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Resiliente Infrastrukturen und Städte: Kritikalität und Interdependenzen

Der folgende Artikel stammt vom Dresdner Verkehrswirtschaftler Martin Randelhoff. Er steht unter der Creative Commons Lizenz CC BY-SA 3.0 de und wurde erstmals im Dezember 2013 auf zukunft-mobilitaet.net veröffentlicht.


Viele Maßnahmen im Bereich der Verkehrsplanung werden häufig vor dem Hintergrund einer höheren Verkehrssicherheit und Internalisierung externer Effekte (Verringerung von Lärm, Luftschadstoffen, etc.) durchgeführt. Einige bestimmte Maßnahmen gehen jedoch darüber hinaus und sichern wirtschaftliche, gesellschaftliche und soziale Strukturen und somit unseren Wohlstand.

Was ist Resilienz?

Der Begriff „Resilienz“ (resilience (engl.) = Spannkraft, Elastizität, Widerstandsfähigkeit; resilire (lat.) =  zurückspringen, abprallen) stammt aus der Psychologie und wurde in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals verwendet. Zu diesem Zeitpunkt bezeichnete Resilienz eine spezielle Eigenschaft von Personen (besonders Kindern), die in ihrer Kindheit Erlebnisse erleiden mussten, unter denen die meisten Menschen zerbrochen wären (z.B. Armut, Flüchtlingssituation, Krieg, alkoholsüchtige oder psychisch erkrankte Eltern), aber dennoch im Erwachsenenalter psychisch unauffällig sind, einen Beruf ausüben und nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen.

Mittlerweile wurde Resilienz als Fähigkeit, Krisen durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklungen zu nutzen, auch auf Erwachsene erweitert. Resiliente Personen können mit stressigen Situationen besser umgehen, sei es Arbeitsstress oder emotionaler Stress nach einem Trauma, wie etwa Vergewaltigung, dem plötzlichen Verlust nahestehender Angehöriger oder Kriegserlebnissen.

Portierung in den Infrastrukturbereich

Unsere Infrastruktur und das Gesamtverkehrssystem sind zu jeder Zeit Störungen kleinen und großen Ausmaßes ausgesetzt wie zum Beispiel Weichenstörungen oder Unfälle unterschiedlichen Ausmaßes. Insbesondere Wetterextreme wie Sturm, Starkregen, starker Schneefall und große Hitze setzen der Straßen- und Schieneninfrastruktur sowie Luft- und Schifffahrt zu. Der Großteil aller Störungen kann mit einigen Ausnahmen über einen kurzen Zeithorizont behoben werden. Entsprechende klimatische, wirtschaftliche, geopolitische und weitere Entwicklungen machen es jedoch notwendig, auch unser Verkehrsnetz und die Organisation desselben robust und widerstandsfähig gegenüber externen Schockereignissen zu machen.

Laut der “Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS)” des Bundesministeriums des Innern gilt die Verkehrs- und Transportinfrastruktur neben der Energieversorgung, der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie der (Trink-) Wasserversorgung und Abwasserentsorgung als besonders schutzbedürtig. 1 Es stellt sich daher die Frage, ob es nicht sinnvoll ist, im Vorfeld entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um den Ernstfall erst gar nicht entstehen zu lassen oder die Auswirkungen weitestgehend zu minimieren. Mit anderen Worten: Die Infrastruktur resilient zu machen.

In den vergangenen Jahren sind insbesondere die Folgen des Klimawandels auf räumliche und verkehrliche Strukturen untersucht worden. Im Fokus stand insbesondere die Fähigkeit von Städten, nach Extremwetterereignissen möglichst rasch wieder zur Normalität zurückzukehren.

capacity to adapt to stress from hazards and the ability to recover quickly from their impacts

Henstra, D., P. Kovacs, G. McBean, R. Sweeting (2004) 2

Die Funktionsweise einer Stadt, einer Region oder eines ganzen Landes kann jedoch nicht nur durch die Folgen des Klimawandels beeinträchtigt werden, sondern auch durch weitere Einflussparameter. Eine resiliente Gestaltung sollte sich daher nicht ausschließlich an den Folgen des Klimawandels mit den damit einhergehenden Wetterextremen ausrichten, sondern sich auch an anderen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und geopolitischen Entwicklungen wie dem demografischen Wandel, der Rohstoffverfügbarkeit bzw. –abhängigkeit und der Absicherung von Telekommunikations- und Informationsnetzen orientieren.

Die Fähigkeit eines Systems, auf Krisen und Störungen reagieren zu können, sich selbst zu erneuern ohne sich grundlegend zu verändern.

Newman (2009). Resilient Cities: Responding to Peak Oil and Climate Change, Washington.

Die resiliente Ausrichtung der Infrastruktur folgt folglich der Fähigkeit einer konsequenten Veränderung innerhalb des bestehenden Systems als Zweck der Selbsterneuerung. Ziel ist ein Transformationsprozess, der bestehende Strukturen in widerstandsfähige und damit zukunftsweisende Formen überführt 3.

Nach meiner Definition umfasst Resilienz ein „frühzeitiges Identifizieren von Trends und Entwicklungen, welche systembedrohend / systemeinschränkend sein können und die Veränderung von bestehenden und potenziell bedrohter Strukturen hinsichtlich einer maximalen Widerstandsfähigkeit (Autarkie, Redundanz, Auswirkungsminimierung, schnellstmögliche Wiederherstellung der Systemkapazität) unter der Prämisse Bestehendes zu verbessern und nicht vollkommen zu ersetzen. Die Sicherung der Infrastruktur erfolgt proaktiv und dient der Sicherung von Wohlstand sowie wirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen.“

Einflussgrößen und kritische Infrastrukturen

Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat im Jahr 2009 im Rahmen der Nationalen Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS‐Strategie) vier technische Basisinfrastrukturen identifiziert, die besonders schutzbedürftig sind:

  • Energieversorgung
  • Informations- und Kommunikationstechnologie
  • Transport und Verkehr
  • (Trink-)Wasserversorgung und Abwasserentsorgung

Diese werden von fünf “sozioökonomischen Dienstleistungsstrukturen” ergänzt:

  • Gesundheit: Medizinische Versorgung, Arzneimittel und Impfstoffe, Labore
  • Ernährung: Ernährungswirtschaft, Lebensmittelhandel
  • Finanz- und Versicherungswesen: Banken, Börsen, Versicherungen, Finanzdienstleister
  • Staat und Verwaltung: Regierung und Verwaltung, Parlament, Justizeinrichtungen, Notfall-/ Rettungswesen einschließlich Katastrophenschutz
  • Medien und Kultur: Rundfunk (Fernsehen und Radio), gedruckte und elektronische Presse, Kulturgut, symbolträchtige Bauwerke

Beide Infrastrukturbereiche bedingen sich gegenseitig, da eine massive Beeinträchtigung der sozioökonomischen Dienstleistungsstrukturen Auswirkungen auf die Basisinfrastrukturen hat und umgekehrt.

