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Kann ökonomisches Wachstum dauerhaft funktionieren?

Ein Artikel von Prof. Tom Murphy von Do the Math, übersetzt von Tom Schülke und Benedikt Oelmann. Im Original heißt er Can Economic Growth Last?, wurde im Juli 2011 veröffentlicht und gehört zu den meistgelesenen des Blogs. Obwohl dieser Artikel Peak Oil nicht direkt behandelt, sind die darin gemachten Überlegungen doch fundamental für die Ausrichtung unserer Wirtschaft - und gehören daher in denselben Kontext wie die Frage nach dem globalen Ölfördermaximum.

 

Wie wir im vorhergehenden Artikel gesehen haben, ist der Energieverbrauch der USA seit 1650 mit einer typischen Rate von 2,9% gewachsen. Wir haben gelernt, dass ein Wachstum des Energieverbrauchs zu einer Kopplung mit der Oberflächentemperatur der Erde führen wird, gleich, welche der verfügbaren Technologien wir anwenden. Und, dass schon in wenigen hundert Jahren die Auswirkung dann weniger der lauwarme Treibhauseffekt ist als vielmehr eine kochende Erdoberfläche. Beeinflusst dies (und wenn ja, dann wie?) unsere Langzeiterwartungen zum Treibhauseffekt?

Abbildung 1: Weltwirtschaftswachstum des letzten Jahrhunderts, dargestellt in Dollarwerten von 1990. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts hing die Wachstumsrate der Weltwirtschaft der des Energieaufwandes (2,9%) hinterher. Seitdem sie aber bis auf 5% gewachsen ist, überflügelt sie diese.

Die Grafik stellt die Rate des globalen ökonomischen Wachstums über das letzte Jahrhundert dar, rekonstruiert von J.Bradford DeLong. Zunächst wuchs die Weltwirtschaft mit einer Rate, die unter der des Wachstums des Energieverbrauchs lag. Seit 1950 übersteigt die Wachstumsrate der Wirtschaft die des Energieverbrauchs, mit einer Zunahme von 5% pro Jahr. Das könnte als gute Nachricht verstanden werden: Wir benötigen nicht unbedingt physikalisches Wachstum, um das Wachstum der Wirtschaft zu erhalten. Wir müssen jedoch erst einmal die Quelle dieses zusätzlichen Wachstums verstehen, bevor wir uns sicher sein können, dass dieses Wachstum wirklich dauerhaft anhalten kann. 50 Jahre Wachstum bedeuten nicht zwangsweise, dass es so für immer weiter gehen kann.

Die Differenz zwischen ökonomischem Wachstum und dem des Energieverbrauchs kann in Effizienzgewinne (wir erzeugen mehr wirtschaftliches Wachstum pro Energieeinheit) und anderweitige Zuwächse geteilt werden. Diese anderweitigen Zuwächse sind Wirtschaftssektoren, die nicht direkt an den Energieverbrauch gekoppelt sind. Grob definiert können dies Aktivitäten sein, die nichts mit energieverbrauchenden Herstellungsprozessen zu tun haben. Beispielsweise Finanzen, Immobilienwirtschaft, Innovationen und entsprechende Serviceleistungen. Mein Fokus als Physiker ist es, zu verstehen, ob die Unmöglichkeit physikalischen ewigen Wachstums (in Energieverbrauch, Nahrungsmittelproduktion und ressourcenverbrauchender Produktion) bedeutet, dass das Wachstum der Ökonomie ebenfalls zum Tode verurteilt ist oder sich sogar umkehren muss. Wir beginnen zunächst mit dem Thema Effizienz, um uns im Anschluss mehr mit ökonomischen Faktoren zu beschäftigen.

 

Der Unterschied zwischen exponentiellem und linearem Wachstum

Lassen sie uns zunächst klären, was ich meine, wenn ich von Wachstum spreche. Ich meine eine konstante Rate von Wachstum, Jahr für Jahr. Zum Beispiel bedeuten 5% Wachstum, dass die Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr um 5% gewachsen ist. Das führt zu exponentiellem, nicht linearem Wachstum. Der absolute Wachstumsanteil steigert sich somit Jahr für Jahr mit sich beschleunigender Geschwindigkeit. Wenn sie auch den Eindruck haben, dass exponentielles Wachstum dieser Art für unsere Wirtschaft auf Dauer unwahrscheinlich ist, sind wir uns einig. Diese Form des sich immer weiter beschleunigenden Wachstums ist jedoch das Fundament unserer derzeitigen Ökonomie. Deshalb sollten wir uns mit den Konsequenzen beschäftigen. Wenn sie meinen, wir könnten uns retten, indem wir unsere derzeitige Wirtschaft zu einer linear anwachsenden Wirtschaft umbauen, würde das in der Tat den Zeithorizont der Entwicklung dramatisch verändern, doch auch lineares Wachstum ist auf lange Sicht eine Sackgasse.

