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Energie, Rendite, Kapitalismus und Marktwirtschaft: Ein geniales Gespann mit endlicher Lebensdauer

Ich hatte ja vor einiger Zeit versprochen einmal meine Gedanken über den Zusammenhang von Energie und unserem Wirtschaftssystem in einen Artikel zu packen. Hier ist er nun.

Um zu verstehen wie sich ein Energiemangel auf die gesellschaftliche Entwicklung auswirkt ist es erforderlich die Funktionsweise unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems zu verstehen. Zentral sind dabei die Begriffe Rendite, Kapitalismus und Marktwirtschaft. Was die Sache besonders schwierig macht ist die Tatsache das diese Begriffe zwar häufig verwendet, aber entweder unterschiedlich definiert oder aber ohne jegliche Definition gleich als ideologische Kampfbegriffe verwendet werden. Erschwerend kommt hinzu dass sie oft synonym eingesetzt oder als grundlegend zusammenhängend betrachtet werden, was ebenfalls falsch ist.

Der wichtigste Begriff in diesem Zusammenhang ist nicht, für manche vielleicht erstaunlich, der des Kapitalismus, sondern der der Rendite. Renditen tauchen in der Geschichte in dem Moment auf als es gelang relevante Überschüsse zu produzieren. Dieser Zeitpunkt war erreicht, als die sich entwickelnde Landwirtschaft einen höheren Produktivitätslevel erreichte als das Jagen und Sammeln. Also der Moment als mit dem gleichen Arbeits- und Zeitaufwand von Bauern mehr Kalorien erzeugt wurden als von Jägern und Sammlern (ein äußerst zäher Prozess, der Jahrhunderte bis Jahrtausende dauerte). Als dieser Punkt erreicht war änderte sich schlagartig und für immer die Stellung des Menschen innerhalb der Biosphäre.

War es Menschen bis dahin gelungen durch ihre Intelligenz die Art nutzbarer Ressourcen auszudehnen und dadurch mit Ausnahme der Antarktis alle Landhabitate zu besetzen, so war doch die Arbeitsproduktivität nicht wesentlich gestiegen. Das bedeutete die verfügbaren Güter reichten zum Überleben der Art, aber auch nicht für mehr. Ist keine überschüssige Arbeitskraft oder Arbeitszeit vorhanden so ist deren Einsatz durch pure Notwendigkeiten weitgehend determiniert. Große materielle Unterschiede treten zwischen den Gesellschaftsmitgliedern nicht auf. Selbst starke Rangunterschiede führen nicht zu großen Unterschieden in der Güterverfügbarkeit, denn das würde sofort einen Teil der Gruppe in den Untergang treiben. Selbst die Möglichkeit, dass sich ranghöhere Gruppenmitglieder vor der Arbeit „drücken“ ist nur sehr begrenzt möglich, denn ohne Überschüsse ist es der Gruppe kaum möglich unzureichend produktive Mitglieder zu alimentieren.

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small is beautiful

E.F. Schumacher kritisierte in seinem Buch "small is beautiful" bereits 1973 die Verschwendunglust an fossilen Energieträgern. Er bemerkte, dass in der Gesellschaft nicht zwischen Ertrag und Kapital unterschieden wurde wird. Aus seiner Sicht wäre genau diese Unterscheidung dort am wichtigsten, wo der Mensch jenes "unersetzliche Kapital" aufzehrt, das er "einfach vorgefunden" und "nicht selbst geschaffen" hat. Zitat:

Sehen wir uns dieses "natürliche Kapital" etwas näher an. Zuerst, und am leichtesten erkennbar, haben wir die fossilen Brennstoffe. Niemand, dessen bin ich mir sicher, wird bestreiten, dass wir sie als Ertragsposten behandeln, obwohl sie unzweifelhaft zum Kapital gehören. Behandelten wir sie als Kapital, müsste uns an ihrer Bewahrung gelegen sein. Wir müssten dann alles in unserer Macht Stehende tun, um die gegenwärtige Verbrauchsmenge so klein wie möglich zu halten. Wir könnten beispielsweise sagen, dass das Geld, das aus der Verwertung dieses - unersetzlichen - "Schatzes" stammt, einem Sonderetat zugeführt werden muss, der ausschließlich der Entwicklung von Produktionsverfahren und Lebensmodellen dient, die nicht oder nur zu einem geringen Grade von fossilen Brennstoffen abhängen. Das und vieles andere müssten wir tun, wenn wir fossile Brennstoffe als Kapital und nicht als Ertrag behandelten. Wir tun aber nichts dergleichen, sondern genau das Gegenteil von alldem: Uns liegt nicht im Geringsten an Bewahrung, wir treiben den gegenwärtigen Verbrauch auf Höchstwerte, statt hauszuhalten oder die Möglichkeiten anderer Produktionsverfahren und Lebensmodelle zu untersuchen.

