Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Elgin-Gasleck gestopft, Ölpreis und Wirtschaft im Rückwärtsgang

Der (Brent-)Ölpreis sinkt seit geraumer Zeit von über 120 US$ auf jetzt etwa 110 US$. "Die Spekulanten gehen raus" titelt finanzen.net und macht dies an fallenden Vertragszahlen für steigende Preise fest (long-Positionen). Weniger Geldjongleure an den Börsen, die auf steigende Preise wetten, stattdessen ein unregierbares Griechenland, das in einem Monat erneut wählen muss - will es im Euro bleiben oder will es raus; will es von außen aufgedrückte Reformen umsetzen oder will es die (zweifellos notwendigen) Reformen selbst bestimmen. Die sich (mal wieder) zuspitzende Unsicherheit das Finanzsystem läßt erahnen, dass die Konjunktur den Rückwärtsgang einlegt und in den nächsten Monaten vermutlich weniger Öl gebraucht wird. Angebot und Nachfrage vorgreifend sinken die Ölpreise. In Italien, Spanien, Frankreich und Griechenland sowieso schrumpft die Wirtschaft, nur Deutschland, Finnland und Belgien tragen mit ihren Wachstumsraten zu einem Gesamtwachstum in der Euro-Zone von 0,5% im ersten Quartal 2012 bei. Die Zahlen verdeutlichen die Instabilität im System und die zunehmenden Ungleichgewichte in Europa - kein Wunder, dass auch die Völkerwanderung zunimmt: Fast 1 Million Menschen schwammen 2011 parallel zu den Geldflüssen ins Exportland Deutschland und hinterlassen in ihren Heimatländern Lücken im wirtschaftlichen und im sozialen Netz. Stabiler werden sie dadurch nicht.

Schwimmen ist eines der großen Stichworte dieser Tage: Total hat wohl das Gasleck der Gasplattform Elgin gestopft. Fast 2 Monate sind seit dem dortigen Unfall vergangen, was zeigt, wie schwer es ist, Förderungen auf dem Meer zu kontrollieren und im Un-Fall zu beherrschen. Beendet ist das Thema noch nicht: Total arbeitet an einer Entlastungsbohrung, die einerseits den Druck aus der Förderstelle senken soll, doch andererseits sicherlich dazu dienen soll, den Rohstoff zu fördern - denn im Boden lassen will man das Erdgas letztlich eher nicht. (Demnächst auf Peak-Oil.com: Teil 3 der Reihe zu unkonventioneller Erdöl-Förderung. Diesmal: Gas to Liquid) Dass die Offshore-Förderung, also die Förderung im Meer noch wichtiger werden wird, verdeutlicht die aktuelle Werbung der Maritim Vertriebs GmbH für die neue Anleihe, die das Unternehmen aufgelegt hat und verspricht, 8,25% Zinsen zu bezahlen. Die Firma will sich damit in acht Einschiffgesellschaften einkaufen, die Spezialschiffe betreiben, mit denen Förderplattformen auf See installiert werden können. In der Pressemitteilung wirbt der Geschäftsführer auch mit einem Verweis auf Peak Oil:

Da der Peak-Oil an Land bereits erreicht ist, wird die Offshore-Förderung zur Sicherung der weltweiten Energieversorgung immer wichtiger und ist auf dem aktuellen Ölpreisniveau bereits sehr lukrativ.

Peak Oil treibt uns also raus auf's Meer. Dass selbst das nicht reichen wird, analysierte für TheOilDrum jetzt Luis de Sousa. Er hat die weltweiten Tiefsee-Funde zusammengetragen und kommt zu dem Schluss:

Die Förderung von Tiefsee-Öl wird helfen, den Förderabfall in der Weltproduktion durch die alternden Felder zu verringern. Laut IEA müssen vier mal die Mengen Saudi Arabiens bis 2030 gefunden werden, um den aktuellen Rückgang in den Fördermengen zu ersetzen (was etwa 5 % pro Jahr sind). Die Tiefsee-Gesamtmengen repräsentieren wahrscheinlich weniger als ein halbes Saudi Arabien. Das ist nicht genug!