Lassen Sie uns unser Wachstum bei einem Wert von 5% festzurren und es zu einem linearen Wachstum umbauen. Wir erhalten somit einen konstanten absoluten Zuwachs, der jedes Jahr gleich ist und nicht einen gleichbleibenden Anteil des jeweiligen Vorjahres. Somit würden wir unsere Wirtschaft in 20 Jahren verdoppeln und in einem Jahrhundert verfünffachen (im Unterschied zu einer 132-fach größeren Wirtschaft bei exponentiellem Wachstum). Nach nur 20 Jahren wäre das anteilige Wachstum gegenüber dem Vorjahr auf 2,5% gesunken und nach einem Jahrhundert auf lediglich 1%. Lineares Wachstum würde somit das "Wirtschaftsbiest" aushungern und uns dazu zwingen, unserem derzeitigen schuldenbasierten Finanzsystem aus Krediten und Zinsen abzuschwören. In diesem Post geht es darum, ob wir unseren derzeitigen, exponentiellen Weg halten können.

Schrumpfende Effizienz: Kaninchen aus dem Hut

Es erscheint einleuchtend, dass gesteigerte Effizienz prinzipiell ausreichen würde, um dauerhaftes Wirtschaftswachstum zu ermöglichen, wenn die Verfügbarkeit von Energie stagniert. Die Idee ist einfach. Jedes Jahr erlauben uns Effizienzsteigerungen, weiter zu fahren, mehr Gebäude zu beleuchten und mehr Waren herzustellen als im Jahr davor. All das auf der Basis eines fixen Energiebudgets. Glücklicherweise unterstützen Marktkräfte eine Tendenz zu höherer Effizienz, so dass wir im Laufe der Zeit die Früchte einer konstanten Entwicklung ernten konnten und können. In dem Maß, in dem wir diesen Kniff dauerhaft umsetzen, könnten wir wirtschaftliches Wachstum und alle Institutionen, die davon abhängig sind (Investment, Kredite, Banken usw.) für alle Zeiten fortsetzen.

Aber: Wie oft können wir einen "Effizienzhasen" aus dem Hut hervorzaubern? Einmal abgesehen von Perpetuum-Mobile-Maschinen (fantastisch) und Wärmepumpen (real) können wir niemals eine Effizienz von 100% realisieren. Das erzwingt eine oberste Barriere für den Effizienzgewinn, den wir erreichen können. Bei einigen Geräten startet man mit einer Effizienz von zum Beispiel 50%, deren Leistung kann man maximal verdoppeln. Um einen Eindruck dafür zu bekommen, was wir durch Effizienzsteigerungen noch erreichen können und wie schnell wir das Effizienzmaximum erreichen können, lassen sie uns einen Blick in die Geschichte werfen.

Die Guten, die Schlechten, der Durchschnitt

Es gibt einige hervorstechende Beispiele für Effizienzsteigerungen. Kühlschränke zum Beispiel verbrauchen nur noch die Hälfte der Energie, die sie vor 35 Jahren verbraucht haben. Ein Familienauto kann mit einer Gallone Benzin ca. 40 Meilen fahren, 1970 kam es damit nur halb so weit. Beide Beispiele entsprechen einer Effizienzsteigerung von 2% pro Jahr, die Effizienz der Beispiele verdoppelt sich demzufolge in 35 Jahren.

Nicht alles hat derartig beeindruckende Effizienzsteigerungen erlebt. Die Boeing 747 setzte in den siebziger Jahren einen Standard für Effizienz im Luftverkehr, der bisher kaum wesentlich übertroffen wurde. Elektrische Motoren, Pumpen, Akkus, hydroelektrische Energie, elektrische Fernleitungen (und viele andere Beispiele) operieren an der Grenze ihrer theoretisch maximalen Effizienz, oftmals in einem Effizienzbereich um die 90%. Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke und Kernreaktoren haben im Laufe der Zeit nur vernachlässigbare Effizienzsteigerungen erlebt, weniger als ein Prozent pro Jahr.