Kritikalität der Transport- und Verkehrsinfrastruktur

Die Bedeutung von Infrastruktur bemisst sich zu einem Teil an den Folgen, die ein Ausfall oder ein Nichtvorhandensein derselben mit sich bringt. Während einige Infrastrukturen nur eine symbolische Kritikalität aufweisen (kulturelle oder identitätsstiftende Bedeutung) haben andere Infrastrukturen aufgrund ihrer strukturellen, funktionellen und technischen Positionierung im Gesamtsystem eine systemische Kritikalität. Besonders relevant sind beispielsweise die Elektrizitäts- sowie Informations- und Telekommunikationsinfrastrukturen, deren Beeinträchtigung extreme Störungen in anderen Basisinfrastrukturen hervorrufen kann.

Definition Kritikalität = relatives Maß für die Bedeutsamkeit einer Infrastruktur in Bezug auf die Konsequenzen, die eine Störung oder ein Funktionsausfall für die Versorgungssicherheit der Gesellschaft mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen hat.

Innerhalb des Verkehrs- und Transportbereiches ziehen verschiedene Ereignisse unterschiedliche Folgen nach sich. Lokale Ereignisse wie Brände oder Erdrutsche beeinträchtigen Infrastrukturen vor Ort sehr stark, haben aber je nach Vernetzungsstärke des betroffenen Bereichs keinen oder nur geringe Folgen für das Gesamtsystem.

Dem gegenüber stehen massive Beeinträchtigungen, die das gesamte Verkehrssystem unabhängig von der konkreten Lage betreffen. So hat der Ausbruch eines Krieges, das Auftreten plötzlicher Angebotsverknappung im Rohölbereich mit der anschließenden massiven Preissteigerung (Ölpreisschock) oder der vollkommene Zusammenbruch der Energieversorgung im Vergleich weitaus größere Folgen für Verkehrssysteme.

Im Folgenden soll ein grober Überblick über die möglichen Extremereignisse und deren Auswirkungen gegeben werden:

Geringe Kritikalität / Leichte, kurzzeitige Einschränkungen

  • Hitzewelle
  • Streik (lokal)
  • Waldbrand
  • Wirtschaftskrise / Massenarbeitslosigkeit
  • Proteste / Demonstrationen
  • Erdrutsche, Murgang, Lawinen
  • Austritt von Giftgas / Chemieunfall
  • Schädlingsplagen
  • Brandstiftung
  • Bautechnischer Kollaps (Fehlplanung (Bsp.: Tay Bridge), Korrosion (Bsp.: Silver Bridge), aerodynamisches Flattern der Fahrbahn (Bsp.: Tacoma Narrows Bridge)
  • Verkehrsunfälle
  • Tunnelbrand
  • Hackerangriff und Infizierung einzelner Fahrzeuge (isolierter Angriff)

Mittlere Kritikalität / Mittelschwere, längere Einschränkungen

  • Terrorismus, Sabotage, Piraterie
  • Sturm (Orkan)
  • Aschewolke nach einem Vulkanausbruch
  • Sandstürme
  • Generalstreik
  • Demografie
  • Unterfinanzierung der Infrastruktur
  • Hochwasser, Starkregen, Sturmflut, Dammbruch,
  • Blizzard, Extremschneefall
  • Rückruf / Nutzungsverbot eines einzelnen Fahrzeugs wegen Mängeln bei homogener Flotte
  • Ansteigender Meeresspiegel
  • Seuchen (z.B. SARS)
  • Ölkatastrophen
  • Aufstände
  • Staatsschuldenkrise
  • Urbanisierung / Bevölkerungszunahme
  • Hackerangriff mit Infizierung / Übernahme wichtiger Beriebsleitstellen, o.ä.

Hohe Kritikalität / Schwere, lang andauernde Einschränkungen

  • Zusammenbruch der Energieversorgung
  • Erdbeben, kosmische Energiestürme, Meteoriten und Kometen, Vulkanausbruch (vor Ort)
  • Krieg
  • Hurrikan, Tornados
  • Tsunami
  • Ölpreisschock
  • Vollkommener bzw. fast vollständiger Zusammenbruch staatlicher Strukturen, Bürgerkrieg
  • GAU / Nuklearunfall (lokal)
  • Zusammenbruch der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung
  • Ausfall eines Großteils der IT / Telekommunikations-Infrastruktur
  • Schwerster Hackerangriff mit Infizierung kritischer Sicherungssysteme
  • Rohstoffknappheit (z.B. Wolfram)

Laut KRITIS sind kritische Infrastrukturen vor allem vor natürlichen Extremereignissen (v.a. Wetterextreme) und Terrorismus zu schützen.

Die Entwicklung resilienter Verkehrsinfrastruktur hat das Ziel, möglichst viele dieser lokalen, regionalen, nationalen oder supranationalen Schocks zu verhindern, die Folgen zu mildern und Kapazität möglich schnell wiederherzustellen.

In der Planungsphase müssen daher Strategien entwickelt werden, welche je nach Eintrittswahrscheinlichkeit, Kritikalität und Gefährdungspotenzial entsprechend greifen. Dabei sollten jedoch auch Ereignisse mit geringer Wahrscheinlichkeit (z.B. Schnee in Nahen Osten, der Mitte Dezember 2013 einen nahezu vollkommenen Zusammenbruch der örtlichen Verkehrssysteme zur Folge hatte) betrachtet und ausreichend in die Zukunft prognostiziert werden. Heute geplante Infrastruktur ist für eine Lebensdauer mehrerer Jahrzehnte ausgelegt, muss also in Theorie auch Stress durch strukturelle, politische und gesellschaftliche Änderungen bis zum Jahr 2050 absorbieren können.

