Kapitalmarkt und zu westlicher Technologie erschwert ist.

Setchin äußert sich verwundert darüber, warum die Welthandelsorganisation WTO nicht im aktuellen Konflikt eingeschaltet wird, immerhin handelt es sich um ein Preisdumping, welches bei anderen Gelegenheiten die WTO auf den Plan rief. Die Eigeninteressen jedes Landes respektierend schlägt der Rosneft-Chef die Bildung eines "Rates für den Ölmarkt" vor:

Ich denke, erfolgreiche Aussicht haben nicht die Kartellorganisationen, sondern die Schaffung eines Rates für den Markt, wobei sowohl Ölproduzenten wie auch -konsumenten involviert sein müssten. Dann könnten Koordinationen stattfinden, man könnte ein genaues Verständnis des Ausgleichs zwischen Verbrauch und Produktion bekommen.

Dieser Vorschlag könnte im Zusammenhang mit einem absehbaren Ölförderrückgang und starken Ölpreisschwankungen zu einer konzertierten und koordinierten Aktivität der Weltgesellschaft führen. Statt den Rückgang der Ölförderung in einigen Jahren unkontrolliert ablaufen zu lassen, könnte eine Abstimmung der Ölförderer und der Ölverbraucher größere Verwerfungen vermeiden helfen. Gefragt, was die Ursache für den aktuellen drastischen Preisverfall sei, antwortet der Ölkonzernchef:

Ein gewisses Überangebot. Auch haben die USA aufgehört, den Dollar-Kurs stabil zu halten, was laut unseren Experten für 40 Prozent des Ölpreisverfalls verantwortlich ist. Ein dritter Faktor betrifft den regionalen Markt in den USA – und zwar die Fördersteigerung bei Shale-Öl. Diese Förderung wird weiter steigen. Aber praktisch alle Experten sind sich einig, dass von 2017 bis 2025 die höchste Fördermenge erreicht ist. Nach 2025 beginnt sie zu sinken – und zwar wegen der Ressourcenbasis, soweit sie uns heute bekannt ist. Im Moment verstärkt die US-Förderung den Preisverfall, künftig aber wird die zurückgehende Produktion den Preis treiben.

Offenbar hat Rosneft bereits am Dienstag eine homöopathische Fördersenkung um 25.000 Barrel pro Tag verkündet. Im WELT-Interview verweist Setschin darauf, dass es technisch möglich sei, die russische Förderung um weitere 200.000 bis 300.000 Barrel täglich zu senken. Einen Einfluss auf den globalen Ölpreis dürfte dies kaum haben, als Signal an die pipelinegebundenen Ölkunden Russlands darf es dennoch verstanden werden.

Weiterlesen:

Trifft Russland Venezuela auf dem Weg zu einer zweiten OPEC?

Am 16. Juni hielt der (aus Libyen stammende) OPEC-Generalsekretär Abdalla S. El-Badri auf dem 21. Welt-Petroleum-Kongress in Moskau eine bemerkenswerte Eröffnungsrede, in der er die Stabilität der Ölmärkte als gemeinsames Ziel aller versammelten Akteure beschwor: Ölverbraucher wie Ölproduzenten, OPEC-Mitglieder und Nicht-OPEC-Mitglieder, auch das von Gastgeber Russland. Er sagte:

Unser Augenmerk sollte darauf liegen, Marktstabilität beizubehalten. Das war zentral für die OPEC-Entscheidung der letzten Woche, die OPEC-Ölförderung auf dem Niveau von 30 Millionen Barrel täglich zu belassen. Das ist, was vom Markt benötigt wird. Wir sehen heute einen ausgeglichenen und stabilen Ölmarkt.

Und wenn wir auf die Marktindikatoren schauen, erwarten wir dies auch für den Rest von 2014. Es gibt ein gleichbleibendes Nachfragewachstum und genug Angebot es zu decken; sowohl mit Vorräten wie auch freien Förderkapazitäten auf komfortablem Niveau.

Stabilität ist zentral für alles, was wir tun. Es ist das Anliegen, das uns alle verbindet. Und dies wird am besten erreicht, wenn alle Interessentsgruppen einander besser verstehen durch verstärkten Dialog und Kooperation. Ich bin sicher, dies wird sich im Laufe der Kongresswoche zeigen.

