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E-Pkw-Mobilität – die Fehlentwicklung und (politische) Doppelzüngigkeit

Baker Electric. Quelle: Wikimedia. Autor: Morio, Lizenz: CC BY-SA 3.0

E-Mobilität ist ja in aller Munde - angeblich wegen der Umwelt und so - und weil die Autos dann (magischer weise) keine Abgase mehr produzieren. Warum nenne ich das Doppelzüngigkeit? Ganz einfach:

  • Die Abgase (durch die Stromproduktion) werden nur wo anders produziert - z.B. in Deutschland und China mit ordentlich viel Kohle.
  • E-Mobilität ändert nichts am Reifen- und Bremsscheibenabrieb - den Hauptquellen für den Feinstaub, der komischerweise aktuell kein Problem mehr darzustellen scheint (aus den Medien - aus dem Sinn).
  • Tempolimit fürs Energie sparen? Also nee - doch nicht in Deutschland! Dabei könnte ein Tempolimit auf den Autobahnen (nach dem VCD) leicht bis zu 19% der Energie einsparen und so auch (in der Endgeschwindigkeit langsamere)  E-Autos viel attraktiver machen. Die vielen weniger Toten und Schwerverletzte wären dann ein netter Nebeneffekt.

Ein Gastbeitrag von H.C. Fricke (limitstogrowth.de). Anmerkungen: Die hier vom Autor wiedergegebene Meinungen und Analysen sind rein seine - und müssen nicht mit denen vom Betreiber dieser Plattform übereinstimmen.

Warum nicht sofort & effektiv handeln?

Warum wird - wenn angeblich die Umwelt im Vordergrund steht - nicht einfach sofort gehandelt? - Also z.B. Tempolimit (gibt ja dann auch weniger Unfälle), Ausbau des ÖPNV und (teilweise) Verbannung des privaten PKW-Verkehrs (u.a. Feinstaub, Stickoxide) aus den Innenstädten? Zumindest könnte ja der Radverkehr gefördert und privilegiert werden - aber auch das scheint in Deutschland eine Utopie.

All das würde ohne neue Fahrzeuge, technische Entwicklungen und mit wenigen Investitionen sofort funktionieren! Anstatt dessen gibt es Förderung für E-Mobilität für (reiche und große) Konzerne und reiche Menschen - also die, die sich solch ein teures (Neu-)Fahrzeug leisten können.

Geht es am Ende nur mal wieder um mehr Absatz, Wachstum und den Verkauf von neuen Produkten + das vorzeitige Ende von Fahrzeugen, die noch viele Jahre laufen könnten - wie bei der Abwrackprämie? Denn nicht zu vergessen ist: Ein Fahrzeug das Produziert wurde hat schon massiv Energie & Ressourcen verschlungen - es vorzeitig zu vernichten macht energetisch fast nie Sinn.

Emissionsfrei?

KKW Buschhaus. Quelle: Wikimedia. Autor: Ansichtswechsel.de, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Aber da hört es ja nicht auf: E-Autos sind ja teurer - weil Sie es eben auch in der Produktion sind (u.a. Aufwand für die Batterien). Letztendlich spiegelt der höhere Preis der E-Fahrzeuge das mehr an investierter Energie & den Ressourcen wieder. Damit sich das irgend wann einmal amortisiert müssen die E-Fahrzeuge viele KM zurücklegen. Also mehr fahren um am Schluss was zu sparen!? Und erst einmal mehr Dreck (durch die Produktion) - um später ggf. weniger Dreck erzeugt zu haben!? So sieht es jedenfalls angesichts der aktuellen Batterietechnik aus. Hmmmm....

Und überhaupt: Wie soll das mit dem Strom aus Kohle & Co. denn bitte emissionsfrei klappen? Ahh... PV & Wind? Also nur Laden bei Sonnenschein - oder wenn der Wind bläst? Mit PV-Modulen die in China mit billigem Kohlestrom hergestellt werden - und in 25-30 Jahren ggf. aufwändig als Sondermüll entsorgt werden müssen? Mit PV-Modulen die oft nur angeschafft werden wenn es Subventionen oder Preisgarantien für eingespeisten Strom gibt? Mit einem ERoEI von ggf. nur ca. 2,5 - selbst in Spanien?