Gesellschaftliche Folgen stark steigender Rohölpreise

Am Beispiel schockartig steigender Rohölpreise sollen im Folgenden kurz die Auswirkungen auf den Verkehr und die Mobilität vor dem Hintergrund wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Anpassungen skizziert werden.

Aufgrund der massiven Verteuerung der Energiepreise kommt es zu einer Kontraktion der Wirtschaft und der Haushaltsausgaben. Je nach Dauer und Schwere des Preisanstiegs nehmen die Fahrten des MIV stark bzw. massiv ab. Aus Energiespargründen wird die Geschwindigkeit aller Verkehre gesenkt, es kommt zu einer Verkürzung der zurückgelegten Distanzen aufgrund der geringeren Geschwindigkeiten. Fernreisen nehmen sehr stark ab, Flugreisen werden unerschwinglich, der Markt für Flugreisen bricht vollständig zusammen.

Verkehr wird massiv verteuert, insbesondere der elektrisch betriebene Schienengüterverkehr erfährt eine massive Nachfragesteigerung, den das deutsche Eisenbahnnetz bei Weitem nicht gewachsen ist. Aufgrund der nicht realisierten Transporte müssen Produktionsanlagen stillgelegt werden. Entsorgungsfahrten werden aufgrund der geringen Wertigkeit des transportierten Gutes kaum noch durchgeführt. Es kommt zu einer Abnahme des Güterverkehrs und einem Zusammenbruch der Industrie bzw. gesamten Wirtschaft. Massenarbeitslosigkeit ist die Folge.

Tägliche Besorgungen, der Weg zur Schule, usw. verlagern sich sehr stark in Richtung Langsamverkehr, strukturelle Anpassungen (Stadt der kurzen Wege) werden sehr rasch durchgeführt. Telearbeit und Bildung via Internet nehmen sehr stark zu.

Der öffentliche Verkehr wird Nachfragesteigerungen erfahren. Aufgrund steigender Preise und des begrenzten Angebots können bei massiver Nachfragesteigerung jedoch nur geringe Teile der Zusatznachfrage absorbiert werden.

Die Nachfrage nach Wohnraum in der Stadt nimmt mittel- bis langfristig sehr stark zu, dies hat massive Mietsteigerungen zur Folge. Die Peripherie entleert sich und franst aus.

Die Wirtschaft versucht regionale Wirtschaftskreisläufe aufzubauen, die Recyclingquote nimmt stark zu. Es wird in Zukunft vor allem auf modularisierte (Fertigungs-)Anlagen gesetzt, um defekte Teile möglichst energieeffizient tauschen und reparieren zu können.

Der Grad an Mobilität nimmt für alle Teile der Gesellschaft ab.

Planungsprinzipien

Prinzipien der Resilienz sind Autarkie, Redundanz, Auswirkungsminimierung sowie die schnellstmögliche Wiederherstellung der Systemkapazität. Aus diesen Zielvariablen ergeben sich Prinzipien, die bei der Planung neuer Infrastruktur bzw. der Anpassung bestehender Infrastruktur angewendet werden sollten.

Im Idealzustand hat ein exogener Schock keinerlei Auswirkung auf das Verkehrsangebot bzw. die zur Verfügung stehende Kapazität. Da dies aufgrund der systemischen Eigenschaften und Interdependenzen zwischen den Systemen jedoch kaum möglich sein dürfte, muss im Umkehrschluss die Abhängigkeit von Ortsveränderungen bei einem gleichen Maß an Mobilität (Unterschied zwischen Verkehr und Mobilität) minimiert werden.

Ist es aufgrund der externen Gegebenheiten nicht möglich, Wirtschaftskreisläufe regional(er) zu gestalten und die Entfernungen zwischen den Quellen und Zielen Wohnen, Arbeit, Bildung, Einkaufen, (Kinder) und Sonstiges aufwandsminimal zu gestalten, müssen Redundanzen aufgebaut werden. Hinzu kommt ein ergebnisoptimaler Einsatz von Energie, Energieeffizienz wird übergeordnete Zielsetzung. Primäres Ziel sollte jedoch die Verkehrsvermeidung sein.

Es gilt daher:

  • Energieeffizienz und Energiebilanz (life cycle) als Leitkriterien mit energiesparsamen Verkehrsstrukturen in Stadtvierteln, Städten und Regionen: hohe Attraktivität für den Fußverkehr, ÖPNV-orientierte Strukturen, MIV und Lieferverkehr möglichst autark (elektrisch aus regenerativen Energiequellen), hoher Fuß- und Radverkehrsanteil, regionale Wirtschaftskreisläufe, hohe Recyclingquote
  • Minimale Nutzung fossiler Energieträger
  • Reduktion der MIV-Abhängigkeit: Entwicklung von Alternativen
  • Kompakte Strukturen mit guter Nutzungsdurchmischung àPolyzentrische Stadt mit lokalen Strukturen (Versorgung, Arbeitsplätze, dezentralisierte Infrastruktur)
  • Effiziente und optimale Auslastung der Infrastrukturen durch veränderte Lebens- und Tagesabläufe (Entsynchronisierung) à weniger ausgeprägte, bzw. keine Lastrichtung der Pendlerströme à Anpassung des öV-Angebots
  • Hauptverkehrskorridore: Qualitativ hochwertiger ÖPNV mit höherer Durchschnittsgeschwindigkeit als der MIV, gute Verknüpfung mit anderen Linien zur Minimierung der Reisezeit
  • Entwicklung der Gebiete um öV-Stationen (400-800m): hohe Dichte, Mischnutzung Wohnen-Arbeit, hohe Attraktivität für Fußgänger zur Lösung des Letzte Meile Problem
  • Nachverdichtung der Zentren, Wohnen im Kernstadtbereich möglich zur besseren Auslastung bestehender Infrastrukturen. Diese können durch die höhere Nutzungsintensität und Refinanzierung größtenteils redundant aufgebaut warden.
  • Strategien und Infrastrukturen für den Fuß- und Radverkehr in jedem Stadtviertel, gezielte Förderung des nicht-motorisierten Verkehrs
  • Intensivere Nutzung von Freizeitanlagen und Erholungsgebieten in unmittelbarer Nähe, energiearmer Freizeitverkehr
  • Verstärkte Koordination von Verkehrspolitik und Raumordnung, Einschränkung des Flächenverbrauchs durch dichten Grünstreifen um die Stadt, Schaffung einer kompakten Stadt
  • Förderung starker Gemeinschaftsstrukturen und des sozialen Zusammenhalts.
  • Aufstellung von Aktionsplänen in Notsituationen, u.a. Pläne für den Aufbau eines längeren (2-4 Wochen) Bus-Notverkehrs bei Ausfall von U-Bahn / Stadtbahn, usw.
  • Aufbau eines optimierten dezentralen Logistiknetzwerkes, Bündelung von Güterströmen (fahrzeugseitig), Routenwahlmodelle mit Alternativrouten (second best) um kurzfristig auf Störungen reagieren zu können.
  • Schaffung leistungsfähiger Alternativkorridore v.a. für den Güterverkehr, Auflösung von Flaschenhälsen, Elektrifizierung möglichst aller Bahnstrecken
  • geringe Spezialisierung von Regionen auf einzelne Wirtschaftszweige