Wenige Tage nach dieser Rede begann der jüngste Ölpreiskollaps, der den Ölpreis von damals 115 US$ binnen 5 Monaten auf unter 80 US$ fallen ließ.

Irgendwas passt nicht zusammen.

Lücken im Kartell

Der deutsche Staat hält sich ein Bundeskartellamt, zu dessen Aufgaben es gehört, das Kartellverbot hierzulande durchzusetzen:

Koordinieren Wettbewerber untereinander ihr Verhalten auf einem Markt, um dadurch den Wettbewerb einzuschränken oder auszuschalten, spricht man von einem Kartell. [...] Kartellabsprachen führen regelmäßig zu überhöhten Preisen bei sinkender Produktqualität.

Die OPEC ist ein offen geführtes Kartell: Jeder weiß, dass es existiert und dass seine Mitglieder das Ziel verfolgen, möglichst hohe Erlöse für sich durch Koordination der Ölförderung einzustreichen. Zudem hat dieses Kartell globale Bedeutung, erkennbar am gehandelten Stoff (Öl), der weltweit benötigt wird, aber auch daran, dass nicht einzelne Firmen, sondern mehrere Staaten ihre Interessen in diesem Gremium vertreten. Derzeit sind dies die Gründungsmitglieder von 1960 Irak, Iran, Saudi Arabien, Kuwait und Venezuela, sowie Katar, Libyen, Algerien, Nigeria, Angola, Equador und die Vereinigten Arabischen Emirate. Den größten Erfolg hatte das Kartell in den 1970ern, als es die ersten zwei großen Ölkrisen dadurch auslöste, dass es seinen Marktanteil von 55% zu passablen Preissteigerungen anbot.

Allerdings zeigt die Geschichte wie auch die aktuelle Situation, dass keineswegs alle OPEC-Mitglieder in jedem Fall dieselben Interessen teilen. Man erinnere sich nur an den Überfall von Saddam Husseins Irak auf den Nachbarstaat Kuwait anno 1990 oder den aktuell laufenden Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitisch dominierten Saudi-Arabien und dem schiitisch dominierten Iran in Syrien. Jeweils standen und stehen sich Länder feindlich gegenüber, die als OPEC-Mitglieder gemeinsame Sache machen.

Lücken in der US-Weltverschwörung

Der aktuelle Medien-Konsens besteht weitgehend darin, dass der Ölpreisverfall durch Saudi-Arabien ausgelöst wird. Wahlweise versucht das Land dadurch seine Marktanteile zu sichern oder politischen Einfluss auf andere Länder zu nehmen. Dem US-Fracking-Erfolg wird die zweite Komponente zugeschrieben, doch ist auch hier die Interessenlage alles andere als eindeutig: Einerseits bringt der niedrige Ölpreis dem ölsüchtigen US-Konsumenten Spielraum in die Brieftasche, andererseits torpediert der Ölpreis das Geschäftsmodell der Fracking-Firmen und beschädigt so auf Dauer die frisch gewonnenen Eigenversorgungsmöglichkeiten der USA. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die oftmals berichteten Förderkosten von 60-80 US$ pro Barrel für das US-Fracking stimmen. Fraglich ist hierbei jedoch, wie das tatsächliche Interesse Saudi-Arabiens aussieht. Denn regelmäßig gilt die ultraorthodoxe Monarchie als enger Verbündeter der USA - klingt es daher logisch, dass ausgerechnet die Saudis die US-Fracking-Industrie mit einer teuren Preiskampagne angreifen wollen?

Doch der Ölpreis hat auch außerhalb von rein wirtschaftlichen Fragen Relevanz: Er wird sehr schnell politisch. Einerseits setzt der Ölpreiskollaps mindestens drei globale Konkurrenten der USA unter Druck: Venezuela, Iran und Russland. Russland läßt verlauten, dass es vermutet, dass der Ölpreiseinbruch auf eine Kooperation von Saudi-Arabien und den USA zurückgeht. Andererseits treibt dieser Druck die betroffenen Länder dazu, sich nach neuen Kooperationen umzuschauen. Was wäre denn, wenn Russland Mitglied der OPEC würde und seine Preisinteressen gemeinsam mit anderen ölexportierenden Staaten durchsetzen würde? Immerhin denkt man laut Russlands Energieminister Alexander Novak in Russland über eine Kürzung der Ölförderung nach. Oder wenn Russland eine "zweite OPEC" begründet und sich mit einzelnen Ländern über Förderquoten verständigt? Sollten solche Kooperationen gelingen, entstünde möglicherweise ein Konstrukt, das dem us-amerikanischen Lifestyle nicht gerade zuträglich ist.