Im Ganzen betrachtet können wir grob abschätzen, dass die Gesamteffizienz unserer Technik der letzen Jahrzehnte etwa 1% pro Jahr zugenommen hat, maximal 2, minimal 0%. Das entspricht einer Verdopplung aller 70 Jahre. Wie viele Verdopplungen der Effizienz sind noch zu erwarten?

Potenzielle Effizienzgewinne und deren Grenzen

Viele großtechnische Anlagen nutzen Wärmekraftmaschinen (z.B. Verbrennungsmotoren), um durch Verbrennung oder andere Wärmequellen nutzbare Energie zu gewinnen. Das gilt für Kraftwerke, die mit fossilen Energieträgern und Kernkraft arbeiten, deren Effizienz liegt zwischen 30 und 40%, sowie Autos, die Treibstoff mit etwa 15 bis 25% Effizienz in Bewegung umsetzen. Wärmekraftmaschinen sind deshalb verantwortlich für zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs in den USA (27% Transport, 36% elektrische Produktion und etwas in der Industrie). Die Notwendigkeit, dass die Entropie eines geschlossenen Systems niemals abnimmt, setzt feste Grenzen dafür, wie viel Effizienz man in einer Wärmekraftmaschine erreichen kann. Die theoretisch maximale Effizienz in Prozent ergibt sich aus der Gleichung 100×(Th−Tc)/Th, Th und Tc sind dabei absolute Temperaturen in Kelvin des heißen Teils der Wärmekraftmaschine und der kalten Umgebung. Ingenieurtechnische Grenzen verbieten es, in der Realität maximale Effizienz zu erreichen. In jedem Fall können Wärmekraftmaschinen, die bei Temperaturen zwischen 1500 Kelvin (was für ein Kraftwerk heiß ist) und Raumtemperatur arbeiten, höchstens 80% Effizienz erreichen. Somit ist ein Faktor 2 an Verbesserungen wahrscheinlich unmöglich in diesem, sehr großen, Bereich unserer Energieerzeugung.

Das Gegenteil von Wärmekraftmaschinen sind Wärmepumpen, die nur wenig Energie nutzen, um viel Energie zu bewegen. Klimaanlagen, Kühlschränke und einige Heizungssysteme basieren auf dieser Technik. Auf scheinbar magische Weise kann eine bestimmte Menge Wärmeenergie bewegt werden, wobei dafür weniger Energie benötigt wird, als die bewegte Menge groß ist. Bei Kühlgeräten ergibt sich die thermodynamische Effizienzgrenze aus 100×Tc/(Th−Tc), auch hier wird die Temperatur wieder in absoluten Einheiten ausgedrückt. Ein Kühlschrank (normalerweise ein Gefrierschrank mit aufgesetztem Kühlschrank) arbeitet bei Raumtemperatur und kann somit theoretisch eine Effizienz von 1100% erreichen. Der Energy Efficiency Ratio (EER), eine moderne Maßeinheit, die genutzt wird, um Kühlsysteme einzustufen, ist in der Theorie auf 3.4×Tc/(Th−Tc) begrenzt und liegt am Beispiel des Kühlschrankes bei 36. Heutige Kühlschränke erreichen einen EER von ungefähr 12, so dass lediglich ein Faktor 3 an theoretischen Verbesserungen möglich ist. Das Gleiche gilt für den Coefficient of Performance (COP) für Wärmepumpen, der mit Th/(Th−Tc) begrenzt ist. Wie Kühlschränke arbeiten diese Maschinen mit einem Faktor von nur 2-3 unter ihrem theoretischen Effizienzlimit.

Auch die Beleuchtung hat in den letzten Jahrzehnten großartige Effizienzsteigerungen erfahren. Beginnend mit Glühlampen, die 14 Lumen pro Watt schafften, dann Energiesparlampen, die eine vierfach bessere Effizienz von 50-60 Lumen pro Watt aufweisen und schließlich LED-Licht, das derzeit 60-80 Lumen pro Watt erreichen kann. Die perfekte Lichtquelle hätte ein Spektrum, das wir weiß nennen würden und käme dem Tageslicht gleich, würde aber idealerweise keinerlei Licht in Wellenlängen abstrahlen, die außerhalb unserer Wahrnehmung liegen. Eine solche Lichtquelle würde mit 251 Lumen pro Watt arbeiten. Die besten LEDs erreichen derzeit ein Drittel dieses physikalischen Limits.