Fazit

Die Resilienz einer Stadt oder einer Infrastruktur wird in Zukunft ein sehr wichtiges Kriterium für ihre Zukunftsfähigkeit werden. Eine Stadt ohne resiliente physische Systeme wird in Zukunft sehr verletzlich gegenüber Katastrophen jeder Art sein

Die Dynamik und die Interdependenzen der einzelnen Systeme sollten nicht unterschätzt werden. Sie müssen endlich in den jeweiligen Planungsprozessen beachtet und bedacht werden.

Jede Infrastruktur, die wir heute errichten, ist auf eine Nutzungsdauer mehrerer Jahrzehnte ausgelegt. Es ist daher Aufgabe der heutigen Planungsgeneration die Planungen auf ein solides Fundament für mindestens die kommenden 50 Jahre zu stellen. Leider ist dies heute noch nicht Standard. Fangen wir an, Raum-, Stadt- und Verkehrsplanung auch vor dem Hintergrund der Resilienz zu betrachten und zu planen. Das zukünftige Wohlstandsniveau dieses Landes hängt von heutigen Entscheidungen ab. Kurzfristige monetäre Ziele sollten vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung keinesfalls im Fokus von Infrastruktur- und Verkehrsbetreibern stehen.

Wir müssen endlich damit beginnen, ausreichend in die Zukunft zu denken, entsprechende Ziele zu formulieren und diese konsequent zu verfolgen.

Kommende Generationen werden es uns danken.

Quellen:

  1. Bundesministerium des Innern (BMI) (2009): Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS‐Strategie).
  2. Henstra, D., P. Kovacs, G. McBean, R. Sweeting (2004) Background Paper on Disaster; Resilient Cities, prepared by the Institute for Catastrophic Loss Reduction for Infrastructure Canada
  3. vgl. Initiative für Raum und Resilienz (2011), Weimar – http://www.uni-weimar.de/projekte/irur/index.php/2011-08-24-15-46-12/ziele-a-forschungsgegenstaende.

23 Kommentare to “Resiliente Infrastrukturen und Städte: Kritikalität und Interdependenzen”

  1. Hendrik Altmann sagt:

    Die Idee der Resilienz (schwieriges Wort, habs am Ende kopiert xD) ist echt gut, doch einem Punkt stimme ich nicht zu, und das ist die Vermutung, das die Nachfrage nach Wohnraum in Städten stark zunimmt, ist es nicht wahrscheinlicher, das die Nachfrage nach Wohnraum auf dem Land stärker zunimmt, und in Städten zurück geht weil die Landwirtschaft auf Maschinen verzichten muss aus gründen immer höhere Preise für Treibstoff, Pestizide, Dünger, Transport, und so sehr viel mehr Arbeitskräfte benötigt, anderseits würde ein viel höherer Ölpreis zu einem Rückbau der Städtischen Wirtschaft führen, was zu Folge hätte das für viele das Stadt Leben nicht mehr finanzierbar ist, und auch die Sozialkassen es sich nicht mehr leisten können den Lebensstil in der Stadt zu finanzieren, ich sehe für die Zukunft ehr eine starke Migrierung der Bevölkerung aufs Land, weil es halt vor dem Ölzeitalter der Fall war, das der Großteil der Bevölkerung in der Landwirtschaft gearbeitet hat. Der Umbau der Landwirtschaft in eine Widerstandsfähige Form, ist mindestens genauso wichtig, wie die der Städte und sollte simultan geschehen, den unsere Landwirtschaft heute ist schwer Ölabhängig und versorgt die Städte, bildet also die Basis unserer Nahrungsversorgung.

    • Ert sagt:

      @Hendrik

      Ich würde das aus andere Gründen so sehen… lebe mal in einem Haus mit Zentralheizung.. wo dann 4 von 10 Mietern die Heizungskosten nicht mehr bezahlen können…. was dann? Lass in den zentralen, effizienten aber nicht resilenten Strukturen einer Stadt mal Glieder ausfallen…das macht sehr schnell alles kein Spaß mehr… einen Kompost anlegen auf dem gepflasterten Innenhof? Machen da alle Mieter mit? und was ist mit den Eigentümern?

      Die Frage ist welche Zwangsmaßnahmen sich unsere Politiker einfallen lassen. Die meisten Menschen leben in der Stadt – und da will ‘man’ sich sicher keine Unruhe leisten.

      Letztendlich heißt es dann aber auch zusammenziehen – um die Nebenkosten zu teilen. 45-60qm für eine Person war dann einmal – auch bei StGB II. Insofern sehe ich keine Wohnungsnot – sondern eher die Not ein- oder zwei passende Untermieter zu finden und den ganzen Krempel der jetzt die ganze Wohnung zuplundert – dann in ein Zimmer zu verfrachten.

