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Interview: Kalte Fusion

Für Telepolis hat Haiko Lietz mehrere Artikel zum Thema Kalte Fusion geschrieben, bei dem jüngst insbesondere der italienische Ingenieur Andrea Rossi eine Rolle spielt. Ich sprach mit Haiko Lietz über seine Eindrücke zur aktuellen Entwicklung:

 

Peak Oil steht ja sinnbildlich für das Maximum der globalen Energieversorgung. Nun mehren sich Gerüchte, dass die "Kalte Fusion auf dem Weg zum Markt" sein könnte (so lautet der Titel eines Artikels von Haiko Lietz für Telepolis). Was genau ist eigentlich "Kalte Fusion"?

Haiko Lietz: "Kalte Fusion" ist der Name, der 1989 dem Fleischmann-Pons-Effekt (FPE) gegeben worden ist. Darunter versteht man den von Martin Fleischmann und Stanley Pons entdeckten Effekt, dass bei der Elektrolyse von schwerem (deuteriertem) Wasser mit einer Palladium-Elektrode mehr Energie in Form von Wärme frei wird, als elektrisch in das System hineingesteckt wird. Die beiden Elektrochemiker vermuteten in ihren Zellen die Fusion von Deuterium, wobei nach klassischem (thermonuklearem) Verständnis die Produktion von Neutronen und Gammastrahlen erwartet wird. Diese suchten und fanden sie vermeintlich auch. Natürlich stürzten sich weltweit dutzende Forschergruppen auf das Experiment und versuchten es zu reproduzieren. Dabei kam heraus, dass in derartigen Experimenten weder Neutronen noch Gammastrahlen wie erwartet entstehen. Das ist auch unumstritten. Fleischmann und Pons hatten sich vermessen. Doch viele Gruppen suchten damals weder nach Überschusswärme oder fanden sie nicht. Deswegen heißt es heute immer wieder, die Kalte Fusion hätte nie reproduziert werden können. Das betrifft jedoch nur die Messung von Neutronen und Gammastrahlung. Der eigentliche FPE ist hundertfach und unabhängig reproduziert worden. Es gibt keinen Zweifel, dass Energie produziert wird. Diese Energie ist zu groß, um chemischer Herkunft zu sein. Sie muss einem nuklearen Prozess entspringen. Nun gibt es eine öffentlich mit viel Tammtamm geführte Diskussion, es handele sich nicht um Fusion, sondern um die Umwandlung von Protonen in Neutronen, die dann mit anderen Protonen verschmelzen. Doch auch solch eine Verschmelzung wäre eine Fusion. Insofern verwende ich den Begriff "Kalte Fusion" für die Energieproduktion, sei es in Palladium/Deuterium-Systemen wie beim FPE oder in Nickel/Wasserstoff-Systemen, die Andrea Rossi bekannt gemacht hat. Neben der Energieproduktion ist die Transmutation (Umwandlung) von Elementen der andere neue Effekt. Beide Phänomene sind niederenergetische Kernreaktionen (Low Energy Nuclear Reactions: LENR). Das Forschungsgebiet, in dem diese Effekte studiert und entwickelt werden, heißt Festkörperkernforschung (Condensed Matter Nuclear Science: CMNS) und ist gerade im Entstehen begriffen.

Und seit wann wird an dieser Technologie geforscht?

Haiko Lietz: Das unterstellt ja, dass es sich dabei tatsächlich um eine Technologie handelt – in diesem Fall also um ein Gerät, in dem in einem kontrollierten Prozess Energie produziert wird. Tatsächlich gibt es mehrere Unternehmen die behaupten, einen quasi fertigen Prototypen zu haben. Die schillerndsten Namen sind Andrea Rossi und Defkalion Green Technologies Global (DGTG). Rossi behauptet, mit einem 1-Megawatt-Generator bereits auf dem Markt zu sein, DGTG will kommendes Jahr mit einem Gerät für den häuslichen Gebrauch auf den Markt kommen. Beide arbeiten an Nickel/Wasserstoff-Systemen. Diese werden seit mehr als 20 Jahren erforscht. Der Pionier auf diesem Gebiet heißt Francesco Piantelli, ein respektiertes Mitglied der Festkörperkernforschung. Die Arbeit von Rossi und DGTG lässt sich direkt auf Piantellis Forschung zurückführen. Es gibt weitere Unternehmen, die an Prototypen arbeiten, und die teilweise noch unmittelbarer der dokumentierten Festkörperkernforschung entstammen. Die Kalte Fusion ist weit gereift seit 1989, was man daran sieht, dass sie auf Knopfdruck präsentiert werden kann und in Anfängen sogar in der Lehre verwendet wird.
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