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Blut der Welt – eine Filmkritik

Am 16. und 17. November zeigte das ZDF eine sehr aktuelle Dokumentation, die sich in zwei Teilen mit dem "Blut der Welt" befasste: Dem Erdöl. Dabei geben die Filmemacher sehr anschaulich und hochaktuell Einblicke in die weltweite Ölförderung, lassen Akteure der grade frisch eröffneten Nordstream-Pipeline zu Wort kommen (Ex-Kanzler Gerhard Schröder und jetzt Aufsichtsratschef des Projekts), beleuchten die modernen Fördertechniken und Explorationswege für Öl und Gas, lassen Peak-Oil-Warner wie Colin Campbell zu Wort kommen und umreißen damit recht umfassend die Ausbeutung der globalen Energierohstoffe.

Im Zentrum der Dokumentation steht dabei die Frage, wie weit die Reserven noch reichen und ob wir uns am Ende des Ölzeitalters befinden. Das Finale zu dieser Frage bestreiten Claudia Kempfert vom DIW, die uns am Anfang vom Ende des Ölzeitalters sieht und Rainer Seele, Wintershall Vorstandschef, der darauf antwortet: "Nein, wir sind noch mittendrin!"

Seele ist dabei der gefühlte Treiber der Sendung. In unhinterfragbarer Härte steht er hinter den Aktivitäten seiner Firma, die Öl und Gas weltweit fördert. Seine Mission ist klar, die Wichtigkeit des Vorhabens wird angesichts der dokumentierten Abhängigkeit unserer modernen Welt von Energie allgemein und Öl im Speziellen sichtbar. Diese Härte kann man als "Verzweiflung" einer Branche interpretieren, man kann sie jedoch auch als logische Folge des menschlichen Forschungs- und Eroberungsdrangs sehen - und Reiner Seele verkörpert den Oberbefehlshaber der Ingenieursarmeen.

Militärische Klänge werden von den Filmemachern offenbar bewusst eingesetzt. Nicht nur die Musik und Soundkulisse, auch die Bilder insbesondere im ersten Teil der Doku zeigen, wie eng Öl und Krieg zusammenhängen. Die Energierohstoffe, soviel macht die Doku deutlich, werden sich kaum ohne Konflikte fördern lassen. Auch hier gibt Seele filmisches Material her, als er fordert, Europa müsse gegenüber China "sehr genau die Trumpfkarten ausspielen", um sich in der "knallharten Wettbewerbssituation" nicht das Öl vom Brot nehmen zu lassen. Direkte Partnerschaften mit den Förderländern fordert er und schlägt damit in jene Kerbe, die auch die Bundeswehr-Studie bereits ansprach: Die Welt könnte künftig durch viel mehr bilaterale Beziehungen statt internationalen Gremien geprägt sein.

Was der Doku fehlt sind zwei Aspekte. Da sie den Fokus auf die Förderstrategien legt, spielt die "Preisfrage" genauso wenig eine Rolle wie die Klimafrage. Es wird offensichtlich, dass die interviewten Akteure gewillt sind, jeden Tropfen aus dem Boden zu holen, zumal ihnen die Abhängigkeit unseres Wirtschaftssystems vom Rohstoff bekannt ist. Die Umwandlung der Kohlenwasserstoffe in Kohlendioxid und dessen Wirkungen in der Atmosphäre wird in der Doku nicht thematisiert, dabei wäre sie logische Folge des Wegs von der Förderquelle über die Pipelines bis zum Auspuff. Die Klimafrage erlaubt es eigentlich nicht, den Weg der interviewten Automobilisten (Dieter Zetsche) und der Förderer mitzugehen, aber die Doku hinterfragt diesen Punkt nicht, sie konzentriert sich allein auf die Förderfrage. Dass ein Preisanstieg bei Öl nur eine Zeitfrage ist, kommt an vielen Stellen der Gespräche heraus, wird doch verdeutlicht, dass die ausgefeiltere Fördertechnik und der höhere Förderaufwand kostspieliger ist. Doch mit welchen Preisen künftig zu rechnen ist als auch, wie diese Preise im betriebs- und volkswirtschaftlichen Zusammenspiel auf die Gesamtwirtschaft wirken, wird zumindest in diesen beiden Teilen nicht thematisiert.