      Ich denke bei den Lebens- und Gemeinschaftsformen ist ganz, ganz viel Spielraum für Einsparung von Ressourcen – und für eine Verbesserung der Sozialen- und Gemeinschaftskultur.

      • Norbert Rost sagt:

        @Ert: Es wäre nur hilfreich, wir würden solche Arten des Zusammenlebens erproben, denn zuviel Nähe kann auch Konflikte bedeuten. Zu erlernen, wie man diese aushält oder ausgleicht braucht Gelegenheit und Zeit.

        Und wenn wir vorausschauend neue Häuser gleich so bauen würden, dass Gemeinschaftselemente integriert sind, wäre das auch besser, als das frisch gebaute Häuser zu spezialisiert auf die heutigen Bedingungen sind (die sich durch Peak Oil & Co. ja schnell ändern können). Daher der Apell von Martin Randelhoff: Bedenkt, wie lange heut gebaute Infrastruktur steht (bzw: stehen soll).

        • Ert sagt:

          @Norbert

          Ja… die Konflikte werden da sein – oh ja. Ich kenne die Themen Küche, Kühlschrank und Bad&WC aus WG’s…. und das ist ja letztendlich kleinkrams. Deswegen ist es auch hier wichtig im kommunikativen Bereich die Persönlichkeit weiter zu entwickeln.

          Die jeweils jungen Menschen schaffen das sicher… aber die älteren Singles, Rentner % Co. – das wird spannend ;-)

          An das vorausschauend Häuser bauen glaube ich nicht mehr – das machen ja kaum irgendwelche aktuellen Häuslebauer, die sich dafür 30 Jahre verschulden. Wer denkt da an die Nachnutzung, wenn die Kinder raus sind, an die Untervermietung, den zweiten Eingang mit Trennung von Räumen, den Nutzgarten und Lagerräume (Erdkeller), oder an die spezifischen Nutzungseigenschaften bei Behinderung oder im Alter?

          Der Rest der Infrastruktur? Haha – fragen meinerseits in Richtung Verkehrsplanung… also in den Strukturen gibt es das Denken an PeakOil bei mit Lokal gar nicht. Deswegen werde ich das im Winter ggf. mal aufgreifen und an meine Stadt schreiben – ohne da größeres zu erwarten…

          • Frank Bell sagt:

            Die Älteren?

            Da gibt es leider nur ein Szenario: Euthanasie.

            Leute, die heute Krieg gegen Russland fordern, sind da sicher nicht zimperlich.

            Zu der Heizkostensache (4 von 10 können nicht zahlen):

            Die fliegen auf die Strasse. Was DANN geschieht, wenn soviele auf der Strasse leben, möchte ich mir lieber nicht ausmalen. Vor allem, wenn die nichts zu verlieren haben.

            Oder es kommt zu Slums. Dazu verwendbaren Müll gibt es genug.

            • Ert sagt:

              @Frank

              In GR ist das ja schon Realität…also mit Hausbewohnern die die Heizung nicht mehr bezahlen können etc. pp.

              Deswegen sehe ich auch “die älteren” (also mich – haha) auf dem Land besser aufgehoben… jedes Maul das versorgt werden will – muss auch etwas beitragen. In der Stadt gibt es dann aber wohl primär Leute die versorgt werden wollen/müssen.

              Naja – je nachdem welche Szenarien wann und wie eintreten.

          • Bruno Müller sagt:

            Das zukunftsorientierte Bauen, das demographische Entwicklungen und effizienter Energieeinsatz als Grundgedanke von Neubebauungen festlegen, hat in der Peripherie von Städten einen ganz guten Erfolg. Meistens sind die Bauflächen rückgebaute Industriebrachen. Die Wärmeenergieversorgung übernehmen Großspeicher (Saisonspeicher), die im Sommerhalbjahr mit Sonnenwärme “gefüllt” werden. Gemeinschaftlich nutzbare Bereiche im Freien und in Gebäuden sind dort vorhanden, sowie ein Gästehaus, damit nicht Jeder ein Gästezimmer in seiner Wohnung vorhalten muss, usw.

            Wie dieses zukunftsorientierte Zusammenwohnen/Zusammenleben auf dem Lande gesehen wird, konnte ich im Nachbarort mitverfolgen. Die Gemeinde dort (ca. 3.500 Einwohner) wollte ein neues Baugebiet erschließen, zudem noch auf der grünen Wiese. Die GRÜNEN-Gemeinderatsfraktion lud zu einem Info-Abend ein, an dem angeregt wurde, ein oben beschriebenes Modell umzusetzen. Der Referent war sehr kompetent, war er doch über sein Institut an einigen Verwirklichungen beratend und planerisch beteiligt.

            Das war vor zwei Jahren.

            Der Bebauungsplan wurde nun vom Gemeinderat verabschiedet und siehe da, eine klassische Einfamilienhaus-Siedlung wird nun entstehen. Die Himmelsausrichtung spielte bei der Festlegung der so genannten Baufenster und Baulinien keine Rolle. Die optimale Ausrichtung nach Süden ist so gut wie nicht gegeben.

            Ein echter Jammer! Eine verpasste Chance!

            Fazit: Die “Stadtmenschen” sind beim Zukunftsthema “Wohnen” wesentlich aufgeschlossener, als die “Dorfmenschen” – zumindest trifft dies für meine Region zu.

  2. Frank Bell sagt:

    http://www.resilience.org/

    Resilience.org is a program of the Post Carbon Institute (PCI). From 2004 to 2012 the site was known as “Energy Bulletin.”

  3. Frank Bell sagt:

    Ergänzung:

    Glaubt ihr wirklich, dass wir Resilienz hinbekommen?

    Letztlich dürfte es, wenn alles knapper wird, doch nur zu Mord und Totschlag kommen. Ein Leben à la Soylent Green.

    Denn so toll wie die Generation nach 1945 gelebt hat, so werden die Generationen danach auch leben wollen – koste es, was es wolle.

    Einem 25-jährigen Handy, Auto, Computer/Internet wegnehmen?

    Schade, dass wir zu spät kommen.