Die Effizienz von benzinbetriebenen Fahrzeugen kann nicht mehr mit einem großen Faktor verbessert werden. Aber die effektive Effizienz kann noch deutlich verbessert werden, indem man zu elektrisch betriebenen Zügen übergeht. Während ein Wagen, der mit einer Gallone Benzin 40 Meilen weit fährt, eine Effizienz von 20% erreicht, kann ein batteriebetriebener Zug eine Effizienz von ca. 70% erreichen (85% beim Aufladen der Batterie, 85% bei Betrieb des Elektromotors). Somit ist eine Steigerung der Effizienz um den Faktor 3,5 auf 140 Meilen pro Gallone möglich. Dazu muss gesagt werden, dass, wenn die Energie von einem mit fossiler Energie betriebenen Kraftwerk bereitgestellt wird (das mit einem Wirkungsgrad von ca. 40% und 90% Kraftübertragungseffizienz arbeitet) die Effizienz insgesamt auf 25% reduziert wird, was somit keinen signifikanten Fortschritt gegenüber Standardautos mit einem Wirkungsgrad von 20% darstellt.

Wie oben angedeutet, arbeiten viele übliche Maschinen bereits mit nahezu perfekter Effizienz. Elektrische Geräte können besonders beeindruckend mit Energie umgehen. Energie, die nicht effektiv eingesetzt werden kann, erscheint als Abwärme. Für alle Maschinen, die nicht die Wärmeerzeugung zum Ziel haben, ist Reduktion der Abwärme ein schneller Weg, um die Effizienz zu steigern: Kraftwerke laufen heiß, Automotoren auch. Dem gegenüber stehen kalte Wasserkraftwerke, kalte LED Lichter und kalte Elektroautobatterien.

Zusammenfassung

Gesetzt dem Fall, dass zwei Drittel unserer Energieressourcen in Wärmekraftmaschinen verbrannt werden und das nicht wesentlich effizienter als mit einem Faktor von 2 realisiert werden kann, sind wesentliche Energieeffizienzgewinne, die anderswo erreicht werden, vernachlässigbar: Wenn zum Beispiel die 10% unseres Energiebudgets, die in der Produktion direkter Hitze (beispielsweise in Kaminen oder Wasserkochern) durch Wärmepumpen ersetzt würden, die an der Grenze ihrer maximalen theoretischen Effizienz arbeiten, würde sich der zehnprozentige Energieverbrauch auf einen Prozent Energieverbrauch verringern. Eine Verbesserung um den Faktor 10 klingt nach einem fantastischen Wert, bedeutet aber in unserem Fall für die gesamte Gesellschaft lediglich eine Verbesserung um 9%. Vergleichbar ist das mit dem Ersatz der Glühbirnen: Große Gewinne in einem sehr kleinen Teilbereich. Wir sollten diese Effizienzverbesserungen immer noch mit Nachdruck anstreben. Aber wir sollten nicht erwarten, dass diese Verbesserungen uns ewiges Wachstum ermöglichen.

Das Beste, was wir zu erreichen erwarten können, ist ein Faktor 2 an Nettoeffizienzgewinnen. Bei der derzeitigen durchschnittlichen Effizienzsteigerungsrate von 1% bedeutet das, dass wir im Laufe dieses Jahrhunderts keine weiteren Steigerungen mehr erwarten dürfen. Manche mögen herumkritisieren, dass der Faktor 2 zu pessimistisch ist und einen Faktor von drei oder vier an Effizienzgewinnen für wahrscheinlicher halten. Solche Veränderungen können zwar die Zeit verlängern, bis wir an die Grenzen unserer Effizienzsteigerungen gelangen, am Endergebnis, dass Wirtschaftswachstum allein über diese Form der Effizienzsteigerungen nicht dauerhaft möglich ist, ändert es nichts.

