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2 Euro pro Liter Benzin in Italien, Saudi Arabien will Ölförderung erhöhen

In Italien ist es nicht nur eine einzelne Tankstelle (wie kürzlich in Paris), wo Benzin 2 Euro kostet. Dort werden die 2 Euro derzeit eher zum Standard. 30% mehr ÖPNV-Fahrgäste sind zu verzeichnen. Schön, wenn es ÖPNV gibt. In Deutschland gibt der ADAC Tank-Tipps: Kaufen Sie nur soviel Sprit, wie Sie unbedingt brauchen, wenn der Preis hoch ist! Kaufen Sie mehr, wenn er runter geht. Vergleichen Sie Preise. Tanken Sie im Ausland! Aha. Bei 1,70 Euro pro Liter findet sich das Thema in den Medien wieder - doch die ADAC-Tipps gehen natürlich am Kern vorbei. Und überhaupt: Die Autofahrer zahlen pro Monat 98 Millionen Euro zuviel, weil die Konzerne 4,7 Cent pro Liter extra kassieren - so zitiert die BiLD eine Studie von EnergyComment, erstellt im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion. Doch so einfach ist das nicht, denn wer sagt denn, wie hoch die Umsatzrenditen von privaten Unternehmen sein dürfen? Klaus Bergmann von esyoil verweist darauf, daß 80% der globalen Ölkonzerne Staatskonzerne sind, deren Gewinne in den Staatshaushalt fließen. Die Margen der Konzerne mögen nach viel aussehen, wenn man sie mit "100 Millionen Euro" in die Schlagzeile packt, setzt man sie jedoch ins Verhältnis zum Gesamtspritpreis so sind es ein paar popelige Prozente: Was sind schon 4,7 Cent pro Liter, wenn wir bei 1,70 oder gar 2 Euro angelangt sind? Das Problem liegt doch offenbar ganz woanders: Nämlich darin, dass die globale Ölförderung Grenzen erreicht, während die Ölabhängigkeit weiter fröhlich gesellschaftlich akzeptiert ist und keine Gesellschaftsmodelle diskutabel sind, die ohne Erdöl funktionieren. Peak Oil eben.

Wenn jetzt bei 1,70 Euro bereits Tankpanik ausbricht, was soll es werden, wenn der Ölpreis tatsächlich auf 200 Dollar steigt und Benzin 2,50 Euro kostet? Hat der ÖPNV überhaupt ausreichend Kapazitäten, um die Nachfrage nach seinen Mobilitätsdiensten befriedigen zu können? Berlin bekommt ja nichtmal seine S-Bahn in den Griff, in der Dauerkrise in der Hauptstadt werden weitere Züge gestrichen. Angeblich ist die S-Bahn-Versorgung der Hauptstadt heute schlechter als vor dem 2. Weltkrieg. Der geplante Mehdorn-Börsengang der Bahn hat vor Jahren das Reparaturpersonal "freigesetzt" und sorgt nun für defekte Züge und fehlende Fachleute. Dass die Berliner S-Bahn 30% mehr Fahrgäste aufnehmen könnte, ist fraglich. Doch wie sieht die Situation in anderen Kommunen aus? Etwas besser bestimmt, aber der ÖPNV war in den vergangenen Jahren oft Stiefkind, während für das Auto nur das Beste gegeben wurde. Was ändert sich, wenn der Sprit auch in Deutschland 2 Euro pro Liter kostet?

Wie in den vergangenen Tagen zu lesen war, kommt der arabische Retter in der Not: Saudi Arabien signalisiert, seine Ölförderung jederzeit um 25% steigern zu können, um die hohen Ölpreise zu drücken. Dazu lieferte der Ölstaat nicht nur freie Förderdaten an die relativ unabhängige Datenbank JODIData, sondern verbreitete auch die Meldung, dass die saudische Ölförderung im Januar ein 31-Jahres-Hoch erreichte: 9,87 Millionen Fass Erdöl pro Tag wurden aus dem Boden geholt wovon 7,51 Millionen Fass für den Export bereitgestellt wurden. Die Lager sind mit 254.6 Millionen Barrel voll, so dass sogar außerhalb des Landes Läger gefüllt werden. Die Saudis wollen sagen: Wir fördern mehr, als die Welt uns abkauft und wir können lässig nochmal 25% drauflegen und auf über 12,5 Millionen Barrel steigern. Die US-Regierung erbittet weitere Steigerungen für den Sommer. 2,5 Millionen Barrel mehr, das ist genau die Menge, die der Iran 2009 täglich exportierte. Der Krieg kann kommen, heißt das. Wir Saudis liefern, was die Iranis möglicherweise nicht liefern können.

