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ExxonMobil zwischen Kurdistan, Irak und China

Der Irak ist eine der größten Ölhoffnungen: Ihm widmete der jüngste Jahresbericht (WEO) der Internationalen Energieagentur ein eigenes Kapitel. Dabei ist aus geostrategischer Sicht nicht nur wichtig, wie schnell die fünftgrößten Ölreserven der Welt ausgebeutet werden, sondern auch, durch wen das geschieht. SPIEGEL ONLINE berichtete jüngst, dass einer der drei großen chinesischen Energiekonzerne, PetroChina, den Anteil von Exxon Mobil an dessen südöstlichem Ölfeld West Kurna-1 (West Qurna 1) übernehmen könnte. West Kurna ist mit 43 Milliarden Barrel förderbaren Reserven das zweitgrößte Ölfeld der Welt, direkt nach dem saudischen Ölfeld Ghawar. Exxon Mobil hält seit Anfang 2010 60% an den Förderrechten, 15% hält Shell und 25% das irakische Staatsunternehmen Oil Exploration Company. Bis zum Sturz Saddam Husseins war es der russische Lukoil-Konzern, der West Kurna entwickelte, und der jetzt nur noch an West Kurna 2 beteiligt ist.

Seitdem die USA einen großen Teil ihrer Militärmaschinerie aus dem Irak abgezogen haben, verlieren die USA offenbar an Einfluss im Land. Dieser Einfluss betrifft demnach die ganze westliche Hemisphäre, wenn es chinesische Unternehmen sind, die nun die Förderrechte zugesprochen bekommen könnten. Die Entwicklung bekommt eine zusätzliche Dimension, da Exxon Mobil offenbar wegen seiner Förderdeals mit der autonomen Kurdenregion im irakischen Norden von der Zentralregierung aus dem Geschäft gedrängt wird. Die irakische Zentralregierung nennt Öldeals mit der kurdischen Autonomieregion illegal. Die Autonome Region Kurdistan bekam mit dem Ende des Irak-Kriegs einen Status, der das dortige Parlament berechtigt, irakischen Truppen Zugang zu gewähren oder diesen Zugang zu widerrufen. Kurden finden sich nicht nur im Irak, sondern auch im Iran, in Syrien und der Türkei. DIE WELT berichtete Ende November bereits von einer "neuen Front in Syriens Krieg", weil die dortigen kurdischstämmigen Menschen Partei ergreifen. Zwei kurdische autonome Gebiete - ein bestehendes im Irak und ein mögliches neues in Syrien - dürfte nicht im Interesse der Türkei liegen, die sich bereits in den Konflikt in Syrien einmischt und über die NATO-Mitgliedschaft ins westliche Bündnis eingebunden ist. Laut Stimme Russlands unterstützen westliche Länder den Aufbau einer kurdischen Armee in Syrien, um radikalislamische Entwicklungen in Schach zu halten. Wie sich dies mit den türkischen Interessen verträgt ist unklar. Die deutsche Bundeswehr wird in den kommenden Wochen mit 400 Soldaten und Patriot-Abwehrraketen auf türkischer Seite nahe der syrischen Grenze im Einsatz sein. Der Krieg im Irak, der im Nachgang zum 11. September 2001 begann, mag also vorbei sein, die Konflikte in der ölreichen strategischen Ellipse sind es nicht. Vielmehr ist zu lesen, dass ein neuer innerirakischer Konflikt nicht auszuschließen sei und sich möglicherweise eben an jenen Exxon-Deals festmacht. Die Washington Post zitiert Sami al-Askari, Parlamentsmitglied und Vertrauten des irakischen Premiers Nouri al-Maliki mit den Worten:

"Der Premierminister hat klargestellt: Wenn Exxon seine Finger an dieses Territorium legt, werden sie es mit der irakischen Armee zu tun bekommen. Wir wollen keinen Krieg, aber wir werden Krieg führen, für Öl und die irakische Souveränität."
Sami al-Askari

Und auch die Kurden sind in ihrer Wortwahl nicht zimperlich:

"Wir wollen keinen Krieg. Aber wenn Krieg kommt, dann sind alle kurdischen Menschen bereit zu kämpfen."

Der kurdische Regionalpräsident Massoud Barzani

Dann dürften die Irak-Hoffnungen der IEA jäh zerplatzen und die Ölpreise die Richtung der letzten Jahre fortsetzen.