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Europas Ölversorgung zwischen Russland und China

In Vorbereitung auf die Podiumsdiskussion "Was kommt nach Öl und Gas?" in der 4Elemente-Veranstaltungsreihe in Dresden habe ich mir die aktuellen Zahlen zur europäischen Ölversorgung nochmal angeschaut. Europas Ölversorgung ist für Dresden relevant, weil die Stadt in die europäischen Pipeline- und Handelsstrukturen eingebunden ist. Europas Ölförderung hat seinen Peak längst hinter sich: Seit 2003 schrumpft die jährliche Ölförderung und sie tut es seitdem mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,7% pro Jahr. Hält diese Schrumpfungsgeschwindigkeit an, bedeutet dies eine Halbierung der jährlichen Fördermenge alle 12 Jahre.

Auch der Ölbedarf Europas hat seinen Höhepunkt bereits hinter sich. Am höchsten war der europäische Ölverbrauch im Jahr 2006, seitdem sinkt er und zwar mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1,4% pro Jahr. Das folgende Diagramm zeigt sowohl die Ölförderkurve (dunkelblau) wie auch die Ölverbrauchskurve (dunkelgrün) und schreibt die bisherigen Schrumpfungsraten in eine mögliche Zukunft bis ins Jahr 2030 fort (helle Kurven):

europa_oelfoerderung_oelverbrauch_bis_2013

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Schweizer Bundesamt für Energie legt Risikobewertung für die Erdgasversorgung der Schweiz vor, Öl medial kein Thema

Das Schweizer Bundesamt für Energie, welches dem Ministerium für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation untersteht, hat eine Risikobewertung für die Erdgasversorgung der Schweiz vorlegt. Das 32seitige Papier soll dazu dienen, die Schweiz näher an die "Gas-Koordinierungs-Gruppe" der EU heranzuführen. Dieses Gremium wurde von der EU in Folge der russisch-ukrainischen Gaskrise von 2009 eingesetzt.

Allerdings läßt ein Papier zu diesem Thema in diesen Zeiten mehr erwarten, als es letztlich liefert. Das Papier untersucht genaugenommen nur, "ob die Gasinfrastruktur technisch in der Lage ist, die gesamte Gasnachfrage in einem berechneten Gebiet bei Ausfall der größten einzelnen Gasinfrastruktur während eines Tages mit außergewöhnlich hoher Gasnachfrage [..] zu decken". Diese Anforderung an das Versorgungsnetz, solch einen Störfall auszuhalten, wird durch eine EU-Verordnung Nr. 994/2010 formuliert - und da die Schweiz sich stärker in die Aktivitäten der EU zur sicheren Gasversorgung einbringen will, testet die vorliegende Studie das Erfüllen dieser Verordnung. Den genannten "Ausfall der größten einzelnen Gasinfrastruktur" hält die Schweizer Gasversorgung laut Risikobewertung aus.

Das Papier thematisiert auch weitergehende Störszenarien. Ein Ausfall des größten Gaseinspeisepunktes Wallbach wäre laut der Untersuchung handhabbar, genau wie es die Unterbrechung einer Transitgasleitung von Juni bis Dezember 2010 war. Der kurze Abschnitt zur Ukraine-Russland-Gaskrise von 2009 hält lapidar fest, dass es damals keine Versorgungsprobleme gab, weil Gasleitungen durch Weißrussland und Polen verstärkt genutzt und zusätzliche Lieferungen aus Norwegen, den Niederlanden und als LNG erfolgten.

Das Umweltamt bat diverse Institutionen um Beurteilung der Risikobewertung. Von economiesuisse wurde angeregt, die aktuelle Ukraine-Krise im Papier zu berücksichtigen. Die Autoren der Studie lehnten dies jedoch mit dem Zweck des Papiers, nämlich der EU-Verordnung zu genügen, ab. (mehr …)

Russland: Öl und Gas nur noch gegen Rubel?