Doch genau dafür gibt es Signale, die ihren vorläufigen Höhepunkt in der kommenden Woche finden könnten, denn am Donnerstag, den 27.11.2014 trifft sich erneut die OPEC in Wien - mit Russland ganz in der Nähe.

Öldiplomatie in vollem Gange

Venezuela, Russland und Iran sind aufgrund ihrer großen Abhängigkeit von Verkaufserlösen die großen Verlierer des aktuellen Ölpreiseinbruchs. Die diplomatischen Bemühungen laufen daher bereits vor dem OPEC-Treffen auf Hochtouren. Bloomberg berichtet, dass Venezuelas Präsident Nicolas Maduro sich um Kooperation mit Nicht-OPEC-Mitgliedern bemüht. Der venezuelanische Außenminister traf deshalb sechs Energieminister, darunter den russischen Energieminister Alexander Novak. Ein weiteres Treffen dieser Art ist kommenden Dienstag angesetzt, zwei Tage bevor die OPEC zu ihrem Treffen zusammenkommt. Und es wurde auf Drängen von Venezuela von Caracas nach Wien verlegt, so dass alle wichtigen Akteure sich in derselben Woche in der österreichischen Hauptstadt einfinden.

Ganz offenbar ist die Öldiplomatie in vollem Gange. Venezuela scheint nach Kooperationspartnern außerhalb der OPEC zu suchen, um beim OPEC-Treffen mit vergrößerter Macht seine Position deutlich zu machen. Und die kann aus Venezuelas Sicht nur lauten: Ölförderung drosseln, um den Ölpreis über die (inzwischen) gewohnten 100-US$-Grenze zu heben. Diesen Wunsch dürfte auch Russland teilen, welches zur Stabilisierung des Staatshaushalts eher 120 als 100 US$ braucht (siehe: Telepolis: Warum der Benzinpreis nicht sinken darf). Auch Igor Setchin, Chef von Rosneft und Vertrauter Putins, wird Wien besuchen.

Signale einer engeren Kooperation zwischen Russland und dem Kartell gab es beispielsweise auch 2011. Katars Ölminister hätte Russland gern in der OPEC gesehen, auch wenn er die Chance dafür gering einschätzte. Auch Saudi-Arabien hat über den damaligen Geheimdienstchef Bandar bin Sultan Russland im Sommer 2013 wohl eine OPEC-Mitgliedschaft angeboten. Allerdings wurde das damalige Zusammentreffen von Bandar und Putin sehr seltsam kommentiert. Von einem "Geheimdeal" war die Rede, der Preis- und Mengenabsprachen zur Ölförderung vorsah. Nichts, was die US-Politik gern sehen würde. Die Meldung wurde damals aus russischen Quellen lanciert und bekommt einen schalen Beigeschmack, wenn man sie damit verbindet, dass Bandar bin Sultan im April 2014 der Geheimdienstposten entzogen wurde. Hauptzweck des Gesprächs zwischen Bandar und Putin war zu diese Zeitpunkt wohl, die Unterstützung Russlands für den syrischen Staatschef Assad zu kappen. Zum Zeitpunkt des Treffens stellte sich Russland demonstrativ an die Seite Assads, der als letzter Verbündeter aus postsowjetischen Zeiten im arabischen Raum übriggeblieben ist. Letztlich scheiterte an Russlands Haltung ein konsequentes Vorgehen der USA gegen die syrische Staatsmacht, mit dem Effekt, dass Syrien heute in Teilen an die ISIS-Extremisten gefallen ist und sich zu einem "failed state" mit einem Flüchtlingsproblem entwickelte, das inzwischen bis nach Deutschland reicht.