    • Ert sagt:

      @Frank

      Von mir nur so viel:“Action is the antidote to despair” – da gehe ich komplett mit Guy McPherson mit – der ja insbesondere die zukünftige klimatische Entwicklung sehr kritisch sieht.

    • M.U. sagt:

      “Glaubt ihr wirklich, dass wir Resilienz hinbekommen?”

      Leider nein. So lange auf jeder Zigarettenpackung der Vermerk: “Rauchen kann tödlich sein” steht, glaube ich jedenfalls nicht daran.

      • M.U. sagt:

        Da gibt es nichts mehr hinzuzufügen. Touching Reality … http://youtu.be/hNT3_qugjZU

      • Bruno Müller sagt:

        Ich vermute, hier gibt es Vorstellungs- und Begriffsverwirrungen.
        Resilienz hat aus meiner Sicht nicht den Anspruch unsere Welt, wie wir sie leben und kennen auf Einfachniveau umzukrempeln. Es geht nicht darum der 25-jährigen ihr Handy oder dem Autosound-Liebhaber die Benzinkiste wegzunehmen.

        Wer dies zum Ziel hat, wird natürlich scheitern!

        Jeder von uns hat es jedoch in der Hand, vor Ort, in seiner Gemeinde Strukturen der Resilienz anzuleiern oder daran mitzuwirken. Wer wenn nicht wir hier in Mitteleuropa haben die Bildung, die finanziellen Mittel und die demokratischen Möglichkeiten aktiv zu werden. Diese auf der Welt fast einmalige Kombination verpflichtet nahezu zu Aktivitäten, und noch viel mehr, wenn einem die Peak-Oil-Thematik bekannt ist.

        Das Argument, “dafür ist es zu spät”, lasse ich nicht gelten! Wir müssen uns in dieser Frage nicht um die Welt kümmern. Der Wohnort reicht hierfür aus.

        Interessant ist, dass selbst Menschen, die Resilienz in Bezug auf Peak Oil gar nicht auf dem Schirm haben, beginnen resiliente Strukturen (wieder) aufzubauen.
        Der Obst- und Gartenbauverein bei uns im Ort hat z.B. eine Kindergruppe vor einem viertel Jahr ins Leben gerufen, weil ihnen bereits vor Jahren bewusst wurde, dass lediglich die Menschen im Alter von 70+ noch wissen, wie Obstbäume geschnitten werden und wollten diese Wissensweitergabe nicht dem Zufall überlassen. Dies ist die Generation, die noch Nachkriegsentbehrlichkeiten kennen. Sie wissen noch, wie wichtig Selbstversorgung ist. Das steckt so tief in ihnen drinnen, dass sie sich nahezu verpflichtet fühlen dieses Wissen, so lange sie es noch können, aktiv weiterzugeben.
        Die Kinder schneiden zwar noch keine Bäume aber sie ziehen und pflanzen Apfelbäumchen.
        Jeder kleine Schritt kann in der Summe die Widerstandsfähigkeit einer Gemeinde erhöhen.

        Wir wissen nicht, wie viel Resilienz welche Gemeinde benötigt. Wir wissen auch nicht, wie stark die Peak-Oil-Schockwellen sein werden, weil es historisch keine Vergleichsmöglichkeiten gibt. Wir wissen auch nicht, wann die erste Schockwelle kommen wird. Zugegeben, sehr viele Unsicherheitsfaktoren.

        Aber deswegen gar nichts in Richtung Resilienz zu tun, kommt für mich nicht in Frage!

    • Norbert Rost sagt:

      @Frank: Für mich ist Resilienz kein End-Ziel, sondern eher als Adjektiv zu sehen: Was wir hinbekommen sollten, wenn wir es wollen, sind resilientere Strukturen. Solche, die weniger verletzlich sind. Völlig unverletzliche Strukturen sind nicht herstellbar. Aber größere Robustheit, größere Widerstandsfähigkeit ist sehr wohl herstellbar und darauf können wir zuarbeiten. Ja, daran glaube ich.

  4. Stefan Wietzke sagt:

    Beim Begriff Resilienz geht es um die Reaktionsfähigkeit im Falle von Krisen.
    Es ist also die Frage welche Eigeschaften einer Krise macht sie unbeherschbar bzw. verhindert die Minimierung ihrer negativen Auswirkungen.

    In einer Krise habe ich keine Zeit die Krise zu analysieren und Handlungen zu entwickeln. Das muss ich vorher gemacht haben. Damit das geht, muss eine Krisensituation aber vorher analysierbar sein und ich muss verhindern das sich die Krise unkontrolliert ausbreitet. Dafür gibt es zwei Voraussetzungen: Redundanzen im System die Single points of failure vermeiden und ein Gesamtsystemdesign das die Eindämmung von Krisen ermöglicht.

    Daher wird die Wiederstandsfähigkeit gegen Krisen durch Lokalisierung und Entkopplung der Einheiten deutlich erhöht. Das schlagen ja auch viele vor (z.B. Harald Welzer, Nico Paech)

    Aber jetzt stecken wir im Komplexitätsdilemma von Tainter. Denn seine Definition eines Zivilisationszusammenbruchs ist genau das: Eine Reduktion gesellschaftlicher Komplexität. Drehen wir das also auf globaler Ebene zurück, dann haben wir einen globalen Zivilisationszusammenbruch.

    Die Frage ist nun, ob wir einen solchen “Zusammenbruch” steuern können und es gelingt die negativen Folgen gering zu halten. Denn in den vergangenen Jahrtausenden war das immer das Problem. Hinter so einer Bemerkung wie “die Bevölkerungsdichte ging zurück” stecken ja für die meisten Leute höchst unangenehme Zeiten.

    • Norbert Rost sagt:

      @Stefan: Keine Ahnung, ob das jetzt eher eine akademische Diskussion wird, aber mich interessiert folgendes:

      Laut Tainter ist ein Zivilisationszusammenbruch also durch die Verringerung von Komplexität gekennzeichnet? Folge-Frage: Muss ein resilientes System also weniger komplex sein? Ließe sich nicht “Komplexität verschieben”, beispielsweise hin zu mehr Redundanz und größerer Vielfalt? Ist die Verletzlichkeit unserer Systeme nicht eher dadurch entstanden, dass sie zu stark auf Effizienz optimiert wurden als dadurch, dass sie komplexer wurden?