Wie vor allem die österreichische (Die Presse, Wirtschaftsblatt.at) und Schweizer Presse (Handelszeitung) meldet, arbeiten die russischen Behörden daran, den Verkauf von Öl und Gas ins Ausland zunehmend in Rubel statt Dollar abzuwickeln. Diese Vorgabe soll nicht für privat geführte Firmen gelten, demnach für alle Unternehmen in überwiegendem Staatseigentum, zu welchem die großen Öl- und Gaskonzerne, insbesondere Gazprom gehören. Laut Presse besagt die Vorgabe, dass (zumindest im ersten Schritt) nicht zwingend der Kunde mit Rubel bezahlen muss, aber bei den Unternehmen Rubel eingehen sollen. Daraus folgt, dass bei einer Zahlung in Dollar oder Euro eine Bank als Zwischenhändler eintritt.

Der russische Staat kann somit zwei Stoßrichtungen verfolgen:

  1. Die öl- und gasexportierenden Staatsunternehmen müssen ihre Ausgaben primär in Rubel tätigen und treten somit im heimischen Markt als Nachfrager auf. Die so umgelenkte Kaufkraft dürfte mittelfristig dafür sorgen, dass mehr Kaufkraft im Land bleibt und damit Lieferanten mit entsprechendem KnowHow in Russland entstehen bzw. wachsen. Die Nachfrage nach Rubel steigt, was insbesondere der aktuell anhaltenden Rubel-Flucht entgegenwirken dürfte: Mussten Rubel-Besitzer Ende 2013 noch 32 bis 33 Rubel für einen Dollar zahlen, waren jüngst 35 bis 36 Rubel zu zahlen.
  2. Da offenbar ein Währungsgeschäft zwischen der Ausgabe des Öl- und Gaskäufers und der Einnahme auf Seiten des Öl- und Gaslieferanten liegt, kann die dazwischengeschaltete (Staats-?)Bank Devisen-Einnahmen verzeichnen. Angesichts des aktuellen Abflusses von Devisenreserven der russischen Zentralbank kann dieses Manöver für frischen Devisen-Zufluss sorgen.

Man kann diese Entwicklung als Zeichen der Schwäche werten, bei dem die russischen Behörden versuchen, den europäisch-amerikanischen Sanktionen zu begegnen. Man kann sie aber auch in Zusammenhang mit einer grundlegenden Neuorientierung im Bereich der Energie- und Wirtschaftspolitik sehen, zu der folgende Entwicklungen dazugehören:

Die Verknüpfung zu China ist insofern bedeutsam, als dass China seit längerem Öl- und Gasgeschäfte auf Basis der eigenen Währung abwickelt. Daher ist schon hin und wieder vom "Petro-Yuan" als Gegenspieler des "Petro-Dollar" die Rede. FinancialSense.com verwies darauf, dass neben China auch Russland und Iran bereits Ölgeschäfte mittels der chinesischen Währung abgewickelt haben. Venezuela, Angola und der Sudan könnten folgen. Da China inzwischen die USA als größter Ölabnehmer Saudi Arabiens abgelöst hat, könnte diese Entwicklung auf Dauer auch die Wahl der Währung beeinflussen, die für solche Geschäfte genutzt wird und damit die Bedeutung des US-Dollars beeinflussen.

Kritiker dieser Entwicklung warnen vor den Risiken: So zeigte die 2007/2008 ausgelöste Finanzkrise, dass kleine Erschütterungen im Finanzsystem große Schockwellen auslösen können. Und aus Sicht Chinas gilt es die riesigen Dollar-Investitionen zu beachten, die im Laufe der letzten 25 Jahre angehäuft wurden und die bei einer Abwertung des US-Dollars dahinschmelzen würden.

Russland hat zumindest letzteres Problem nicht.

 

Weiteres:

Political Peaking – Wenn Putin am Ölhahn dreht.