Neuauflage 2013, mit einem Vorwort von Niko Paech.

Bei Amazon anschauen, beim lokalen Händler kaufen. Wie Toni Mahoni uns unterhaltsam erinnert:

Frohe Weihnachten.

Audio: Peak Oil – Das Ende vom Märchen der Wachstumsgesellschaft

Eine Sendung von Markus Metz und Georg Seeßlen im Deutschlandradio Kultur.

Mit Prof. Niko Paech (Uni Oldenburg, Postwachstumsökonomie), Jörg Schindler (ASPO), Prof. Sophie Wolfrum (TU München, Städtebau)

Grade im Radio, jetzt auch online:

Ölpreis im Sinkflug: Ein Widerspruch zu Peak Oil-Szenarien?

Derzeit bewegt sich der Ölpreis so stark nach unten, dass manche vom "freien Fall" sprechen. Und in der Tat sank der Preis für BRENT seit April 2012 bis heute von 125 auf 90 US$, also um 28% - binnen 2 Monaten. Auf dem US-Markt kostet WTI nur noch 78 US$, im April waren es noch 110 US$ - eine Verringerung um 20%. Die starke Schwankung dürfte vor allem ein Vorgriff auf die Konjunkturentwicklung sein: Sowohl die hohe Arbeitslosigkeit in den USA (Arbeitslosenrate: 8%) wie auch die geschwundenen Wachstumsaussichten sowohl für die US- wie auch für die europäische und auch die chinesische Wirtschaft lassen erwarten, dass der Ölverbrauch sinkt. Darüber hinaus ist die Finanzkrise alles andere als ausgestanden, und die Unsicherheit hinsichtlich wirtschaftlicher Stabilität deshalb groß.

Den Peak-Oil-Szenarien widerspricht diese Entwicklung nicht. Starke Ölpreisschwankungen, insbesondere dann, wenn die Konjunktur einbricht, sind zu erwarten. Die "Krisenzone", bei der Ölpreis und Wachstumstendenzen sich gegenseitig "mitziehen", haben wir nicht verlassen. Vielmehr dürfte ein statistischer Blickwinkel interessant sein: Wie stark hat die vergangene Phase relativ hoher Ölpreise (mit bis zu 125 US$ pro Barrel in Europa) den jetzt offenbar bevorstehenden wirtschaftlichen Abschwung mit hervorgebracht? In welche Höhen klettert der Preis, wenn mit einem erneuten Aufschwungzyklus der Mineralölverbrauch wieder stärker anzieht? Welche Strategien zur Entkopplung von Ölverbrauch und Wirtschaftsdynamik gibt es, wo und wie werden sie umgesetzt?

Aus Peak-Oil-Sicht befinden wir uns also am Beginn einer Abschwungphase von Wirtschaftsleistung und Ölpreis innerhalb der Krisenzone und der Preisrutsch ist nur ein zwischenzeitliches Phänomen:

Krisenzone im Peak-Oil-Umfeld: Ende des Wachstums

Die grundlegende Frage, ob Wirtschaftswachstum in unseren ausgewachsenen Volkswirtschaften überhaupt noch nennenswert möglich ist - und vor allem: Ob es ökologisch und auch sozial überhaupt sinnvoll ist, weiteres Wirtschaftswachstum anzustreben, steckt in diesem Blickwinkel natürlich nur ein bisschen drin. Niko Paech, Professor für Produktionswirtschaft an der Uni Oldenburg, hat dabei einen recht radikalen Blickwinkel. Er bezweifelt die Nützlichkeit "grünen Wachstums" und legt dies aktuell in einem Artikel für DIE ZEIT dar. Sein Modell einer Postwachstumsökonomie stellt unser heutiges Wirtschaften grundsätzlich infrage. Diese Denkschule kann als Angriff auf gewohnte Lebenswelten gelten. Aber: Wird solch ein Angriff nicht durch den Peak of Oil sowie die systemimmanenten Instabilitäten unseres Finanzsystems nicht von systemischer Seite her ebenso geführt?