Der Glaube an die Technik

Wir haben einen unerschütterlichen Glauben in die Technik entwickelt: Technik kann alle Probleme lösen. Die Errungenschaften der Technologie sind beeindruckend. Ich persönlich kann an meinem Wohnzimmertisch in Kalifornien sitzen und einen Laserstrahl von New Mexiko aus auf Reflektoren schießen, die von Astronauten auf dem Mond platziert wurden. Die Distanz zum Mond kann ich somit bis auf einen Millimeter genau bestimmen. Ich habe einiges an dem System mitkonstruiert. Ich bin also kein Neuling in Sachen Technologie und begrüße die Möglichkeiten, die Technik uns bietet. Außerdem - wir haben die Zukunft doch schon gesehen - in unseren Filmen. Es ist doch schon fast Realität. Doch wir müssen vorsichtig mit unserem Glauben an die Technik sein und ihn von Zeit zu Zeit überprüfen - oder seine Grenzen. Im Folgenden einige Schlüsselbeispiele.

Wie sieht es mit Substituten aus?

Die vorangegangene Diskussion beschäftigte sich vorrangig mit moderner Technik. Kohlebefeuerte Kraftwerke? In Gottes Namen! Jede ernstzunehmende Diskussion über die langfristige Zukunft sollte die naheliegende Feststellung bedenken, dass zukünftige Lösungen anders aussehen werden als heutige. Möglicherweise haben wir noch nicht einmal einen Namen für die Energiequellen der Zukunft.

Erstens möchte ich Sie an dieser Stelle auf meinen älteren Artikel "Galaktischer Energieverbrauch" verweisen. Dauerhaftes Wachstum jeder beliebigen Energieversorgungstechnik auf unserem Planeten wird ihn schon mittelfristig zum Kochen bringen. Darüber hinaus treffen wir innerhalb weniger Jahrhunderte auf astrophysikalische und unüberwindbare Grenzen. Energetisches Wachstum muss nachlassen. Auch Effizienzsteigerungen können nicht gewährleisten, dass die uns zur Verfügung stehende effektive Energie grenzenlos wächst.

Zweitens könnten Sie sich die Frage stellen, ob erneuerbare Energien effizienter als fossile Energien sind, nur weil die Lieferung der Energie "umsonst" ist. Es ist wahr, dass, im Gegensatz zum Geschäftsmodell des Tintendruckers (billiger Drucker aber teure Tinte, die einen am Ende ruiniert), der wesentliche Anteil der Investitionen in erneuerbare Energien für den Aufbau der notwendigen Infrastruktur nötig ist. Fossile Energien kann man ebenfalls, trotz ihrer nicht-erneuerbaren Natur, als Geschenk der Natur betrachten. Um sie zu fördern, müssen wir Aufwand betreiben, wenngleich der Gewinn daraus den Aufwand weit übersteigt.

Der bedeutendste Wert der Effizienz einer Energiequelle ist der Energieerntefaktor: EROEI (Energy Return On Energy Invested, Energieerlös pro Energieinvestition). Fossile Energien hatten traditionell einen EROEI mit einem typischen Wert zwischen 20:1 und 100:1. Das bedeutet, dass vorab weniger als 5% des möglichen Energiegewinns zur Erschließung der Energiequelle investiert werden mussten. Solarenergie und Wind liegen bei weniger als 10:1 bzw. 18:1. Diese Technologien können es vermeiden, einen großen Teil der Energie als Abwärme zu verschwenden. Doch der niedrigere EROEI bedeutet, dass die Erschließung der Energiequelle höhere Anfangsinvestitionen an Energie bedeutet als die derzeitig so verlockenden fossilen Energien. Und ja: 15% Effizienz bei Solarzellen bedeutet, dass der größte Teil der verbleibenden 85% Energie das Aufheizen der dunklen Elemente der Solarpaneele bewirkt.

Wie sieht es damit aus, mit weniger Aufwand die gleichen Aufgaben zu bewältigen?

Energiegewinne kann man erreichen, indem man neue Geräte oder Techniken entwickelt, die dasselbe Ziel mit weniger Energie erreichen, anstelle der schrittweisen Effizienzsteigerung vorhandener Techniken. Dieses funktioniert in einigen Bereichen ganz fantastisch, beispielsweise bei neuen Computergenerationen, Smartphones oder dem Onlinebanking.

