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Von Staats wegen

Politik oder Geopolitik ohne Blick auf die Energiefrage verstehen zu wollen, ist wie Wirtschaft verstehen zu wollen, ohne die Geldfrage zu klären.

Ägyptische Energieversorger haben das Gas-Lieferabkommen mit Israel gekündigt. Damit drohen Israel nach Regierungsangaben im Sommer Energieengpässe bis hin zu Stromausfällen, denn der Gasbezug aus dem Nachbarland Ägypten macht rund 40 Prozent des israelischen Bedarfs aus.
schreibt die FAZ

Auf die Pipelines von Ägypten ins jüdisch dominierte Nachbarland gab es seit dem politischen Umbruch 14 Anschläge, die laut FAZ dem extremistischen islamischen Milieu zuzuordnen sind. Energie als Achillesferse, Energie als Kampfplatz, Energie als Waffe - die Abhängigkeiten von den globalen Lieferstrukturen sind für jedes Land gefährlich. Israelische Verantwortliche hoffen, es handele sich mit der Vertragskündigung letztlich "nur" um eine ökonomische Diskussion, in deren Rahmen man beispielsweise zu neuen Preisfestsetzungen kommt. Befürchtet wird, dass die den Lieferungen innewohnende wirtschaftliche Komponente zugunsten politischer Fragen in den Hintergrund tritt und sich Konflikte um die Gaslieferungen entzünden. Da Energierohstoffe essentiell für eine "ordentliche" Kriegsführung sind, würde Gasmangel möglicherweise auch die Einsatzfähigkeit der israelischen Armee beeinträchtigen.

Vermutlich in ganz ähnliche ökonomisch-politische Bereiche sind die Cyber-Angriffe auf den iranischen Ölhafen Khark einzustufen. Die vor Öllägern strotzende Insel liegt unweit von Buschehr, dem bekannten iranischen Kernkraftwerk. Sie verfügt auch über ein Flugfeld. Über den Ölhafen Khark werden laut SPIEGEL 80 bis 90% der Exporte des Iran verschifft, ein Lieferengpass dürfte die Kunden des Irans verschrecken und damit die Sanktionen verstärken. Ein Bekennerschreiben, wie so oft bei terroristischen Anschlägen, ist nicht bekannt. Dass die technische Attacke mit großer Wahrscheinlichkeit Teil der Kriegsvorbereitungen bzw. der verdeckt stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzung ist (siehe: Sentinel-Drohne, Stuxnet-Computerwurm, Sabotage-Gerüchte), werden wir kaum in den Zeitungen lesen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich dabei um staatliche Aktivitäten handelt ist groß. Der israelische Generalstabschefs Benny Ganz sieht seine Armee für einen Einsatz gegen das iranische Atomprogramm vorbereitet. Laut FOCUS gab es seit seinem Dienstantritt vor einem Jahr "deutlich mehr verdeckte Einsätze gegen Israels Feinde in aller Welt". Gehört die Cyber-Attacke eventuell dazu?

Bei solcherlei geopolitischen Fragestellungen lohnt sich ein Blick in die Bundeswehr-Studie zu Peak Oil, denn - wie gesagt - die Geopolitik ohne die Energiefrage verstehen zu wollen ist aussichtslos:

Derzeit spielen Lieferungen aus dem politisch instabilen Nahen Osten nur eine untergeordnete Rolle für die Gesamterdölimporte Deutschlands. Dies könnte sich aber vor dem Hintergrund des Peak Oil, rückläufiger Förderquoten in vielen anderen Lieferländern (besonders den europäischen) und dem damit einhergehenden Kompensationsdruck ändern. Bisher ist es jedoch nicht gelungen, die Einsicht, dass diese Region energiepolitisch für Deutschland immer wichtiger wird, in eine dementsprechend aktive und zielgerichtete Politik umzusetzen. Eine aktive Gestaltung der (Energie-) Beziehungen zu den Ländern des Nahen Ostens wäre jedoch mit sensiblen Aspekten verbunden. Deutschlands Engagement in der Region ist durch das historisch begründete besondere Verhältnis zu Israel, eine vor allem auch normative Konstante deutscher Außenpolitik, gekennzeichnet. Angesichts des Peak Oil könnte es im Verhältnis von interessengeleiteter- und wertegeleiteter Außenpolitik zu einer neuen Dynamik kommen (vgl. Kapitel 4.3). Während die Beziehungen zu den arabischen Staaten einerseits und zu Israel andererseits zwar kein Nullsummenspiel sind, könnte eine möglicherweise durch das Ziel der Energiesicherheit motivierte Intensivierung der Beziehungen mit Förderländern – wie Iran und Saudi-Arabien mit den größten konventionellen Erdölreserven der Region – für die deutsche Nahostpolitik besondere Herausforderungen bedeuten. Eine Einbettung der Nahostpolitik in den europäischen Rahmen eröffnet Deutschland in diesem Zusammenhang politische Spielräume, die im nationalen Alleingang schwerlich realisierbar oder mit hohen politischen Kosten verbunden wären.

Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen - Teil 1: Peak Oil, S. 78 f

Für Deutschland macht es Sinn, vermehrt über Energieunabhängigkeit nachzudenken. Gestern zitiert DERWESTEN anläßlich eines Gutachtens über Fracking den CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Michael Fuchs und schreibt:

„Die Gewinnung von Erdgas aus unkonventionellen Lagerstätten muss möglich sein“, forderte der CDU-Politiker. Das so gewonnene Gas würde der Abhängigkeit von Energieimporten entgegenwirken.

Das Gutachten, das von Exxon-Mobil beauftragt wurde, kommt zu dem Schluß, dass unkonventionelle Fördermethoden in Deutschland einsetzbar wären - außer in Wasserschutzgebieten. Die Gutachter halten die Risiken für beherrschbar. Für "beherrschbar" hielt man auch die Risiken der Tiefseeförderung im Golf von Mexiko oder auf der Elgin-Plattform - sonst wäre man nicht an diese Orte gegangen. Natürlich: Leben ist Risiko, gesellschaftlich stehen wir vor der Frage, ob uns das "beherrschbare Risiko" wert ist, für noch mehr Flachbildschirme/Urlaubsflüge/Formel-1-Rennen/... eingegangen zu werden. Letztlich entscheidet der Staat bzw. die regierenden Vertreter, ob und wie Gesetze geändert und Erlaubnisse erteilt werden, um auch hierzulande nach us-amerikanischem Vorbild zu fördern. Bürgerinitiativen wollen auf solcher Art Entscheidungen Einfluss nehmen.

Der Staat ist es auch, dem Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler mehr Rechte in der Mineralölwirtschaft einräumen will. Die Süddeutsche spricht von "Staatsaufsicht". Bereits Anfang Mai soll ein Gesetzentwurf verabschiedet werden, der im ersten Schritt zu mehr Transparenz der Preisentwicklung an den Tankstellen führt: Die Unternehmen sollen nicht nur Preisänderungen melden, sondern auch sagen, woher sie wieviel Treibstoff bezogen haben. Solcherart Markttransparenz ist angesichts schlechter Datenlage grundsätzlich hilfreich - zumal wenn es um solch einen "explosiven" Stoff wie Mineralöl geht. Doch die Entwicklung, dass der Staat sich genötigt fühlt, in diesen Bereich intensiver einzugreifen, erinnert ebenfalls an Worte, die schon in der Bundeswehr-Studie zu lesen waren:

Die Frage der Verstaatlichung strategisch wichtiger Industrien dürfte in diesem Zusammenhang eine neue Aktualität und Brisanz erhalten, da es für viele Staaten von vitalem Interesse ist, unter den gegebenen Umständen die Kontrolle über die gerade in dieser Lage essenzielle Ressource Erdöl zu behalten. Neben der Verstaatlichung von Öl- und Transportinfrastrukturen in Export- und Transitländern wäre dies auch für zentrale Technologiebereiche zur Umstellung der Wirtschaft und Industrie auf ein post-fossiles Zeitalter denkbar. Im Hinblick auf zentrale Erdölprodukte kann darüber hinaus eine Verstaatlichung kompletter Wertschöpfungsketten nicht ausgeschlossen werden, wenn über Marktmechanismen keine ausreichende Versorgung mehr sichergestellt werden kann.

Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen - Teil 1: Peak Oil, S. 39

Von einer Ver-Staatlichung sind wir im Mineralölbereich noch weit weg, doch die zunehmende Sorge des Staats um die Preis- und Versorgungslage wird anhand dieser Gesetzesinitiative deutlich.

Dass die Spritpreise dennoch weiter steigen werden, hält der EU-Energiekommissar Günther Oettinger für ausgemacht. Die BiLD schreibt:

Gründe für die Teuerung seien die weltweit steigende Öl-Nachfrage sowie höhere Förder- und Produktionskosten.

Grüße vom Peak.

1 Kommentar to “Von Staats wegen”

  1. Frank sagt:

    In diesem Dunstkreis ist auch die Verstaatlichung der Repsol-Tochter YPF durch Argentinien anzusiedeln. Betrachtet man dazu den Konflikt im Südsudan und Syrien (Pipeline Homs) und wieviel Staaten den Benzinpreis für den sozialen Frieden subventionieren müssen, zeigt sich ein Trend, dass Regierungen vermehrt das Zepter in die Hand nehmen.

Diesen Eintrag kommentieren: Frank

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