Terminhinweis: Am 29.06. spricht Niko Paech an der TU Dresden über diese Fragen

Leben in Transition Towns

Wo wir heute stehen ist ein Punkt, der bereits hinter der Kreuzung liegt. Entscheidungen, die ein Abbiegen auf steuerbare Wege möglich gemacht hätten, waren vor einiger Zeit noch denkbar, jetzt ist die Reise eher vergleichbar mit der Dynamik einer Bootsfahrt auf einem Bach. Die Geschwindigkeit des Wassers ist so groß, dass unsere Aufmerksamkeit sich nahezu ausschließlich darauf richtet, das Boot nicht kentern zu lassen, aber wir haben keine nennenswerten Kapazitäten, die Richtung zu wechseln, gegen die Strömung zu rudern oder gar unser Boot ans Ufer zu bringen. Wir haben Fahrt aufgenommen. Wohin die Reise führt ist ungewiss, sicher ist nur: Wir bewegen uns. (mehr …)

Peak Fish, Peak Knowledge und Kalte Fusion

Es ist unglaublich, wie oft in Diskussionen zu Peak Oil die Kreativität der Menschen beschworen wird. "Die Menschen" werden sich schon was einfallen lassen. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten, die technologische Entwicklung längst nicht am Ende. (Was Ingenieure bezweifeln, wie ich bei einem Vortrag bei der IHL hören durfte, als ich brachial darauf aufmerksam gemacht wurde, dass Ingenieure nicht einfach forschen können, sondern das tun müssen, was ihr Chef sagt...) Wer heute einen Blick in die Telepolis wirft, findet einen Artikel von Haiko Lietz, der schreibt: "Der italienische Ingenieur Andrea Rossi hat angeblich einen 1-Megawatt-Generator verkauft" - einen Reaktor auf Basis der kalten Fusion. Kernfusion statt Kernspaltung, "kalt", weil funktionstüchtig ohne sonnenheiße Temperaturen. Theoretisch möglich, praktisch seit einigen Jahrzehnten unerreicht und genauso "handfest" wie all die "freien Energien", die sich insbesondere im Internet tummeln. Da Ingenieur Rossi mit Informationen nicht gerade freigiebig ist, ist Zweifel an der Technik vorhanden, was der TP-Artikel auch gut rüberbringt.

Neue Energiequellen wie diese könnten manche Probleme zweifellos hinwegwischen, auch wenn es Jahre kosten würde, die Technologien breit verfügbar zu machen - aber das ist bei Wind & Solar ja nicht anders. Markus Krachts Befürchtungen, mit dem Energie-Peak wird auch der Wissens-Peak erreicht, könnten obsolet sein. Also alles im grünen Bereich, weitermachen wie bisher!

Wirklich? Andere sehen das ganz anders. Wie aus dem Horrokabinett kommt das Interview mit dem Biologen Paul R. Ehrlich daher, dass die Süddeutsche Zeitung mit ihm geführt hat: "Das führt zum Untergang der Menschheit" sagt er und meint die Bevölkerungsentwicklung. Ob der Raubbau an Anbauflächen und das Schrumpfen der Biodiversität durch Kalte Fusion angegangen werden können? Er schätzt die Chance, dass die westliche Zivilisation dieses Jahrhundert übersteht auf etwa 10% und empfiehlt, sich am Königreich Bhutan zu orientieren.

Was Energiemangel ausmacht, zeigt Japan. Seitdem von 54 Atomreaktoren nur noch 10 am Netz sind, ist Energie ein knappes Gut. Angesichts des bevorstehenden Winters empfiehlt die japanische Regierung: "Mit Pudelmütze und Eintopf gegen die Energiekrise"

In anderen Bereichen dürfte selbst die kalte Fusion nicht so recht helfen. Beispielsweise bei "Peak Fish". Als Bachelorarbeit hat Uli Henrik Streckenbach folgendes Kurzvideo produziert und will uns damit auf die Art und Weise aufmerksam machen, wie wir Fisch "produzieren":

Die Überfischung der Meere from Lilli Green on Vimeo.