Einige Dinge jedoch lassen sich nicht so einfach optimieren oder ersetzen. Der globale Transport ist nichts anderes als das Verschieben von Materie gegen Wasser- oder Luftwiderstand über große Entfernungen, die sich auch in Zukunft nicht verringern werden. Kochen bedeutet das Erhitzen mahlzeitengroßer Portionen von Nahrung und Wasser. Heizen gegen die Winterkälte ist die Aufwendung einer bestimmten Menge thermaler Energie, entsprechend der Gebäudegröße. Eine heiße Dusche benötigt eine bestimmte Menge an Energie, um ein entsprechendes Wasservolumen zu erhitzen. Können all diese Dinge mit besseren aero- und hydrodynamischen Methoden oder durch langsameren Transport erreicht werden? Durch Nahrung, die zum Kochen weniger Energie benötigt? Isolation und Wärmepumpen? Durch Duschen, die weniger Wasser benötigen? Natürlich!

Kann das aber ewig so weiter gehen, so dass Wachstum für immer anhält? Nein. So lang, wie diese physikalisch begrenzten Aktivitäten eine bestimmte Menge unserer "Verfügungsmasse" in Anspruch nehmen, kann keine Form von Optimierung jemals ewiges Wachstum ermöglichen. Wenn es funktionieren sollte, dann wohl nur dadurch, dass unsere ökonomischen Aktivitäten hauptsächlich daraus bestehen, dass wir uns gegenseitig Dienste anbieten und weniger durch Wirtschaften mit materiellen Dingen.

Mehr bezahlen, um weniger zu bekommen

Besitzer von Solaranlagen oder Prius-Autos haben sich dazu entschieden, eine bedeutende Menge Geld auszugeben, um weniger Ressourcen zu verbrauchen. Manchmal sind diese Entscheidungen von mehr als nur monetären Überlegungen geleitet, sie rechnen sich nur über sehr lange Zeiträume und können sich, gegenüber den Opportunitätskosten, als nicht wettbewerbsfähig erweisen. Kann allgemeines soziales Pflichtbewusstsein genügen, um ökonomisches Wachstum voranzutreiben? Ich nehme an, dass es möglich ist. Doch die meisten Menschen interessieren sich erst dann dafür, wenn die Energiekosten hoch genug sind. Weiter unten werden wir sehen, dass, wenn die Ökonomie ihren Wachstumstrend fortsetzt, nachdem das Energiewachstum ausläuft, die Kosten von Energie nebensächlich niedrig werden und damit den Anreiz vernichten, mehr für weniger zu bezahlen.

Die „unphysikalische“ Ökonomie

Können wir in einer Welt der Zukunft, in der der Zuwachs an verfügbarer Energie ausläuft und in der Effizienzgewinne bis zu den physikalischen Grenzen getrieben wurden, immer noch Wachstum unserer Ökonomie erwarten? Durch Innovationen, Technologie und Dienstleistungen? Ein Weg, sich dieser Frage zu nähern ist, weiterhin 5% dauerhaftes Wachstum anzunehmen und zu betrachten, welcher Anteil ökonomischer Aktivität dann vom "energieunabhängigen" Teil der Wirtschaft kommen muss. Natürlich benötigt alle wirtschaftliche Aktivität Energie. Mit "unphysikalischer" oder "energieunabhängiger Ökonomie" meine ich solche Aktivitäten, die nur minimale Energieinputs benötigen und von denen die Wirtschaftswissenschaftler als "Entkopplung vom Energieverbrauch" träumen.

Wir beginnen, indem wir den Energieinput in einer gedämpften Kurve allmählich einem Maximum annähern lassen (eine Standard-S-Kurve), mit einem Wendepunkt im Jahr 2000 (auf dem halben Weg). Wir lassen dann die Effizienz unsere effektiv verfügbare Energie weiter ankurbeln: mit der derzeitigen Steigerungsrate von einem Prozent Zugewinn pro Jahr, bis sie bei einem Faktor von 2 gesättigt ist. Der Graph unten zeigt, wie dies aussehen könnte.

Abbildung 2: Der hochgerechnete Beitrag von energieunabhängigen wirtschaftlichen Aktivitäten zum ständigen Wachstum angesichts abflachender verfügbarer Rohenergie und der Sättigung der Effizienzgewinne. Die grüne Kurve steht für die jährlich verfügbare Rohenergie, während die blaue Kurve die Energieverfügbarkeit repräsentiert, welche durch Effizienzgewinne generiert wird. Die rote Kurve zeigt den prozentualen Anteil des energieunabhägig funktionierenden Wirtschaftsbereichs am der gesamten Wirtschaftsleistung (rechte Skala). Ungeachtet der Zeitskala ist es entscheidend, dass der energieunabhängige Teil der Wirtschaft soweit wachsen muss, bis er diese dominiert, um das Wachstum am Leben zu erhalten. Im Beispiel erreicht er zum Jahrhundertwechsel einen gesamtwirtschaftlichen Anteil von 98%. Das ist ein bislang ungetesteter - und wahrscheinlich physikalisch unhaltbarer - Wirtschaftszustand. Hinweis: Beachten sie, dass die linke Achse, die das Maß für die Wirtschaft ist, eine logarithmische Skala aufweist.