      Wie stark ist die Komplexität überhaupt Ursache der Verletzlichkeit? Eine intensive Vernetztheit von Elementen und Systemen wird doch nur dann zum Problem, wenn die Kappung der Vernetzung nicht durch andere Vernetzung aufgefangen wird.

      Oder nochmal andersrum: Ich leite mal auf die Schnelle die These ab, dass zunehmende Resilienz nicht nur durch Komplexitätsreduktion erreicht wird. Die Komplexität kann auch aus einem Bereich in einen anderen Bereich verschoben werden, indem beispielsweise technische Aspekte durch soziale Aspekte ersetzt werden. Dann sinkt der Komplexitätsgrad bei der Technik und dafür steigt er im Sozialen an. (Dann verschiebt sich vermutlich auch die Verletzlichkeit in andere Bereiche. Könnte sie dort weniger kritisch sein?) Damit wären wir bei einer Technikkritik: Zuviel (energieabhängige) Technik ist im System.

      (Lese grade: Ortwin Renn: Das Risiko-Paradox.)

      • Michael Egloff sagt:

        Für die Resilienz einer Stadt gegenüber zukünftigen Krisen gäbe es ja mehrere relevante Parameter zu analysieren.
        Beispielsweise:
        -Handelsstruktur,
        -Struktur der Müllentsorgung,
        -Struktur der örtlichen Wirtschaft und der beruflichen Ausbildung der Bürger,
        -Verschuldung der Kommune,
        -Ausdehnung und Erhaltungsstand der Infrastruktur,
        -Zusammenarbeit mit den umliegenden Kreisen und Kommunen,
        -Zustand und pro-Kopf-Verfügbarkeit von natürlichen Ressourcen (Wasser, für Nahrungsproduktion geeigneter Boden, Wälder/Parks usw),
        -natürliche Risikofaktoren (z.B. Überflutungsgefahr)
        usw.

        Leider zeigt sich bei einigen Punkten eine beschränkte Möglichkeit der Kommunen, wirkungsvoll Prophylaxe zu betreiben.
        Die Infrastruktur z.B. muss natürlich noch den Bedürfnissen des Ölzeitalters Rechnung tragen. Wird sie vorsorglich auf das Nachölzeitalter ausgerichtet, gehen die Bürger auf die Barrikaden.
        Bei der Handelsstruktur z.B. bestimmen die Bürger/Verbraucher selbst, wohin die Reise geht. Entscheiden die sich für die großen Märkte an der Peripherie (die ja mittlerweile existieren), dann verarmt halt der innerstädtische Handel, obwohl der die Resilienz erhöhen würde, wenn er gestärkt würde.
        Wird z.B. der Haus- und Gewerbemüll in einer weiter entfernten zentralen Müllverbrennungsanlage
        “entsorgt”, dann fördert das auch nicht gerade die Resilienz – ist aber meist nicht zu verändern.

        Es gibt einige Wirkungsmöglichkeiten für die Kommunen, die auch genutzt werden sollten, aber eben auch vielfältige extrene Faktoren, die die Handlungsfähigkeit einschränken (gesetzliche Bestimmungen, kurzfristige Interessen der örtlichen Wirtschaft und der Bürger, meist enge finanzielle Spielräume usw.)
        Bei den kurzfristigen Interessen der Bürger und der Wirtschaft, die oft langfristigen Reslienzerfordernissen zuwiderlaufen, kann man z.B. versuchen, den Informationsstand zu wahrscheinlichen zukünftigen Herausforderungen zu verbessern.

        • Hendrik Altmann sagt:

          Am wichtigsten bei der Widerstandskraft eine Kommune ist, ob in der Krise die wichtigsten Bedürfnisse bedient werden können, im hinblick auf Peakoil ist es denke ich auch zuerst einmal, der Transport von Lebenswichtigen Gütern Nahrung und Wasser gleich danach würde Ich Hygiene einstufen, Müll und Abwasserentsorgung, das sind die wichtigsten Faktoren damit sich die Menschen nicht selbst an den Hals gehen, sprich damit das kooperative zusammenwirken überhaupt funktioniert.

          • Michael Egloff sagt:

            Richtig, Hendrik,
            und zusätzlich noch ein soziales Netzwerk “von unten”, damit Alte, Kranke und Behinderte nicht verelenden.
            Und natürlich auch eine gewisse Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, damit ein geordnetes Zusammenleben überhaupt möglich bleibt und nicht das Recht des Stärkeren zum herrschenden Paradigma wird.

      • Stefan Wietzke sagt:

        @Norbert: Eine akademische Diskussion ist doch nichts schlechtes ;-).

        Zuerst müssen wir Komplexität vielleicht einmal definieren. Ein System mit vielen Redundanzen ist nicht umbedingt komplex. Wenn Redundanzen das Durchschlagen negativer lokaler Effekte verhindern, ist es in seiner Gesamtheit sogar weniger komplex. Auch wenn es aus abgrenzbaren Einheiten mit wenigen Schnittstellen besteht, reduziert das die Komplexität und erhöht damit die Steuerbarkeit des Gesamtsystems. Diese System sind niemals maximal effizient.

        Effizienzerhöhung führt automatisch zu mehr Komplexität. Der Grund liegt in den Mitteln, wie ich Effizienz erhöhe. Das ist immer eine Kombi aus Spezialisierung (also erhöhter Arbeitsteilung), kombiniert mit der dadurch entstehenden Möglichkeit Größenvorteile zu heben (Economy of Scales). Dabei entsteht ein hoch vermaschtes System. Im Endeffekt beseitige ich Redundanzen und ich führe die jeweils kürzesten N:N Verbindungen zwischen sämtlichen Entitäten ein. Damit erbringt das System seine Leistungen am Effizientesten. Aber jetzt ist das System extrem störanfällig und jede kleine Störung kann katastrophale Auswirkungen haben. Das Ding ist das Gegenteil von Wiederstandsfähig.