Peak Oil diskutiert die Frage, wie und wann Ölförderbegrenzungen erreicht werden und wie sich diese auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. In dieser Diskussion taucht gelegentlich der Begriff des "political peaking" auf. "political peaking" meint dabei das Erreichen eines Fördermaximums nicht aus geologischen Gründen, sondern aus politischen. Es tritt dann auf, wenn politische Entwicklungen dazu führen, dass die Fördermengen bewusst gedrosselt werden, um politische Ziele zu erreichen. Vor dieser Gefahr steht Europa angesichts der Krim-Krise.

Die folgende Grafik zeigt, von welchen Seiten der Ölpreis unter preissteigerndem Druck steht. Einerseits sind es steigende Förderkosten, die letztlich den Ölpreis treiben, andererseits ist es steigende Nachfrage oder unterlassene Investitionen, die den Preis treiben. Als drittes zeigt die Grafik politische Treiber, die letztlich auf den Ölpreis wirken:

Einwirkungen auf den Ölpreis

Bündnis zwischen China und Russland in Arbeit

Das Risiko eines "political peaking" steigt für Europa derzeit stark an. Der SPIEGEL berichtet, dass Russland und China zu ähnlichen Positionen bei der Krim-Krise gefunden haben und über neue Bündnisse verhandeln. Dem Block aus EU und USA attestieren die Chinesen entweder nicht die Kapazität, das in der Ukraine aufscheinende Chaos zu handhaben oder nicht die dafür nötige Weisheit. In der Konsequenz rücken China und Russland näher zusammen und bereiten ein Abkommen über militärpolitische Zusammenarbeit vor. Solch ein Abkommen könnte zu einem Militärbündnis führen, das die Alleinstellung der NATO aufhebt. Die geopolitischen Gewichte würden sich massiv verschieben - ausgelöst durch (unüberlegte) EU-Aktivitäten in der Ukraine.

Die chinesisch-russische Zusammenarbeit im Bereich der Energieversorgung ist nicht neu. Zuletzt im Juni 2013 wurde ein größerer Deal zwischen chinesischen Abnehmern und Rosneft vereinbart, der Reuters zu folgender Bemerkung brachte:

Mit welcher Geschwindigkeit sich Russland beim Ölexport umorientiert, hat viele Branchenexperten überrascht. Binnen fünf Jahren hat das Land riesige Volumina nach Asien umgelenkt, die ursprünglich für Europa bestimmt waren.

Allgemein geht China einen sehr strategisch erscheinenden Weg, wenn es darum geht, den Einfluss auf künftige Ölquellen und Ölströme zu sichern. Diese Entwicklung scheint sich nun nochmal zu beschleunigen. Eine solche Strategie ist auf Seiten Europas nicht auszumachen. Hierzulande gilt der Glaube, der Markt würde das alles schon regeln. Damit wird die Energieversorgung nahezu allein den "Marktteilnehmern" überlassen, also überwiegend großen, profitorientierten Konzernen. Eine dahinterstehene Strategie ist nicht zu erkennen und Diskussionen darüber wurden zuletzt im Keim erstickt, als der ehemalige Bundespräsident Köhler einen politischen Diskurs forderte und über sein öffentliches Nachdenken letztlich zurücktrat.

Political Peaking schon in der Bundeswehr-Studie thematisiert

In der aktuellen Version der Bundeswehr-Studie zu Peak Oil lesen wir:

So könnte es im Bewusstsein der Überschreitung des Peak Oil und angesichts des Strebens von Staaten nach eigenen, möglichst nachhaltigen Vorteilen zu einer gezielten Einschränkung des Angebots kommen („Political Peaking“), beispielsweise um das nicht geförderte Erdöl nachfolgenden Generationen des eigenen Landes zu erhalten. Je klarer würde, wie knapp Erdöl tatsächlich ist, desto mehr würden die Preise des Erdöls und damit die Gewinne der Förderländer steigen. Das Kalkül des „Political Peaking“ würde umso nachvollziehbarer werden. Ein Political Peaking würde die Peak Oil-induzierte Verknappung des Angebots und die damit zusammenhängende Preissteigerung noch weiter verschärfen.