Interessant wäre zu wissen, mit welchen Mitteln die irakische Zentralregierung einen Konzern wie Exxon zur Aufgabe des zweitgrößten Ölfeldes des Planeten bringt und ob Exxon dieses Feld letztlich wirklich gegen seine kurdischen Felder "tauscht". Gut möglich, dass es sich noch um ein Vorgeplänkel handelt, der dem Ölkonzern seine Grenzen zeigen soll. Für China, dessen Ölverbrauch sich binnen 20 Jahren verfünffacht hat und bis 2010 zuletzt exponentiell anstieg, sind zusätzliche Quellen sehr interessant. Neben Petrochina ist auch Sinopec im Irak aktiv - in der Kurdenregion! - und mit dem West Kurna-Feld würde China die irakische Ölförderung dominieren, indem es dann 32% der ausländischen Ölfirmen zugesprochenen Reserven befördert.

Ölverbrauch China

Diese Entwicklung bestätigt jene Überlegungen, die das Zentrum für Transformation der Bundeswehr in seiner Studie "Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen" gemacht hat. Das knapper werdende Öl führt zu neuen Konflikten und bricht alte Konflikte auf und eine Konzentration ist in der Strategischen Ellipse zu erwarten, in der der Großteil der noch unausgebeuteten Öl- und Gasreserven vermutet wird. Diese Region umfasst den arabischen Raum, wo nicht nur Rohstoffe, sondern auch Weltanschauungen aufeinanderprallen: In Form westlicher und östlicher Weltbilder, in Form unterschiedlicher Religionen und religiöser Nuancen. Die nach dem regionalen Peak Oil immer weiter steigende Abhängigkeit Europas von externen Öllieferungen und die relative geografische Nähe (Mittelmeer, Syrien, Türkei...) läßt befürchten, dass mögliche Konflikte weitreichende Auswirkungen haben.

Weiteres:

2 Kommentare to “ExxonMobil zwischen Kurdistan, Irak und China”

  1. M.U. sagt:

    “3,6 Milliarden Flugpassagiere im Jahr 2016 erwartet. Die Lust am Fliegen wird auch in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Dank immer neuer Kunden aus der Asien-Pazifik-Region rechnen die Fluggesellschaften mit einem deutlichen Passagieranstieg. Gleiches gelte für Fracht.”
    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/branchenverband-prognose-3-6-milliarden-flugpassagiere-im-jahr-2016-erwartet/7487708.html

    “PROGNOSE DER ENERGIEAGENTUR – Dem Klima drohen harte Zeiten. Kohle gilt als zu schmutzig, zu teuer, zu ineffizient. Doch nun kehrt der Rohstoff zurück. Die Bedeutung von Kohle als Energieträger wird bald die von Erdöl einholen – mit dramatischen Folgen für das Klima.”
    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/prognose-der-energieagentur-dem-klima-drohen-harte-zeiten/7537192.html

    Die Kommentare sind wieder köstlichst! Bis auf diesen hier:

    “Klimaänderung – Festhalten an der vorgefassten Meinung? Wie stichhaltig sind die Argumente der Skeptiker?”
    http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/2694.pdf

    “FÖRDERSTATISTIK – Russland bleibt der größte Ölproduzent. Seit dem Ende der Sowjetunion wurde in Russland nicht mehr so viel Erdöl gefördert wie im Moment. Damit verweisen die Russen sogar Saudi-Arabien auf die Plätze. Doch die Fördermenge könnte schon bald wieder sinken.”
    http://www.handelsblatt.com/politik/international/foerderstatistik-russland-bleibt-der-groesste-oelproduzent/7579838.html

    “Jet fuel price index”
    http://www.iata.org/publications/economics/fuel-monitor/Pages/price-analysis.aspx

    Folgendes steht ganz klein unter der Übersicht

    “Impact on this year’s fuel bill of the global airline industry: Impact on 2012 fuel bill $129.7/b = +$32 billion”

    Gesundes Neues!

  2. M.U. sagt:

    “VOR DER KÜSTE VON ALASKA – Öl-Bohrinsel von Shell auf Grund gelaufen. Vor der Küste von Alaska hat sich bei einem Sturm eine Bohrinsel des Konzerns Royal Dutch Shell losgerissen und ist auf Grund gelaufen. Glück im Unglück: Es läuft offenbar kein Öl ins Meer.”

    http://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/vor-der-kueste-von-alaska-oel-bohrinsel-von-shell-auf-grund-gelaufen/7576842.html

    Fail!

Diesen Eintrag kommentieren: M.U.

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