        Merke: Effizienz ist also nicht unsere Lösung, sondern unser Problem. Die Natur ist übrigens in ganz vielen ihrer Methoden total ineffizient. Ein Ingenieur würde das meißte ganz anders bauen :-).

        Du verwendest auch den Begriff der Vielfalt. Ein unglaublich wichtiges Konzept um unser Gesamtsystem “Menschheit” wiederstandsfähig für externe Schocks zu machen. Vielfalt ist aber eine Art von Redundanz und nicht von Komplexität. Folgende Überlegung aus der Biologie: In einer Region ändert sich das Klima. Bei einer artenreichen Flora und Fauna ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei vielen “Mustern” eins überlebt sehr viel größer als wenn es nur sehr Wenige gibt.
        Das kann man auch auf Zivilisationen übertragen. Das die Mayas untergingen war ja für sie selbst tragisch. Aber außerhalb vom Mexiko hat das überhaupt niemand mitbekommen. Und da die anderen eben anders waren, haben sie nicht die gleichen Fehler zur gleichen Zeit gemacht. Heute haben wir aber alle Kulturen und Gesellschaften maximal miteinander verkoppelt und z.T. auf die gleiche kulturelle Linie gebracht. Es gibt eben auch so was wie einen kulturellen “Genpool”. Und den machen wir genau so platt wie den biologischen.

        Noch eine sehr kurze Version von Tainters Theorie zum Niedergang von Zivilisationen:
        1. Komplexität ist ein Problemlöser. Daher haben Zivilisationen einen Hang zu wachsender Komplexität.
        2. Komplexität erzeugt gesellschaftliche Kosten.
        3.Jetzt schlägt die Grenznutzenfunktion zu. Irgendwann ist der Aufwand für die zusätzliche Komplexität so hoch, dass diesem kein entsprechender Nutzen gegenüber steht. Dann beginnt das System instabil zu werden.
        4. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das bereits kleine äußere oder innere Störungen das System zu Fall bringen können.
        5. Es beginnt der Abstiegsprozess. Der, wie die Geschichte zeigt, eine hohe Eigendynamik entwickeln kann und manchmal so lange dauert wie der Aufstiegsprozess. Die Geschichte zeigt übrigens nur wenige Beispiele eines abrupten Niedergangs, wie er häufig auch in diesem Blog thematisiert wird. Meistens waren das sehr lange Phasen.

        Zum eigentlichen Verlust wesentlicher zivilisatorischer Leistungen kommt es aber vor allem deshalb, weil der Prozess chaotisch verläuft und kaum steuerbar ist.
        Und das hat etwas mit eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten zu tun. Wenn ein System unter Streß steht, schränkt das die Handlungsoptionen Einzelner aber auch ganuer Gesellschaften stark ein. Einmal objektiv (wenn ich morgen essen muss, damit ich übermorgen noch lebe, kann ich nicht auf den Output nächstes Jahr achten), aber auch subjektiv (Verlust gegenseitigen Vertrauens). Man ist einfach nicht mehr in der Lage rational und vorausschauend auf die Dinge zu blicken.

        • Hendrik Altmann sagt:

          Effizienz ist nicht das Hauptziel der Natur/des Lebens, sondern die perfekte Anpassung an die vorgegebenen Ressourcen, dieses ökologische System hat sich so perfekt eingetrimmt auf die physikalischen Kreisläufe das es hier auf der Erde Milliarden Jahre überleben konnte und kann ohne diese Ressourcen zu erschöpfen oder zu überdehnen auch extrem Ereignisse wie schwere Eiszeiten wo die Polkappen fast bis zum Äquator reichten ,oder schwere Vulkanische Aktivitäten die die Atmosphäre für Jahre verdunkelten, schwere Meteoriten Einschläge die mehr Energie freisetzten als alle Waffen der Menscheit zusammen, ja selbst Phasen mit Co2 Gehalten von weit über 7000 ppm, heute sind es rund 400 ppm (ein ehr niedriger Wert in der Erdgeschichte), was keine Gefahr für das Leben hier an sich bedeutet, aber in Zukunft zu einem Massensterben führen kann(wobei nie das ganze Leben ausgelöscht wird) wenn die Methan Vorräte zu schmelzen beginnen. Technisch sind wir nicht mal ansatzweise in der Lage, die Natur in Ihrer Perfektion zu kopieren, das sieht man an Prothesen, oder den Versuch mit Computern das menschliche Gehirn nachzubilden. in den meisten Fällen kopieren wir auch nur die Natur und das mehr schlecht als recht.

          • Stefan Wietzke sagt:

            Stimmt (fast). Ich will an dieser Stelle aber keine evolutionstheoretische Debatte lostreten (obwohl das ein ungemein spannendes Thema ist), denn das ist gar nicht die Frage, die wir in diesem Blog diskutieren.

            Die Biosphäre an sich ist mir ziemlich egal. Mir geht es ganz egoistisch darum, unsere Art zu schützen. Und wenn man Teil eines größeren Systems ist, muss eben auch das größere System so weiter funktionieren, dass ein Platz für uns bleibt.

            Für den Rest tragen wir weder die Verantwortung noch sind wir dafür zuständig.

      • Stefan Wietzke sagt:

        P.S. noch was zu Norberts Argumenten vergessen:

        Thema Komplexitätsverschiebung zwischen Sozialem und Technischem/Wirtschaftlichen

        Das Eine bedingt das Andere. Komplexe soziale Konstruktionen entstehen dann, wenn komplexe techisch/wirtschaftliche Strukturen das erfordern. Nur dann bilden sich Spezialisierungen, komplexe Schicht und Mileustrukturen aus. Reduziere ich das eine reduziert sich das andere. Reduziere ich z.B. den Welthandel reduziert sich der Verhandlungs- und Vertragsbedarf. ich brauche dann weniger internationale Organisationen, weniger Anwälte, NGOs und so weiter.

        Wenn die Menschen sich lokal umeinander kümmern braucht es keine landesweit organisierten Versicherungen usw.

        Aber wie schon gesagt: Das System wird dann wieder lokaler, beherschbarer, krisensicherer aber eben auch ineffizienter. Die Kunst besteht darin, hier genau das richtige Maß zu finden.

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