Öl- und Gasfelder in Saudi Arabien, Quelle: EIA, Saudi Aramco, TheOilDrum

Die Ankündigung selbst hatte eher marginale Effekte. Zwar sank der Ölpreis ein wenig, aber wir sind weiterhin bei einem Level von 125 Dollar für die Ölsorte Brent. Auf TheOilDrum erschien passend ein Artikel und interessante Kommentare zur Ölförderung in Saudi Arabien, die folgendes in Erinnerung rufen:

  1. Öl ist nicht gleich Öl. Öl unterschiedlicher Qualitäten muss unterschiedlich verarbeitet werden. Der Schwefelgehalt ist ein wichtiger Aspekt, sowie die "Schwere" des Stoffs. Nur wenn passende Raffinerien freie Kapazitäten haben, kann auch Öl schlechterer Qualität nutzbar gemacht werden. Es nützt wenig, es zu fördern, wenn dann keine Verarbeitungskapazitäten frei sind.
  2. Auch Felder in Saudi Arabien haben lokale Peaks hinter sich. Das größte Ölfeld der Welt, Ghawar, wurde in den 1940ern gefunden, erreichte seinen Peak mit 5,7 Millionen Fass 1981 und liefert heute noch etwa 5 Millionen Fass pro Tag. Das ist viel, und die Abfallrate ist offenbar sehr gering, aber es ändert wenig an der Ironie der Ölförderung: Je mehr wir fördern, umso schneller leeren sich die Reservoirs. Saudi Arabiens Ankündigung, die Produktion zu steigern, hat kurzfristig preissenkende Effekte. Aber es verlängert die Öl-Sucht der Welt und verkürzt zugleich das Ölzeitalter.
  3. Der Eigenverbrauch der OPEC-Staaten nimmt rapide zu, vor allem in Saudi Arabien. Relevant für Ölimporteure wie die EU oder Deutschland ist jedoch nicht, was Saudi Arabien fördert, sondern was es exportiert. Kurzfristig mag Saudi Arabien deshalb den Markt beeinflussen, mittel- bis langfristig ist die saudische Ankündigung eine Beruhigungspille gegen den akuten Infarkt bei gleichbleibend ungesundem Lebensstil:

Die Internationale Energieagentur weist in ihrem monatlichen Marktbericht darauf hin, dass die Industrielager in den Industrieländern (OECD) unter dem 5-Jahres-Durchschnitt liegen und dass die Fördernationen (OPEC) nur noch 3 Millionen Barrel freie Förderkapazitäten haben. Wenn allein auf Saudi Arabien 2,5 Millionen Barrel entfallen, bleiben winzige 500.000 Barrel freie Kapazitäten für alle anderen OPEC-Länder. Solch enger Spielraum zeigt einerseits die Bedeutung der Saudis für die globale Ölversorgung, andererseits wie stark wir uns bereits in einem Peak-Oil-Umfeld befinden und wie eng der Markt ist.

Der Marktbericht weist auch darauf hin, dass die Shale-Öl-Förderung in den USA 25 bis 35 Jahre gleichbleibendes Wachstum bei den aktuellen Steigerungsraten braucht, um die USA wirklich zum Öl-Selbstversorger zu machen. Das sind Größenordnungen, die den Hype um Shale Oil relativieren.

1 Kommentar to “2 Euro pro Liter Benzin in Italien, Saudi Arabien will Ölförderung erhöhen”

  1. Sukram sagt:

    Hohe Benzinpreise und Krise: Italiener verzichten aufs Auto


    …Seit die Regierung Monti zu Jahresbeginn die Benzinsteuer erhöht hat, ist die Zahl der verkauften Jahreskarten für das öffentliche Verkehrsmittelnetz in Mailand um 20 Prozent gestiegen, bei den Monatskarten wurde ein Plus von 33 Prozent gemeldet. Der römische Nahverkehrbetreiber Cotral meldete seit Jahresbeginn ein 17-prozentiges Wachstum bei den verkauften Fahrkarten, berichtete die römische Tageszeitung “La Repubblica” am Sonntag.
    Taxifahrer in der “Ewigen Stadt”, die täglich mit einem chronisch belasteten Verkehrssystem zu kämpfen hatten, staunen…

    http://www.nachrichten.at/nachrichten/wirtschaft/art15,846970

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