Die zeitliche Skalierung ist in dieser Betrachtung nicht das entscheidende Element. Das wichtigste Resultat ist, dass der Versuch, eine Ökonomie in einer Welt nachlassender Wachstumsraten in der Energieverfügbarkeit (unter Umständen begleitet von einem Nachlassen des Bevölkerungswachstums) und unter nachlassenden Effizienzgewinnen weiter am Wachsen zu halten, diese "andere Kategorie" von Wirtschaftsaktivitäten diese Ökonomie mehr und mehr dominieren müßte. Das würde bedeuten, dass lediglich ein immer weiter schrumpfender Anteil der Ökonomie stark von Energie abhängig sein dürfte, so dass Nahrungsmittelproduktion, Herstellungsprozesse, Transport und so weiter am Ende ökonomische Bedeutungslosigkeit erlangen müssten. Aktivitäten wie Verkauf und Kauf von Gebäuden, finanzielle Transaktionen, Innovationen (inklusive neuer Methoden, Geld in der Welt hin und her zu bewegen), Mode und Psychotherapien wären letztlich alles was bliebe. Konsequenterweise würde der Preis von Nahrung, Energie und Handwerk im Verhältnis zu den anderen Wirtschaftsbereichen auf ein vernachlässigbares Level sinken. Ist es realistisch, dass eine lebenswichtige Ressource an seiner physikalischen Grenze unbegrenzt billig wird? Bizarr.

In diesem Szenario gibt es viele Probleme: Wenn zum Beispiel die Nahrungsmittelproduktion auf 1% der Ökonomie schrumpft, während sie auf einem mit heute vergleichbaren Niveau bleibt (denn immerhin müssen wir weiterhin essen), dann wird die Nahrung vergleichsweise billig im Verhältnis zu den anderen Früchten einer solchen Ökonomie. Das hätte zur Folge, dass die Gehälter der Farmer weit unter das heutige Niveau sinken müssten, insbesondere im Verhältnis zu den Gehältern anderer Menschen. Sie könnten somit nicht von den Vorteilen und Fortschritten des Restes der Ökonomie profitieren. Subventionen oder Spenden würden nicht funktionieren, da sie im Laufe der Zeit das ewige Anschwellen der restlichen Ökonomie zu immer größeren Anteilen an der Gesamtökonomie unterbinden würden und somit das Wachstum limitieren würden.

Ein anderer Weg das Problem zu erfassen ist festzustellen,  dass ein fester Anteil der Bevölkerung in die Produktion von Nahrung involviert werden muss (da wir alle essen müssen) und dass somit der Preis für Nahrung nicht auf ein unbegrenzt kleines Niveau sinken kann. Die Ökonomie ist fest in einer physikalischen Welt verankert, die historisch immer auf Energieverbrauch angewiesen war (durch Nahrungsproduktion, Herstellungsprozesse und Transport). Es ist wunderlich, anzunehmen, dass eine Ökonomie sich von ihren physikalischen Wurzeln loslösen kann, um von Aktivitäten dominiert zu werden, die nichts mit Energie, Nahrung, Produktion und Transport zu tun haben.

Ich möchte nicht in Frage stellen, dass bestimmte Industrien wachsen können. Es wird immer Wachstum in einigen Sektoren der Wirtschaft geben. Aber das Nettowachstum der gesamten Wirtschaft hat absolute Grenzen. Wir können heute auf eine Reihe von Beispielen verweisen. Diese Dinge jedoch können nicht auf 90% dann 99,9% und schließlich 99,99% der Ökonomie wachsen, so wie es geschehen müsste, wenn die Ökonomie ewig wachsen soll.

Was bedeutet das alles für uns?