4 Kommentare to “Blut der Welt – eine Filmkritik”

  1. Ulf Bunge sagt:

    Hallo,
    Danke für diese treffende Kritik. Ich hätte es nicht besser sagen können. In D hätte ich auch nicht mehr erwartet. In anderem Teilen der Welt ist das Bewusstsein zum Thema peakoil, Klimawandel und Endlichkeit unserer Ressourcen in meinen Augen deutlich weiter entwickelt.
    Gruß, Danke und weiter so
    Ulf

  2. suklatapatu sagt:

    Es gibt keinen rationalen Grund Öl zu sparen. Wenn es sich um einen nachwachsenden Rohstoff handeln würde, wäre es sinnvoll denn Verbrauch der Neuproduktion anzupassen um ein Gleichgewicht zu erreichen. Da die fossilen Energieträger jedoch definitiv irgendwann erschöpft sein werden, macht es keinen Sinn mit Aufwand zu sparen. Leer ist es irgendwann, ob wir sparen oder nicht. Der Zeitpunkt würde sich lediglich etwas verschieben, und das auch nur dann, wenn alle sparen.
    Wenn eines Tages die Erschließungskosten extrem in die Höhe gehen werden, werden Alternativen ganz von alleine und ohne staatliche Förderprogramme wirtschaftlich. Dann wird es wenige Jahre brauchen bis diese privat entwickelt und einsatzbereit sind. Ganz aus dem Eigeninteresse der Menschen heraus. Im Gegenteil könnte ein durch unnötige Belastungen gebremstes Wirtschaftswachstum die Entwicklung neuer Technologieen sogar verzögern und so Schaden erzeugen.
    Folglich ist es vernüftig einfach so weiter zu machen wie bissher.

    • Ulf Bunge sagt:

      Hallo suklatapatu,

      wenn es so einfach wäre und nur um die Energie ginge. Schön wäre es!!

      Öl ist mit der Petrochemie für so viel in unserem Leben wichtig (Dünger, Plastik, …), dass ein großer Teil unserer Lebensgrundlage in Frage gestellt wird. Meine Empfehlung:

      1) The oil crash – a crude awakening
      2) crude – the incredible journey of oil, auf abc science

      Danach wirst Du sicher etwas anders denken. Viel Spaß beim Schauen, es sind sehr interessante Dokumentation auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.

      Gruß
      Ulf.

  3. suklatapatu sagt:

    Hallo Herr Bunge,
    Sie haben natürlich recht !
    Ich “freue” mich ja schon so sehr auf den Zeitpunkt, wenn Russland, Kanada, die USA und andere damit beginnen, Tiefseebohrungen am Nordpol durchzuführen (der Klimaerwärmung sei Dank). Das dürfte dann so etwa in 10 Jahren der Fall sein.

    Dann wird man ein weiteres Ökosystem zum Kollaps gebracht haben und die Nahrungskette ist dann noch ein Stückchen vergifteter, dass dürfte dann aber auch egal sein. Die Meere sind dann sowieso schon leergefischt und verpestet.

    Auch wenn Öl kein nachwachsender Rohstoff ist, so sollten auch in diesem Bereich die Prinzipien einer wirklich rationalen, ressourcenbasierten Ökonomie greifen. Es ist nämlich allenfalls kurzfristig rational, für die Förderung schwer erschließbarer Ölreserven die Zerstörung bisher relativ intakter Ökosysteme in Kauf zu nehmen. So, wie es bis jetzt gemacht wurde, lässt sich das mit 7 Mrd. nach Wohlstand strebenden Menschen nicht mehr lange durchhalten. Alles andere als ein Umdenken wäre wirklich irrational und kurzsichtig.

Diesen Eintrag kommentieren: suklatapatu

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