 

Elgin: Neuer Höhepunkt des fossilen Zeitalters

Das fossile Zeitalter hat möglicherweise einen neuen Höhe- oder besser Tiefpunkt erreicht: Die Bohrinsel Elgin in der schottischen Nordsee wurde evakuiert, weil große Mengen Erdgas ausgetreten sind. Die entstehende Wolke ist explosiv und enthält hochgiftiges Schwefelwasserstoff - das Gas, nach dem auch faule Eier riechen. Neben Elgin wurden auch zwei benachbarte Plattformen evakuiert, eine Zwei-Meilen-Sperrzone für Schiffe und eine Drei-Meilen-Sperrzone für Flugzeuge eingerichtet. Es ist schwer vorstellbar, dass Probleme auf der Plattform direkt dort behoben werden können. Deshalb denkt man nun offenbar über eine Entlastungsbohrung nach, deren Installation offenbar mehrere Monate dauern kann.

Mangels Strom liefert die Plattform keine aktuellen Daten. Ferndiagnose ist demnach schwierig. Die Fördermengen der Plattform entsprechen 3% der britischen Gas- und 5,5% der britischen Ölfördermengen. Die sowieso seit der Jahrtausendwende sinkende Öl- und Gasförderung Großbritanniens wird der Unfall nicht verbessern:

Was an Umweltschäden dazukommt dürfte die Kernfrage in den kommenden Wochen sein. Das Ereignis erinnert nicht nur fatal an die Katastrophe im Golf von Mexiko, es erinnert auch an Szenen aus dem Thriller "Der Schwarm" von Frank Schätzing. Dort spielt Methanhydrat eine große Rolle und auf dem Meer aufsteigende Gasblasen versenken so manches Schiff.

Die neuerliche Katastrophe läßt erahnen, was im Peak-Oil-Umfeld für großes Stirnrunzeln sorgt: Die Risiken der Förderung nehmen immer weiter zu. Nachdem die einfach zu erreichenden Lagerstätten längst erschlossen und in vielen Fällen ihre lokalen Peaks längst hinter sich gebracht haben, werden immer häufiger Lagerstätten erschlossen, deren Ausbeutung risikoreich und teuer sind - mit erhöhten Wahrscheinlichkeiten, auch Umweltkatastrophen mit sich zu bringen. Insbesondere die Tiefseeförderung ist schwierig. Von schwimmenden Plattformen werden mehrere hundert Meter durch Meerwasser und dann mehrere hundert Meter durch den Meeresboden gebohrt, um das dann geförderte Öl oder Gas in hunderte Kilometer langen, auf dem Meeresboden liegenden Pipelines an Land zu transportieren. Unwettern und Erosion sind die Teile dieser komplexen Struktur ausgesetzt und ihr Aufbau ist kosten- und energieintensiv. Es ist nur mit massiver maschineller Unterstützung möglich, überhaupt "Hand" an die Bauteile dieser Förderstrukturen zu legen. Ohne Maschinen wird nie ein Mensch jenen Punkt anfassen, an dem die Bohrung in den Meeresboden geht - ein direkter menschlicher Eingriff ist also, im Gegensatz zu Bohrungen an Land, unmöglich. Die Hoffnungen, weitere Ölvorräte in den Ozeanen zu finden, muss mit dem Bewusstsein einhergehen, dass die Aufrechterhaltung unseres heutigen Verbrauchs durch zusätzliche Risiken für jene Umwelt erkauft wird, die unsere Lebensgrundlage darstellt. Gerade heute wurde auch über Schäden berichtet, die die Deepwater Horizon-Katastrophe an Korallen im Golf von Mexiko hinterließ.

Zwar sind noch sehr große Mengen Öl und Gas unterirdisch verfügbar, aber Kosten und Risiken steigen. "Peak Oil" wird deshalb immer wieder auch übersetzt mit der Ansage: "Das Ende des billigen Öls".

Weitere aktuelle Infos:

US-Regierung erlaubt Bohrung im Golf von Mexiko

Der Hunger nach Öl ist offenbar größer als die Risikovorsorge für die Umwelt. Wenige Monate nach der verheerenden Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat die US-Regierung jetzt wieder Bohrungen erlaubt. Zwar werden (bislang) keine neuen Gebiete für die Ölförderung freigegeben und die fördernden Unternehmen müssen sich an die nach der Katastrophe erlassenen strengeren Umweltauflagen halten, aber der Durst nach Erdöl ist offenbar größer als die Angst vor Umweltschäden.

Und: Auch das Handelsblatt befasst sich mit Peak Oil und seinen Gefahren.