Wie im Artikel "Galaktischer Energieverbrauch" habe ich physikalische Analysen benutzt, um dafür zu argumentieren, dass ewiges Wachstum einer Ökonomie auf lange Sicht Fantasie ist. Für viele ist das natürlich ganz offensichtlich. Letztlich stellte sich schon Adam Smith eine 200-jährige Phase ökonomischen Wachstums, gefolgt von einem Gleichgewichtszustand, vor. Aber unsere Mentalität ist momentan auf Wachstum fixiert. Unsere ökonomischen Systeme sind auf Wachstum angewiesen, damit Investitionen, Kredite und Zinsen funktionieren. Wenn wir nicht gezielt und mit Vorbedacht eine Gleichgewichtsökonomie anstreben, riskieren wir einen vollständigen und nicht choreographierten Kollaps der gesamten Ökonomie.

Zugegebenermaßen ist das Argument, dass ökonomisches Wachstum zwangsläufig enden wird, kein rein physikalisches Resultat, anders als das Argument, dass physikalisches Wachstum enden wird und stellt somit eine Kompetenzüberschreitung meines eigentlichen Fachgebietes dar. Aber ich denke, dass wir neben physikalischen Grenzen auch die allgemeine menschliche Psychologie bedenken müssen. Die künstliche Welt, die wir uns vorstellen müssen, wenn wir ewiges wirtschaftliches Wachstum im Angesicht physikalischer Grenzen anstreben, erscheint mir grotesk und unhaltbar. Es wäre eine Existenz weit abseits uns bekannter Formen menschlicher Gesellschaften. Nicht jeder würde gerne ein Teil dieser verrückten Gesellschaft sein wollen, sondern stattdessen lieber sein Geld in physikalisch begrenzte Güter und Energie investieren wollen (die dann verdammt billig wären, so dass wenige Individuen mit Leichtigkeit alles davon besitzen könnten).

Wenn ich den letztendlich unausweichlichen Übergang in eine Postwachstumsökonomie akzeptiere, bin ich persönlich von der Tatsache irritiert, dass wir kein getestetes ökonomisches System haben, das auf Gleichgewichtseigenschaften basiert. Ich würde gerne einen konservativeren, risikoarmen Ansatz für die Zukunft finden, mit dem wir uns auf einen nachhaltigen Weg begeben. Es gibt gut entwickelte Modelle für Gleichgewichtsökonomien, zum Beispiel von einem der Pioniere, Herman Daly und anderen. Es gibt sogar Pläne für einen schrittweisen Übergang in eine Postwachstumsökonomie. Doch keiner dieser Schritte wird verfolgt werden, wenn die Menschen (die Politiker wählen), eine solche Ökonomie nicht anstreben. Der einzige Weg, Menschen dazu zu bringen, ist es, ihnen die Unmöglichkeit ewigen Wachstums und die Konsequenzen eines verspäteten Handelns deutlich zu machen. Ich hoffe, gemeinsam können wir klug genug sein, um diesen Übergang in eine Postwachstumsökonomie zu bewerkstelligen.

Danksagung: Danke an Brian Pierini für seine Durchsicht und seine Kommentare.

1 Kommentar to “Kann ökonomisches Wachstum dauerhaft funktionieren?”

  1. Stefan Wietzke sagt:

    Kenne den Artikel bereits aus dem Original und finde seine Analysen auch sehr unterhaltsam. Aber gerade dieser Artikel enthält zwei Fehler.

    Der erste betrifft das reale BIP-Wachstum. Das liegt nämlich selbst nach Weltbankangaben auch nach 1950 unter 4%. Eventuell wurde hier nominell mit real verwechselt. Hinzu kommt, dass es für die Zeit vor 1950 keinerlei verlässliche Daten gibt.

    Aber er will ja zeigen, dass auch eine Entkopplung nichts nützt. Daher vielleicht als Annahme in Ordnung.

    Der zweite Fehler liegt in der Interpretation von Abbildung 2. Es ist nämlich sehr wohl möglich Einkommen aus dem wachsenden “Nicht-Energie” Bereich in den anderen Bereich umzuverteilen. Nehmen wir an, das das 2% sind. Dann würde der “Energiebereich” immer 2% abbekommen. Das einzige, was dann passiert, ist das die “Dienstleistungsanteil” dann gegen 98% konvergiert und nicht mehr gegen 100%. Er kann aber unendlich weiter wachsen. Die Wachstumsrate ist dann zwar niedriger, aber trotzdem nendlich fortsetzbar.

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