Da hilft nur bewusst konsumieren und die Art des Fischfangs zu verändern. Große Ziele für so kleine Menschen. Bildungsarbeit ist der Anfang. Vom 10. bis 20. November findet in Dresden zum dritten Mal das Umundu-Festival statt, ein Festival für "global nachhaltigen Konsum". Das diesjährige Motto: Transition Town - Stadt im Wandel. Die Transition Town-Bewegung wird ja insbesondere von Peak Oil motiviert, mit dem Festival wird das Thema nun auch in der sächsischen Landeshauptstadt intensiv in die Diskussion gebracht. Auch Nicht-Dresdner sind eingeladen, die Programmvielfalt zu genießen und Kontakte zu den Akteuren vor Ort zu knüpfen: Niko Paech und Postwachstumsökonomie, Nils Aguilar und Voices of Transition, Permakultur und vieles mehr. Achja, die Umundu-Macher haben durchaus Interesse, ihr Festival in andere Kommunen zu transportieren. Interessierte mögen Kontakt aufnehmen...

Veranstaltungen mit Peak-Oil-Kontext

Auch wenn man's nicht glaubt, "draußen" ist das Thema Peak Oil immer noch ein Nischenthema. Deshalb ein paar Hinweise auf kommende Veranstaltungen, wo das Thema eine Rolle spielt. Ungenannte Veranstaltungshinweise einfach in den Kommentaren zu diesem Eintrag hinterlassen:

Und: Bei FuerEineBessereWelt.info hat man sich mit Peak Everything auseinandergesetzt.

Transition Town: Un-Konferenz vom 14. bis 16. Oktober in Bielefeld

Die Transition Bewegung basiert auf der Idee, dass man Leute nicht dazu bringt, sich angesichts von Peak Oil und Klimawandel zu engagieren, indem man sie in Panik versetzt oder mutlos macht. Ihnen ein Flugblatt mit schrecklichen Sachen darauf in die Hand drückt und dann erwartet, sie würden aktiv werden. Vielleicht aber lässt sich etwas bewegen, wenn wir uns den Optimismus zu nutze machen. Das könnte dann dazu führen, die Dinge komplett neu zu sehen. Anstatt also auf den Klimawandel und die rasante Ölverknappung als eine Katastrophe und ein Desaster zu schauen, können wir diese Phänomene als Chance sehen, unsere Lebenseinstellungen zu überdenken. Schaut man nur auf Peak Oil, als das absehbare Ende der Ölressourcen, dann resultiert daraus die Suche nach neuen flüssigen Energieträgern. Schaut man nur auf Klimawandel, dann konzentriert man sich schlicht auf technische und ökonomische Lösungen usw. Bringt man beide Dinge zusammen, dann entsteht eine gemeinsame Mitte. Und dort geht es dann um etwas Neues, das zu planen und zu organisieren wäre, nämliche die ökonomische Schrumpfung und Regionalisierung, den Wiederaufbau unserer lokalen Märkte.

So klingt es, wenn Rob Hopkins erklärt, was er unter "Transition Towns" versteht, Städten im Wandel. Nachzulesen bei revista. Dass wir unseren Energieverbrauch drastisch senken müssen, wird zwar desöfteren diskutiert, passieren tut aber relativ wenig. Die Idee der 2000-Watt-Gesellschaft hat es bislang kaum aus der Schweiz herausgeschafft, auch wenn sie dort von Neustart Schweiz aufgegriffen wird - einer dem Transition-Ansatz nahestehenden Initiative.

Novatlantis

Im Großen wird vor allem nach neuem Öl gesucht. Darauf weist auch der gestern bekanntgewordene Deal zwischen Exxon und Rosneft hin, der zum Ziel hat, die arktischen Reserven anzuzapfen. Doch wo bleiben die Aktivitäten im Kleinen? "Windräder für alle" in Form von Energiegenossenschaften, Diskussionen über Postwachstumsökonomie (hier Prof. Niko Paech im Video bei einem ÖDP-Treffen), energieautarke Dörfer (Selbstversorgung in Rettenbach) - Bausteine gibt es inzwischen viele. Wie bringt man sie zusammen? Wo kann man Hand anlegen?

Um Interessierte und Aktive miteinander ins Gespräch zu bringen, laden das Transition-Netzwerk D/A/CH und Transition Town Bielefeld zu einem Netzwerktreffen ein:

  • 14. bis 16. Oktober 2011 in Bielefeld und Oerlinghausen

Mehr Infos und die Anmeldemöglichkeit:

Man sieht sich!

 

PS: Die neue OYA nimmt sich dem Thema "Bürgerbeteiligung" an. In dem Heft sind auch immer Neuigkeiten aus dem Transition-Town-Umfeld zu lesen. Kostenloses Probeexemplar gibt's auf der Webseite des Magazins, über Abonnements freut sich die junge, genossenschaftlich organisierte Redaktion zwecks Finanzierung des Projekts jederzeit...