Die Autoren bemerken hier: Da die konventionelle Ölförderung seit 2005 nicht mehr steigt und Europas Ölförderung seit 2002 Jahr für Jahr schrumpft, entsteht eine ausnutzbare Situation: Wenn Russland bewusst den Ölfluss nach Europa verringert, das Angebot also aus politischen Gründen verknappt, hat Europa kaum Möglichkeiten, alternative Lieferanten zu finden. Denn die Tatsache des globalen Ölfördermaximums erlaubt keine Umlenkung von Ölströmen in den Größenordungen, wie Russland sie derzeit liefert.

Die Bundeswehr-Studie nennt im Zusammenhang der Öllieferungen konkret: Russland:

Ob und unter welchen Bedingungen es vor dem Hintergrund des Peak Oil zusätzlich zu einem „Political Peaking“ kommen könnte, ist nicht vorherzusagen.[..] Damit könnte Russland mit seinen derzeitig bereits beträchtlichen Liefermengen in den Fokus rücken. Zwar könnte es einen Ausfall anderer Lieferanten Deutschlands durch seine immensen Vorräte grundsätzlich decken, eine weitere Erhöhung der Liefermengen könnte jedoch das bestehende, derzeit noch weitgehend als beidseitig betontes Abhängigkeitsverhältnis zugunsten Russlands verändern und das Verhältnis zu anderen Abnehmern entlang der Pipeline belasten.

Die Studie diskutiert an dieser Stelle also vielmehr, ob Russland als Ersatz-Lieferland für Ausfälle anderer Lieferanten herhalten könnte. Dabei tritt nun genau das Gegenteil ein: Das mit "immensen Vorräten" gesegnete Russland könnte die Lieferungen verknappen, in diese Lücke müßten andere Länder treten.

Die im folgenden genannten alternativen Lieferländer wie Tunesien, die Republik Kongo, Äquatorialguinea, Turkmenistan sowie Usbekistan und der Sudan können nur begrenzt die russischen Liefermengen ersetzen und gelten zudem nicht gerade als die stabilsten Eckpfeiler der globalen Weltordnung.

Grotesk anmutende Außenpolitik Europas

Bedauerlich ist, dass erst eine akute Krise im europäisch-russischen Grenzraum dazu führt, dass solche Fragen in den Medien, in der Wirtschaft und der Politik intensiver diskutiert werden. Die Bundeswehr-Studie, die all diese Szenarien vorausschauend ansprach, ist bereits seit 2008 öffentlich, doch die Politik muss sich dem Vorwurf stellen, bislang weitgehend untätig geblieben zu sein.

Wie absurd der Streit "um" die Ukraine inzwischen ist, offenbart die Forderung des neuen ukrainischen Präsidenten Arsenij Jazenjuk, die EU möge Energie in die Ukraine liefern. Hierzulande nennt man dies, "einem nackten Mann in die Tasche greifen". Wie bereits im Dezember 2013 diskutiert, ist Europa wegen schrumpfender Öl- und Gasförderung überhaupt nicht in der Lage, Energie an die Ukraine zu liefern, sondern kann allerhöchstens Geld bereitstellen, mit dem die Ukraine dann wieder Energierohstoffe in Russland kaufen kann. Es zeigt sich bereits das Ende der europäischen Expansionspolitik: Es werden immer neue Regionen finanziell alimentiert, doch die Finanzströme sind nicht ökonomisch unterfüttert. Die Stabilität des europäischen Finanzsystems endet ein weiteres Mal dort, wo Luftbuchungen vorgenommen werden - und genau diese Art Transaktionen werden von den EU-Beamten der ukrainischen Führung offenbar versprochen und nun von dieser eingefordert. Im Balance-Spiel zwischen dem westlichen Block und Russland (und demnächst vielleicht China) übersehen die Verantwortlichen die Bedeutung, die Energie in der Wirtschaft hat. Auf neue Maschinen und Autos, die Russland hauptsächlich aus Deutschland importiert, kann man zweifellos eher verzichten, als auf die Treibstoffe, die diese Maschinen antreiben. Zu befürchten ist, dass die Politiker auf europäischer, Bundes-, Landes- und Kommunalebene überhaupt kein Gefühl für die Bedrohung haben, die ihr Handeln auslöst. Die aktuelle Politik hinterläßt den Eindruck, die Bedeutung von Energieflüssen wird auf politischer Ebene überhaupt nicht verstanden.