Öl, Geld und Politik: Russland unter Druck

Der Preisverfall setzt Russland massiv unter Druck. Gut möglich, dass eine abgestimmte saudi-amerikanische Ölpolitik den Preisverfall hervorrief, mit dem Russland gefügig gemacht werden soll. Wenn Putin Assad fallen läßt und sich von Sanktionen und drohenden Finanz- und Wirtschaftsproblemen auch bezüglich der Ukraine verhandlungsbereit zeigt, könnte der Ölpreis sich vielleicht schneller erholen, als man denkt. Aus politischen, nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Allerdings könnte die aktuelle Situation auch zu neuen, ungewohnten Konstellationen führen. Wenn der weltgröße Ölexporteur Saudi-Arabien mit dem weltgrößten Ölverbraucher USA gemeinsame Sache macht und die Interessen der anderen OPEC-Mitglieder hintergeht, könnte es (mal wieder) zu hitzigen Diskussionen in Wien führen. Wenn parallel Russland mit unzufriedenen OPEC-Mitgliedern Kooperationsgespräche führt, könnten neue Allianzen entstehen. Politik ist manchmal ein überraschungsreiches Geschäft.

Es wäre interessant zu wissen, was im Juni auf dem Welt-Petroleum-Kongress in Moskau hinter den Kulissen besprochen worden ist.

Kommentarlos, Teil 49

Noch vor sechs Monaten hatten die Energieanalysten vorhergesagt, dass die Förderung der Opec-Länder zulegen wird und sich Saudi-Arabien deswegen zurückhalten muss. Mittlerweile haben sie ihre Meinung aber geändert – denn die Förderung in Libyen, Iran und Irak hat sich nicht im erhofften Ausmaß erholt.

[...]

„Jetzt geht es nicht mehr darum, ob die Saudis mehr Raum geben, sondern darum, ob sie weitermachen und über ausreichende freie Kapazitäten verfügen”, sagte Jamie Webster, Analyst von IHS in Washington. „Der Opec fällt es zunehmend schwerer, ihre Arbeit zu machen und alle notwendigen Barrel zu liefern.”

Zu lesen: Im Handelsblatt (Dank an Mario)

Newsticker rund um die fossile Transformation

Das Manager-Magazin fragt, ob die fetten Jahre vorbei sind. Und meint damit, die fetten Jahre der Automobilindustrie. Peak Car, der Höhepunkt der Verkaufszahlen von Automobilen sei auch in den USA überschritten, und dies will was bedeuten. Joschka Fischer, der mal bei Opel seine Kollegen zur Revolution aufrief und daraufhin fristlos entlassen wurde und später Außenminister des Exportweltmeisters war, wirbt derzeit für BMW - genauer: für den Elektro-i3 des Bayrischen Konzerns. Nicht alle seine Parteifreunde finden das witzig.

Wird Erdöl bald billiger werden? fragt die NZZ mit Verweis auf die Entspannungspolitik mit dem Iran. Venezuelas Ölminister Rafael Ramirez antwortet: Bitte nicht. Die OPEC sei schließlich ein Kartell und müsse zwecks Preisstabilität die Ölmengen stabilisieren. Wenn also mehr iranisches Öl auf den Markt kommt, mögen doch bitte andere Kartell-Mitglieder ihren Output drosseln.

Der OPEC-Generalsekretär Abdallah Salem El-Badri wirft einen Blick in die Fracking-Entwicklung in den USA und meint, "an vielen Bohrorten gehen die Förderraten schon jetzt stark zurück, mitunter um 60 Prozent binnen eines Jahres". Der Schiefergasboom nähere sich somit seinem Ende. Der World Oil Outlook, den die OPEC am 7. November veröffentlichte, hat bei weitem nicht jene Aufmerksamkeit erhalten, wie der World Energy Outlook der IEA. In ihrem "upside supply scenario" sieht der OPEC-Bericht den Höhepunkt in der US-Fracking-Ölförderung im Jahr 2020 mit dezentem folgenden Förderrückgang, in ihrem Referenz-Szenario kommt der Tight-Oil-Peak 2017:

opec-woo2013-fracking-usa

(Sollte jemand Interesse verspüren, sich den WOO der Opec mal vorzunehmen um Wichtiges für diese Webseite herauszukristallisieren, nur zu...)

In Norddeutschland wächst währenddessen die Sorge vor Fracking-Aktivitäten, weil Hamburg eine Aufsuchungs-Erlaubnis erteilt hat. Das Deutschlandradio Kultur berichtet von "Angst vor Probebohrungen". Der neue Papst schlug sich bei einem Südamerika-Besuch auf die Seiten der Fracking-Gegner. Nicht nur mit warmen Worten, sondern in einem Kampagnen-T-Shirt - so zumindest berichtet Blickpunkt Lateinamerika.

