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Peak Oil kommt in die Diskussion

So hart die hohen Benzinpreise für den einzelnen Autofahrer auch sind, sie sorgen für Belebung einer Debatte, die lange nicht geführt wurde aber längst überfällig ist. So titelt das Handelsblatt mit Verweis auf den Deutschen Industrie- und Handelskammertag: "DIHK warnt eindringlich vor zu hohen Benzinpreisen". Die Anschaffungskosten für Energie und Rohstoffe werden von den Industrievertretern als "Geschäftsrisiko Nummer eins" bezeichnet. Allerdings wird die Marke von 2 Euro als wichtiger Meilenstein gesehen - und davon sind wir ja weiterhin 30 Cent entfernt.

Auch im TV werden die Benzinpreise diskutiert, insbesondere weil Thüringen in den Bundesrat einen Gesetzesvorschlag eingebracht hat, der als "Benzinpreisbremse" durch die Köpfe wabert aber vor allem für weniger stark schwankende Preise an den Tankstellen sorgen dürfte. Ich war am Freitag ins ARD Morgenmagazin eingeladen, um in 3:30 Minuten meine Sicht auf diese Bremse darzulegen und habe dabei auch auf das Ölfördermaximum hingewiesen. Am Sonntagabend spielte der Peak in der Förderkurve jedoch keine Rolle, als sich bei Günther Jauch Nikki Lauda, Klaus Picard, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbands, und die grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn trafen. Um den heißen Brei herumgeredet wurde. Der Formel-1-Mann und ehemalige Airline-Besitzer (Lauda Air) erfreute sich an den für europäische Verhältnisse niedrigen US-Benzinpreisen. Auch Bärbel Höhn schaffte es nicht (oder wollte es nicht?) das grundlegende Thema des sich verknappenden Rohstoffs in die Diskussion zu tragen, obwohl in der Grünen Bundestagsfraktion das Thema sehr wohl bekannt und erst jüngst durch die EnergyComment-Studie zu den überhöhten Margen der Mineralölkonzerne angesprochen wurde. Im Handelsblatt dagegen wird Bärbel Höhn damit zitiert, dass wir eine Strategie bräuchten, die "weg vom Öl" führt. Interessant: Von der BiLD-Zeitung wurde Finanzminister Schäuble aufgefordert, doch die Autofahrer durch Senkung der "Ökosteuer" oder Anhebung der Pendlerpauschale zu erhöhen. Seine Antwort:

Es wäre grundfalsch, wenn der Gesetzgeber durch Subventionen versuchen würde, den Benzinpreisanstieg zu mindern oder gar auszugleichen. Die Verknappung, die sich in den steigenden Preisen ausdrückt, sorgt für einen sparsameren Umgang mit Energie.

Auf verstärktes Medieninteresse stoßen inzwischen auch die neuen Fördermethoden, die den USA ja derzeit einen lange nicht gekannten Boom in einzelnen Öl- und Gasregionen verschaffen. Bereits Mitte März setzte sich der FOCUS in seiner Print-Version mit Fracking auseinander, jedoch durchaus kritisch. Wir wissen: Mit Hilfe von Fracking können wir unkonventionelle Lagerstätten ausbeuten, wir wissen aber auch, dass dies mit hohen Kosten, hohen Risiken und bislang kaum zu bewertenden Umwelteinwirkungen einher geht. Zu Wort kommt in dem Artikel auch Oberstleutnant Jürgen Panzer, in dessen Dezernat die Bundeswehr-Studie zu Peak Oil entstanden ist. Sein Fazit ist: Angesichts der Unsicherheiten über tatsächlich Reserven und förderbare fossile Energieträger ist eine Strategie hin zu Alternativen sehr sinnvoll.

Greenpeace beobachtet intensiv die Vorgänge rund um die Förderplattform Elgin, auf der die Gasflamme zwar erloschen und damit die Explosionswahrscheinlichkeit gesunken ist, in deren Umfeld die Umweltschützer aber einen Ölteppich entdeckt haben wollen und bei der immer noch die Gefahr besteht, dass den ganzen Sommer über Gas austritt. Der FOCUS interviewte Wolfgang Blendinger, Erdöl-Geologe an der TU Clausthal und ASPO-Gründungsmitglied, der seine Zweifel darüber darstellt, Förderungen in der Tiefsee risikoarm zu machen. Vielmehr ist der Tenor des Interviews: Wir kriegen die Technik nicht vollständig in den Griff, hohe Risiken für die Umwelt und die Arbeiter bleiben immer bestehen, in einigen Regionen sollten sogar Förderverbote ausgesprochen werden. Dass solcherart Verbote Einfluss auf die Fördermengen und den Ölpreis haben würden, ist Blendinger zweifellos bewusst. Es zeigt sich an diesem Beispiel eben, in welchem Zwiespalt wir uns befinden: Halten wir an unserer Ölabhängigkeit fest, müssen wir in den unwegsamsten Gegenden teuer nach Öl bohren und Risiken auf uns und auf unsere Umwelt nehmen, die eigentlich kaum zu tragen sind. Wir verlängern nur jenes fossile Zeitalter, dass uns materiellen Wohlstand ohne Vergleich gebracht hat, aber sein Ende schon sehr deutlich zeigt. Ein ergänzendes Interview mit dem Titel "Gaskonzerne nicht vorbereitet" liefert DerStandard. Im SPIEGEL bringt Stefan Schultz das Dilemma auf den Punkt: "Die Verdrängung der nächsten Katastrophe"