Siehe auch:

  • Stichwort: Strategische Ellipse
  • Kurz vor seinem Rücktritt band Köhler seine energie- und außenpolitischen Überlegungen in seine Rede im Weltverkehrsforum in Leipzig 2010 ein und empfahl als Lokalstrategie den Transition-Ansatz: Videoausschnitt aus der Rede

Weiteres:

Zur Ukraine:

Vankor: Russlands größtes Ölfeld schon am Peak?

Reuters meldet, dass Rosneft die die vorhergesagten Fördermengen des größten Ölfelds Russlands Vankor nach unten angepasst hat. Laut Reuters ist das Ölfeld daher wichtig, weil es sowohl gen Westen wie auch gen Osten liefern kann. Rosneft sagt gegenüber Reuters:

"In the event of possible deviations, existing agreements and the most profitable supply routes will be prioritised."

"Im Fall möglicher Abweichungen (von der Produktion) werden bestehende Verträge und die profitabelsten Lieferrouten priorisiert."

Was nichts anderes heißt wie: Wer die besten Verträge mit dem Ölförderer macht oder gemacht hat, und wer am meisten zahlt, kriegt das Öl.

Diese Entwicklung ist angesichts dessen bedeutsam, dass Russland in 2012 für 36% der Öllieferungen nach Deutschland verantwortlich war und die russischen Ölfirmen ihre Liefermöglichkeiten nach China stark ausbauen. Bereits im Juni wurden sehr überschaubare Wachstumszahlen für die Ölförderung Rosnefts gemeldet verbunden mit intensiveren Geschäftsverbindungen nach China. China macht sich dabei den strategischen Vorteil zunutze, den Reuters "Cash now, Oil later" nennt: Vorabzahlungen auf später zu lieferndes Öl. Die absehbaren Steigerungen, die Rosneft für seine Ölförderung anstrebt (von 4,2 Millionen Barrel pro Tag heute auf 4,4 Millionen Barrel pro Tag in 2020) reichen nicht ansatzweise, um das chinesische Bedarfswachstum zu decken. Reuters nennt für China einen erwarteten Bedarf von 9,2 Millionen Barrel Öl am Tag in 2020. China importierte 2012 4,7 Millionen Barrel Rohöl täglich, das sind 700.000 Barrel Tagesimporte mehr als noch ein Jahr zuvor. Russland wird einen Großteil des Bedarfswachstums decken wollen/müssen. Wenn Rosneft nun noch seine Förderaussichten kürzt, wird das Verhältnis von Ölangebot und Ölnachfrage, dem in Russland vor allem Europa und China gegenüberstehen, arg strapaziert. Rosneft und China vereinbarten auch eine gemeinsame Erkundung neuer Ölfelder in Sibirien und dem Fernen Osten. Mögliche Funde sollen laut RiaNovosti gen Asien fließen.

Im Juni kam hier die Aussicht auf, die seit 2011 existierende Lücke zwischen dem für den US-amerikanischen Markt gültigen WTI-Preis und dem für den europäischen Markt gültigen Brent-Ölpreis würde sich wieder schließen. Doch auch heute klaffen 10 US$ als Preislücke zwischen Europa (Brent: ca. 107 US$) und den USA (WTI: ca. 97 US$), was angesichts der europäisch-russisch-chinesischen Ölsituation die Frage aufbringt: Steht der Ölmarkt mit dem Erreichen der vielen lokalen Ölfördermaxima vor einer Spaltung? Wird sich wie beim Gas eine stärkere Differenzierung der nordamerikanischen und der europäisch-eurasischen Situation ergeben, die jeweils unterschiedliche Versorgungsstrukturen und unterschiedliche Preise hervorbringt? Wenn Russland sich die Importabhängigkeit der (den Peak hinter sich habenden) Europäer und der aufstrebenden chinesischen Volkswirtschaft zunutze macht, könnten zwischen diesen Handelspartnern bald ganz andere Preise akzeptabel sein, als in den USA, die dank Fracking derzeit eine (relative) lokale Überversorgung haben, auch wenn sie die Öl-Selbstversorgung (trotz anderslautender Medienberichte) nicht erreichen.

