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Zwischen Öl und Demokratie – Revolution im Nahen Osten

Auf fast 110 Dollar ist der Ölpreis der Sorte Brent heute gestiegen. Auslöser sind die unruhigen politischen Verhältnisse im arabischen und nordafrikanischen Raum. Vorgestern drohten libyische Stämme damit die Ölproduktion stillzulegen. Öl als innenpolitische Waffe - mit enormen Folgen. Laut der aktualisierten Fassung der Bundeswehrstudie zu Peak Oil ist Libyen mit 8,5% viertgrößter Lieferant Deutschlands. Laut Tagesschau ist das Land sogar drittgrößter Lieferant. (In Italien macht lybisches Öl 32% aus.)

Dabei ist es gar nicht unbedingt nötig, dass die ortsansässigen Stämme die Produktion eigenhändig drosseln, aufgrund der instabilen Lage holen westliche Öl-Firmen ihre Mitarbeiter nach Hause: Wintershall hat 8 Ölfelder im Land und holt 130 Mitarbeiter aus Libyen zurück, laut Tagesschau hat auch BP Mitarbeiter aus dem Land geholt. Wintershall hat seine Produktion in Lybien inzwischen ganz eingestellt.

Noch ist kein echter Versorgungsengpass spürbar, aber die derzeitige Situation zeigt sehr deutlich

  • wie abhängig die hiesigen Kraftstoffpreise von den kaum beeinflussbaren Entwicklungen in weit entfernten Ländern sind
  • wie kritisch die Versorgungslage global betrachtet bereits ist.

Stünden andere Fördergebiete zur Verfügung, auf die schnell zurückgegriffen werden könnte, so würden die politischen Umwälzungen im Nahen Osten und Nordafrika durch Umstellung der Lieferwege einen weit geringeren Einfluss haben. Doch in der Phase des Petroleumära, in der wir uns befinden, sind die Kapazitäten für Förderung und Transport bereits stark ausgelastet. Es ist denkbar, dass bei Anhalten der Proteste und bei weiteren Nachrichten sehr starke Preissprünge passieren. Diese müssen nicht zwingend lang anhaltend sein, wenn sich die Lage beruhigt oder klar wird, dass die Ölinfrastrukturen kaum betroffen sind, aber die Ereignisse zeigen, dass unsere Wirtschaftsweise anfällig ist.

Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass die Protest-Phase und die damit einhergehenden Ölpreissteigerungen nicht der Anfang dessen sind, was wir als "Peak-Oil-Wirkungen" bezeichnen, so sollte die aktuelle Entwicklung jedem in den industrialisierten Ländern zeigen, wie wichtig ist, von diesem Rohstoff wegzukommen. Selbst wenn die Situation an den Rohstoffmärkten sich beruhigt ist das auf dem Weg zum Peak Oil nur eine Verschnaufpause, die besser sofort dazu genutzt werden sollte, den Umstieg ins postfossile Zeitalter schnell und strikt einzuleiten.

Gefahr für die deutsche Konjunktur besteht ab 120 Dollar, sagen Ökonomen.
Abhängig vom Euro-Dollar-Wechselkurs können jedoch schon weit vorher Probleme auftauchen. Bereits jetzt sind die Diesel- und Benzinpreise auf Rekordniveau, Wirtschaft und Verbraucher haben enorme Zusatzkosten zu tragen, die die wirtschaftlicht Entwicklung beeinträchtigen werden.

Mit billigem Öl könnte es zudem vorbei sein, wenn die Erkenntnis über die Relevanz des Rohstoffs für die Industrieländer bei denen wächst, die über den Rohstoffzugang verfügen. Aus Sicht der Einwohner gibt es wenig Grund, die Preise zu drücken, so wie das Saudi Arabien als "Zünglein an der OPEC-Zunge" desöfteren getan hat. Aus rein kapitalistischer Sicht ist Gewinnmaximierung logisch. Das bedeutet, dass die Export-Preise für die Förderländer eigentlich nicht hoch genug sein können. Gut möglich, dass solche Diskussionen auch in Libyen auftauchen, immerhin macht Erdöl 95% der Exporterlöse des Landes aus. Siehe auch dazu der Kommentar von Steffen Bukold in der Tagesschau.

Gert Schmidt kommentiert die Entwicklung aus Sicht des Peak-Oil-Barometers wie folgt:

Die fundamentale Situation ist unübersichtlich. Es ist offen, ob Produktionsausfälle in Libyen von anderen arabischen Staaten kurz-, mittel- und langfristig kompensiert werden können. Das Peak Oil-Barometer sollten helfen, in dieser Situation den Überblick zu behalten.

Dazu wurde in den vergangenen Tagen im Kommentarbereich eine
veränderte Indikatorsituation beschrieben.

Die Börse reagiert derzeit nicht mit Panikkäufen. Auch ist eine übermäßige Spekulation nicht erkennbar. Offenbar sind lediglich Marktteilnehmer aktiv, die ihre Versorgungssituation für das Frühjahr und den Sommer sicherstellen und bereit sind, höhere Preise zu bezahlen. Es entsteht die Markttechnik eines Aufwärtstrends.

Mit Erreichen neuer Zwischenhochs wurde die Basis für ein mögliches Davonlaufen der Preise gesetzt. Denn die zuvor bestehende hohe Investitionsquote führte nicht zu einem kräftigeren Rückschlag, wie es Anfang Februar zu erwarten war.

Statt dessen blieben die Marktteilnehmer engagiert. Hinzu kamen
weitere Käufer, die sich über ihre Lieferungen bis zum Sommer Sorgen machen. Die nächste Eskalationsstufe einer Hausse wäre eine Spekulation wie 2008:

Sollten Spekulanten hinzukommen, z.B. angefacht von einer
Verschärfung der Situation in den Ölförderländern, darf mit weiteren
Preissteigerungen gerechnet werden. Das ist derzeit noch nicht
erkennbar und stünde erst noch bevor.

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