Im US-(Vor-)Wahlkampf spielt der Benzinpreis eine große Rolle. 80 (Euro-)Cent pro Liter ist ein ungewohnt hoher Preis im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Santorum schiebt die hohen Benzinpreise in seinem neuen "Grusel-Spot Obamaville" Obama in die Schuhe. Obwohl nur 18 Cent pro Liter Steuern erhoben werden (zum Vergleich Deutschland: Benzin 65 Cent, Diesel 47 Cent), gilt: "Höhere Benzinsteuern auch nur zu erwähnen, ist hierzulande schon immer politisches Harakiri gewesen". So zitiert DerStandard einen Investmentbanker in einem Artikel, der die Rolle des Spritpreise im Wahlkampfgeschehen beleuchtet. Dass der Polit-Zirkus längst nicht jeden interessiert, darauf verweist die Berliner Zeitung. Sie zitiert die Besitzerin eines kleinen Fischladens an der Golfküste, die nach der durch BP ausgelösten Ölkatastrophe nie einen Cent als Entschädigung gesehen hat und die Versprechungen der Politik leid ist. Im Golf von Mexiko sterben nicht nur die Korallen, auch Delfine werden zunehmend Opfer des weiterhin im Meer befindlichen Öls und der Chemikalien, die benutzt wurden, um das Öl "unsichtbar" zu machen.

Die Briten haben derweil ihren nächsten Spritskandal: Nachdem im Jahr 2000 innerhalb kürzester Zeit die Versorgung mit Treibstoffen gefährdet war, weil die Lastwagenfahrer streikten (ausgelöst durch steigende Spritpreise), kennen die Briten das Problem ohne Treibstoff dazustehen. Daher sorgte die jüngste Empfehlung der Regierung, sich lieber Treibstoffvorräte anzulegen zu Panikkäufen, Tankstellenschließungen und Chaos, das teilweise nur durch Polizeieinsatz auflösbar war. Auslöser war die Streik-Ankündigung einer Gewerkschaft von Kraftfahrern.

Selbst die "Rote Fahne" aber auch die Mittelbayrische Zeitung (hier nachzulesen bei finanznachrichten.de) aber auch Fonds online ("Deutschlands unabhängiges Magazin für Anlageberater") thematisieren Peak Oil und Ölknappheit angesichts der steigenden Benzinpreise. Noch grob im Nebensatz, noch nicht als eines der möglichen Kernprobleme unserer Zukunft, aber die Sensibilität steigt mit den Preisen. Die ganz Optimistischen, in diesem Fall die Unternehmensberatung Bain&Company, sehen in Peak Oil sogar den Treiber des künftigen Wachstums. Der Innovationsschub, der durch den Umstieg auf alternative Energiequellen nötig wird, könne sich wachstumsfördernd auf die Weltwirtschaft auswirken, so die Argumentation. Bleibt zu hoffen, dass die Berater nicht vergessen haben, die bremsenden Wirkungen der steigenden Ölpreise und die zeitliche Dimension eines Paradigmenwechsels in ihr Modell zu integrieren.

3 Kommentare to “Peak Oil kommt in die Diskussion”

  1. eliso sagt:

    Kann der Artikel über die neuen amerikanischen Öl- und Gaslagerstätten mal aufgebarbeitet werden:

    http://www.theoildrum.com/node/9079#more

  2. Robert Rapier formuliert es treffend in dem Kommentar in der Forbes, die ganze Shale Geschichte ist äußerst fragwürdig und ich denke es ist eher eine Equity Geschichte und soll den Status Quo untermauern.

  3. yvesT75 sagt:

    About Peak oil, please do not hesitate to sign (and forward) a call to French presidential candidates “mobilizing society in the face of peak oil” originally published March 22nd in lemonde.fr.

    Signed by :
    Pierre René Bauquis – Former Director of Strategy and Planning at Total
    Jean-Marie Bourdaire – Former Director of Economic Studies at Total, former Director of Studies at World Energy Council (WEC)
    Yves Cochet – European Deputy, former Environment Minister.
    Jean-Marc Jancovici – Consultant, energy and CO2 issues, ASPO France
    Jean Laherrère – Former Chief of Exploration Technologies at Total, ASPO founder
    Yves Mathieu – Former Hydrocarbon Reserves Project Manager at the Institut Francais du Petrole (French Petroleum Institute)

    Translation in English published on Energy Bulletin :
    http://www.energybulletin.net/stories/2012-03-29/mobilizing-society-face-peak-oil-call-french-presidential-candidates

    And on a dedicated site (with petition/join the call functionality) :
    http://tribune-pic-petrolier.org/mobilizing-society-in-the-face-of-peak-oil/

    Any language welcomed for the message!

    Thanks
    Yves

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