 

Weitere Infos:

China: Ölimportweltmeister.

Felix Lee, der für DIE ZEIT ein Blog über China schreibt, hat auf der EIA-Webseite die Vorhersage entdeckt, dass China bereits in diesem Oktober die USA als Ölimportweltmeister überholten könnte. dpa meldet zur Stunde, dass die Ölimport-Weltmeisterschaft schon im September einen neuen Weltmeister hat: 6,3 Millionen Barrel Tagesimporte hat China im September gebraucht, die USA "nur" 6,1 Millionen Barrel täglich. Zusammen importieren beide Länder also etwa das Fünffache des deutschen Tagesbedarfs (2,4 Millionen Barrel täglich). Die Ölimportweltmeisterschaft hat also schon einen Monat früher als gedacht die Führungsposition gewechselt.

Leider wiederholt Lee denselben Unsinn, der auch in anderen Publikationen immer wieder aufscheint, wie beispielsweise jüngst in der WELT. In beiden Zeitungen wird suggiert, die USA könnten zum Selbstversorger mit Öl und Gas werden. DIE WELT läßt sich zu dieser Suggestion von Peter Jackson von IHS Cera hinreißen: "Die Wandlung der USA zum Selbstversorger und perspektivisch sogar Exporteur von Brennstoffen wird die Märkte verändern, sagte Jackson." Auch in der ZEIT ist es das Fracking, welches Felix Lee verleitet zu suggerieren, es könne "die USA sogar am Ende unabhängig von Ölimporten machen". Bei der WELT wird die Öl- und Gasförderung zu "Öläquivalenten" vermischt, obwohl die Fahrzeugflotte der USA mit Erdgas als Treibstoff nichts anfangen kann. Im ZEIT-Blog wird wird begründungslos wiedergekaut, was die Kollegen der WELT und anderer Publikationen schon ordentlich vorsuggeriert haben, den Spin-Doktoren im Dienste der Interessengruppen sei Dank. Entsprechend kommt Lee zu Schlußfolgerungen, deren Fundament unrealistisch ist: "Wenn die USA kein Geld mehr für Öl zahlen müssen, dann könnten sie ..." Werden sie aber weiterhin müssen, denn selbst der Fracking-Papst Leonardo Maugeri schrieb jüngst, dass allerhöchstens 75% Selbstversorgungsgrad mit Öl für die USA möglich wäre, was weiterhin 25% Importabhängigkeit bedeuten würde. Dass Maugeri den USA Effizienzmaßnahmen empfiehlt, um mit dem vorhandenen Öl sparsamer umzugehen, sind ganz neue Töne, die jedoch leider in der Fracking-Euphorie untergehen und ihren Weg noch nicht zu ZEIT und WELT gefunden haben.

Dass China Ölimportweltmeister ist, liegt am steigenden Selbstversorgungsgrad der USA und am steigenden Ölhunger Chinas. Felix Lee verweist darauf, dass in China bislang "nur" 70 PKW auf 1000 Einwohner kommen, während es im weltweiten Durchschnitt 120 sind und in Deutschland 600. Wenn die Bürger Chinas nur ansatzweise eine ähnliche PKW-Dichte anstreben, wird aus dem Ölimportweltmeister eine globale Horrorsituation: denn die dafür benötigten Ölmengen wären nicht ansatzweise lieferbar. Wo China jetzt Weltmeister ist, gibt es keinen mehr, den das Land mit seinen künftigen Importmengen überholen kann. In der Formel 1 würde man sagen: Auf dem Weg nach vorn gibt es jetzt keinen mehr, der noch im Wege ist... Gib Gas!