Dass der Papst kritisch mit Bergbau-Fragen umgeht, sorgt im katholisch regierten Sachsen keineswegs für ein Umdenken in der Braunkohle-Frage. Inzwischen gab es drei Sprengungen von Briefkästen von Tagebau-Kritikern und andere Seltsamkeiten, die den Rahmen demokratischer Auseinandersetzung überschritten haben. Vattenfall dagegen positioniert sich in aktuellen Werbeanzeigen als Mäzen der Region. Nur schade, dass die Anzeigen nicht sagen, dass die abgebildeten Menschen alle direkt oder indirekt bei Vattenfall beschäftigt sind. Der Klima-Lügendetektor wundert sich zudem, wieso Azubis für die Zukunft der Kohle werben, obwohl heutige Kohle-Azubis definitiv nicht ihr ganzes Arbeitsleben in diesem Geschäft verbringen werden. Zukunft?

Die westliche Entspannungspolitik mit dem Iran läßt DIE ZEIT befürchten, dass die Konflikte sich verlagern. Iran und Saudi Arabien sind sich trotz gemeinsamer Mitgliedschaft im OPEC-Kartell spinnefeind. Europa könnte Schlichter spielen. Europa könnte aber auch aus anderen Gründen in einen Konflikt einbezogen werden: In den Konflikt der Ukraine, ob das Land sich nun eher der EU im Westen oder Russland im Osten zuwenden soll. Die Politik entschied jüngst für letzteres, hunderttausend (vor allem im westlichen Teil des Landes) gehen auf die Straße und sehen das anders. Das erinnert an den Gasstreit Russlands mit der Ukraine, der seit 2005 immer mal dazu führte, dass Gazprom dem Land den Gashahn abdrehte. Ganz Europa war davon betroffen, weil durch die Ukraine eine wichtige Versorgungspipeline von Russland in die EU läuft. Ist es auszuschließen, dass Gazprom in diesem Winter erneut die Hähne zudreht?

DIE ZEIT hat ein aufschlussreiches Interview mit dem Gazprom-Vize Alexander Medwedew geführt. Aufschlussreich nicht deshalb, weil das Interview vor Inhalten strotzt. Sondern eher, weil es das gerade nicht tut. Es geht - ganz banal - um Sportsponsoring. Die wichtigen Sachen halt...

Kommentarlos, Teil 19

So wie der Kunstdünger die Landwirtschaft revolutioniert und Malthus' Prognosen wertlos gemacht hat, scheint es auch beim Öl so, dass die Produktion etwa aus unkonventionellen Ölvorkommen oder Tiefseebohrungen stärker steigt als erwartet. Zudem werden alternative Energien und die effizientere Nutzung von Öl eine immer größere Rolle spielen. Auch wenn niemand weiß, wie die Zukunft aussieht, bin ich daher zuversichtlich, dass wir rechtzeitig einen Übergang finden zu einer anderen Form des Wirtschaftens.

Lutz Kilian im Interview mit SPIEGEL ONLINE unter dem Titel "Die Macht der OPEC ist ein Mythos"

Exxon Mobil veröffentlicht “Outlook for Energy”, OPEC festigt Förderquote

Exxon Mobil hat einen eigenen Outlook for Energy veröffentlicht, aus diesem stammt folgende Grafik:

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Ölverbrauchsprognosen gesenkt

Angesichts der Finanzkrise, die auf die Realwirtschaft übergreift, wird voraussichtlich weniger Öl verbraucht als prognostiziert. Die Angaben in Millionen Barrel pro Tag:

alte Prognose für 2011 neue Prognose 2011 Prognose 2012
OPEC 88,15 88,0 89,3
IEA 89,3 89,5 90,7

Obwohl die Prognosen gesenkt wurden, wird in der Tendenz mit einem steigenden Verbrauch gerechnet. Kein Wunder: In Asien ist der pro-Kopf-Verbrauch noch weit vom westlichen Niveau entfernt.

Die IEA rechnet damit, dass Libyen bis Ende 2011 wieder 300.000 Faß Öl pro Tag liefert, bis Ende 2012 könnte die Produktion auf 1,1 Millionen Faß gesteigert werden. (Quelle: FTD) Anzunehmen ist jedoch, dass bei Anhalten des Bürgerkriegs die Öl-Infrastrukturen bevorzugtes Angriffsziel sein dürften - so wie gestern eine Raffinerie.