Die Meldung der neuen Ölimportrekorde Chinas sind insbesondere für Europäer kein Grund zur Freude. China wird voraussichtlich der künftige Haupt-Konkurrent um russisches Erdöl werden, wobei China sehr viel strategischer vorgeht, um sich Ölfördermengen schon vorab zu sichern. Die große Freude im ZEIT-Blog, das Ergebnis der chinesischen Ölimportrekorde könnte zu einer ausgeglicheneren Handelsbilanz zwischen den USA und China führen, ist nur unter völliger Ignoranz der globalen Ölfördersituation verständlich. Leider hat das Peak-Oil-Konzept seinen Weg noch nicht in jede Redaktion gefunden...

 

Nachtrag:

China kauft Kasachstan

Nein, so weit ist es dann doch noch nicht, dass China das postsowjetische Land kauft, das fünfmal so groß wie Frankreich ist, in dem aber nur 17 Millionen Menschen leben. Aber: Chinas National Petroleum Corporation (CNPC) kauft einen Anteil von 8,33% am derzeit wichtigsten und zugleich teuersten Ölfeld der Welt: Kashagan. Der Anteil, den die US-Firma ConocoPhillips ursprünglich an die indische Oil und Natural Gas Corporation (ONGC) verkaufen wollte, wandert jetzt durch ein Vorkaufsrecht des kasachischen Staates an Indiens großen Nachbarn. Das dürfte Indien, die mit dem Deal einen Fuß in die kasachische Öltür bekommen wollten und dessen Ölbedarf rasant wächst, nicht gefallen.

Der Deal zeigt, wie strategisch China vorgeht, um seinen künftigen Bedarf an Öl zu decken. Nicht nur ein Verkaufspreis von 5 Milliarden US$ wird genannt, sondern auch 3 Milliarden Investitionszulagen für die zweite Phase der Kashagan-Erschließung sowie Kreditlinien in Höhe von 3 bis 5 Milliarden US$ von der China Development Bank und der Import-Export-Bank of China. Nicht explizit in den Presseberichten wird gesagt, ob der Deal tatsächlich auf US$ lautet oder ob die chinesische Währung oder Tauschgeschäfte darüber hinaus eine Rolle spielen (wie immer wieder zwischen Indien und Iran diskutiert).

In Kashagan sollen 35 Milliarden Barrel Öl lagern, von denen zwischen 9 und 13 Milliarden förderbar sein sollen. Außerdem werden bis zu eine Billion Kubikmeter Erdgas vermutet. In den vergangenen 13 Jahren hat ein Konsortium verschiedener Ölfirmen über 50 Milliarden US$ in die Erschließung investiert, das sind zwischen 3,8 und 5,6 US$ pro förderbarem Barrel. Dennoch gilt das Feld als finanzielle Enttäuschung, seine Erschließung als "teuer". 2011 hieß es noch, das Feld würde 2012 fördern. Heute soll nun die erste Probeförderung beginnen und die kommerzielle Ausbeutung in 3 bis 4 Wochen starten. 180.000 Barrel pro Tag kommen dann zusätzlich auf den Ölmarkt, Kasachstan selbst benötigt etwa 250.000 Barrel am Tag. Zum Vergleich: 40.000.000 Barrel Tagesförderkapazitäten müssen laut Internationaler Energieagentur bis 2035 ans Ölnetz gehen, um die durch rückläufige Förderraten der alten Felder und steigenden Ölbedarf der Schwellenländer entstehende Versorgungslücke auszugleichen. Die zweite Ausbaustufe soll zu einer Gesamtkapazität der Kashagan-Förderung von 370.000 Barrel ab 2015 führen. Um die Ölversorgungslücke bis 2035 zu schließen, müssten in den kommenden 20 Jahren also mehr als 100 Ölfelder von der Dimension Kashagans erschlossen werden. (Und die Kashagan-Erschließung hat 13 Jahre (!) gedauert!)

Zweifellos werden die Anteilseigner an Kashagan bevorzugt beliefert. Italiens ENI, die US-Firmen ExxonMobil und Shell, Frankreichs Total und der kasachische Konzern KazMunaiGas halten jeweils ganz demokratisch geteilte 16,81%. Chinas CNPC steigt jetzt mit 8,33% ein und Japans Inpex gehören 7,56%.

Pressereflektionen:

Anderes: