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Hohe Spritpreise geben Peak-Oil-“Vorgeschmack”

Ob es ein "Vorgeschmack" ist oder ob wir bereits mittendrin im "Peak-Programm" sind, werden wir bekanntlich erst in der Rückschau wissen. Sicher ist: Die hohen Spritpreise sorgen für Diskussionen und sie sorgen für Sorgen. Die Phänomene, die derzeit in den Medien aufgezeigt und kommentiert werden, sind Peak-Oil-Warnern wohlbekannt. Dennoch taucht das Ölfördermaximum in den Medien nur sehr dezent auf.

So meldet die Statistikbehörde EUROSTAT eine Inflationsrate von 2,6% im Euro-Raum. Zwar gibt die Euro-Krise Grund zur Annahme, die Inflationsraten würden steigen, konkret meßbar wird es aber vor allem an den europaweit steigenden Spritpreisen und bei Lebensmitteln. Nun wird gerätselt, wie sich die Europäische Zentralbank verhält, die normalerweise eine Inflationsrate von 2, aber nicht von 2,6% anpeilt. Die Geldtheorie empfiehlt, zur Dämpfung der Inflation die Zinssätze anzuheben - und damit sind wir in einem klassischen Peak-Oil-Szenario, welches vorhersagt, dass mit steigenden Ölpreisen auch die Zinssätze für Kredite steigen. Eine höhere Zinsbelastung wechselwirkt jedoch vor allem mit dem Unternehmensbereich, denn höhere Kapitalkosten kann kein (produzierendes) Unternehmen gut gebrauchen. Steigende Kapitalkosten könnten zur Pleite von Unternehmen führen, auf jeden Fall verteuern sie Investitionen und sind damit Gift für die Konjunktur.

Auch in anderen Bereichen zeigen sich Peak-Oil-Vorhersagen. So meldet die Financial Times mit Bezug auf das Statistische Bundesamt, dass zwar die Gesamtausgaben der deutschen Konsumenten konstant sind, aber im Einzelhandel davon weniger ankommt: Kalender- und saisonbereinigt landeten im Juli 1,3% weniger Geld in den Kassen als im Vormonat. Die hohen Ölpreise lenken also Kaufkraft vom Einzelhandel weg - hin zu den Raffinierien und in die Ölförderländer. Hält diese Tendenz an, so wird sich eine Einkaufs-Zurückhaltung der Einzelhändler in den kommenden Monaten im Großhandel und dann bei den Produzenten niederschlagen. Hohe Ölpreise verschieben also die Einkaufsgewohnheiten und verändern damit, was in der Wirtschaft nachgefragt wird. Fällt diese Änderung stark aus, werden wir auch bald verstärkte Meldungen über Konjunktursorgen lesen müssen.

Die soziale Spaltung durch Peak Oil läßt eine Umfrage der Autogazette durchscheinen. Bei der (nichtrepräsentativen?) Umfrage haben 21% der Befragten angegeben, ihr Auto aufgrund der steigenden Preise nun öfter stehenzulassen. Dagegen sagen 23%, ihnen seien die hohen Spritpreise egal, sie fahren weiter wie zuvor. Letzteres kann nur derjenige tun, dessen Einkommen ausreicht, um sich von dem Preisanstieg nicht abhalten zu lassen. Dagegen gehören zur ersten Gruppe wahrscheinlich jene, deren Budget durch die Spritpreise übermäßig strapaziert wird. 35% der Befragten bemühen sich um eine sparsamere Fahrweise und auf Auto-Fanseiten ist inzwischen zu lesen, was auch BP kürzlich verkündete: "Benzin wird nie mehr billiger"

"Autoexperte" Ferdinand Dudenhöfer kritisiert das Verhalten deutscher Autofahrer. Selbst bei 2 Euro pro Liter, so Dudenhöfer, werde weiter gefahren wie bisher. Eine Umkehr hin zu spritsparenderen Maschinen sei nicht zu erkennen, weil emotional nicht gewollt. Mit 138 PS als Durchschnittswert sind die verkauften Neuwagen in Deutschland so leistungsstark wie noch nie. Mit solchen Autos werde sportlicher gefahren, auch wenn die Technik prinzipiell spritsparender wirkt. Dudenhöfer bringt ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen ins Gespräch und empfiehlt den PKW-Herstellern, verstärkt auf Elektromobilität zu setzen, um einen Gegentrend einzuleiten.

Dagegen sorgen sich Spediteure und Taxifahrer um ihre Existenz. Im LKW-Güter-Fernverkehr machen die Kraftstoffkosten etwa ein Viertel der unternehmerischen Gesamtkosten aus, weshalb Preissteigerungen intensiv zu Buche schlagen. Eine Weitergabe an die Kunden ist im Speditionsgewerbe nur schwer möglich, die Taxi-Gebühren werden von den Kommunen auf lange Sicht festgelegt und können nicht spontan verändert werden. Steigende Spritkosten zehren deshalb die unternehmerische Substanz auf und verstärken mögliche gesamtwirtschaftliche Krisentendenzen. Und die Polizei berichtet wieder verstärkt von Kraftstoffdiebstählen.

So wird jetzt in Deutschland verstärkt danach gerufen, es den Franzosen gleich zu tun und per politische Order den Benzinpreis zu senken. 6 Cent pro Liter ist die Einlösung eines französischen Wahlversprechens. 3 davon aus dem Staatssäckel, 3 von den Mineralölkonzernen - das macht statistisch grade mal 10 bis 15 Euro Ersparnis über die angepeilten 3 Monate, wie Karin Finkenzeller in der ZEIT berechnet. Diese für den Autofahrer also eher psychologische Maßnahme hat auf Seiten des Staates jedoch handfestere Wirkungen: Frankreichs Staatshaushalt könnte die Aktion 300 Millionen Euro kosten. In Zeiten, wo auch Frankreichs Finanz-Rating infrage steht, macht es eigentlich wenig Sinn, das Finanzloch zu vergößern. Wirtschaftsminister Pierre Moscovici will diesen Einnahmeverlust denn auch später wieder ausgleichen - und Ausgaben kürzen oder andere Steuern anheben, wodurch der Bürger dann also auf anderen Wegen die kurze Spritpreissenkung in Rechnung gestellt bekommt.

Zwischen den Ländern der Internationalen Energieagentur kommt es offenbar zu Meinungsverschiedenheiten, wie die strategischen Ölreserven eingesetzt werden sollen. Frankreich und die USA würden gern Teile der Reserven freigeben, um die Ölpreise zu drücken, andere Länder scheinen die Ursprungsidee der Ölreserven noch nicht über Bord werfen zu wollen: Echte Verknappung, wie sie im Zuge der Ölkrise 1973/1974 auftrat, zu lindern. Der Appell der IEA-Mitglieder an die Ölförderländer, doch bitte die Ölförderung auszuweiten, erscheinen unter dem Blickwinkel eines nahen Peak Oil eher naiv. Er richtet sich vor allem an den "Swing-Producer" Saudi Arabien. Gut möglich, dass sich in Preiskrisen wie jetzt zeigt, wie intensiv der Zusammenhalt zwischen Saudi Arabien und den USA wirklich ist und wie flexibel die angeblich umfangreichen freien Förderkapazitäten der Saudis locker gemacht werden können. Die Frankfurter Rundschau vermutet hinter den IEA-Überlegungen eher eine Warnung an Ölspekulanten, in jedem Fall offenbart die Ankündigung eine gewisse Verzweiflung über die hohen Preise.

Das Stichwort "Peak Oil" oder Verweise auf das globale Ölfördermaximum gibt es in der Presse jedoch weiterhin nicht wirklich. Man muss schon auf Investorenwebseiten gehen, um darüber zu stolpern. Wallstreet Online hat den Fondsmanager Sreejith Banerji interviewt, der sich mit Verweis auf die unkonventionellen Ölreserven zwar ablehnend gegenüber der Idee eines nahen Fördergipfels äußert, aber dennoch weiß, wo seine Gewinne der Zukunft liegen: Bei Investitionen in knappe Ressourcen. Hohe Preise mögen Spediteure und Taxifahrer an den Rand der Existenz bringen, die Rohstoffhändler scheinen jedoch eine goldene Zukunft vor sich zu sehen:

Die gegenwärtige Ressourcenknappheit ist absolut beispiellos. Selbst wenn es Funde mit leicht zugänglichen Vorkommen von Öl und Gas gäbe, ginge die Knappheit weiter. Denn die Industrialisierung führt dazu, dass nicht nur Ländern wie Japan oder Südkorea immer mehr Güter nachfragen. Auch in China und Indien gibt es Milliarden von Menschen die plötzlich wohlhabend sind.

Weitere Infos:

4 Kommentare to “Hohe Spritpreise geben Peak-Oil-“Vorgeschmack””

  1. Sukram sagt:

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    These einer Zeitenwende:
    Forscher ortet das Ende des gloriosen Wirtschaftswachstums

    Laut einer neuen US-Studie ist für dieses Jahrhundert in den reichsten Industrieländern mit weit tieferem Wirtschaftswachstum zu rechnen, als dies die 150 Jahre zuvor gebracht haben. Und dies unter anderem darum, weil das Smartphone keinen Vergleich mit der Dampfmaschine und dem Verbrennungsmotor aushält. …
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    http://www.nzz.ch/aktuell/wirtschaft/wirtschaftsnachrichten/forscher-ortet-das-ende-des-gloriosen-wirtschaftswachstums-1.17535184

    Den Stoff, der den Motor bisher antrieb, hat er total übersehen…

    Auch hübsch formuliert:
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    Zankapfel Erdölpreis

    …Ein Analytiker des Beratungsunternehmens Petromatrix meint maliziös, dass die G-7-Länder von der Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) eine Produktionserhöhung wollten, um die Folgen der G-7-Sanktionen gegen ein Opec-Mitglied zu kompensieren…
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    http://www.nzz.ch/meinung/kommentare/zankapfel-erdoelpreis-1.17541726

  2. GermanStacker sagt:

    Also sind wir langfristig in einem Szenario von Rezession und sozialer Krise gefangen. Jeder Ausbruchsversuch der alten Ökonomie wird sofort durch steigende Energiepreise gedeckelt, und die explodierte Weltbevölkerung muss sich mit weniger Konsum zufrieden geben und gleichzeitig neue gesellschaftliche Werte entwickeln. Wir brauchen gar nichts aktiv dazu tun – der Ölpreis macht das ganz allein.

  3. roderik sagt:

    Seltsam ist es schon, dass der Begriff Peak Oil so sorgsam gemieden wird. Insbesondere da wir eine Wissenschaft haben, die sich ausweislich ihres eigenen Selbstbildes mit Knappheit beschäftigt: die Ökonomie. Diese meidet jedoch den Gedanken an Peak Oil wie der Teufel das Weihwasser.

    Frage: Könnte es sein, dass sich nach Überschreiten des Peaks die ökonomischen Gesetzmässigkeiten ändern?

    Vielleicht sollte man über folgende Punkte genauer nachdenken:

    Steuerung der Konjunktur durch den Zins
    Vor dem Peak ist es möglich, je Zeiteinheit eine immer grössere Menge von Erdöl zu gleichen oder sinkenden Kosten zu fördern. Läuft die Konjunktur also schlecht, senkt man die Zinsen – die Kosten für Geld – dadurch steigt die wirtschaftliche Aktivität und die Arbeitslosigkeit sinkt. Zwar erhöht sich auch der Energiekonsum, was aber nur kurzfristig zu höheren Preisen führt, da die Angebotsmenge jederzeit gesteigert werden kann.
    Ist der Peak überschritten, könnte dieser Steuerungsmechanismus zerbrechen, weil der Versuch, die Menge des geförderten Erdöls zu steigern, zwangsläufig dazu führt, qualitativ schlechtere und damit teurere Rohstoffquellen (Teersande, Shale) zu erschliessen. Nun sind es jedoch deren Grenzkosten, die den Preis für Energie festlegen und diese treiben ihn nach oben, was die Wirkung des billigen Geldes neutralisiert. Die Konjunktur springt doch nicht oder nur kurzfristig an.

    Inflation
    Vor dem Peak fliesst das Geld, das keine Anlagemöglichkeit in der Realwirtschaft findet, ins Finanzcasino. Die dort vollzogenen Geschäfte mit Vermögenswerten sind als Nullsummenspiele konzipiert und haben eine nur schwache Auswirkung auf die reale Ökonomie. Insbesondere die exponentiell steigende Geldmenge kann hier relativ schadlos geparkt werden. Viele sehen die Beträge auf ihren Konten wachsen und fühlen sich immer reicher, da die Inflation vergleichsweise gering ist.
    Setzt sich nun die Erkenntnis durch, das ein Peak statt gefunden hat, wirkt dies wie eine Einladung zur Spekulation in Rohstoffe, weil knappe Rohstoffe steigende Preise erwarten lassen. Das grosse Geld kehrt zum kleinen Geld zurück mit der Folge, dass nun auch die Preise für normale Waren steigen.

    Wachstum
    Vor dem Peak ist es möglich, je Zeiteinheit immer mehr Produkte und Dienstleistungen zu erstellen und anzubieten, was tendenziell allen Menschen zu Gute kommen kann. Wir haben ein Plussummenspiel.
    Ist der Peak überschritten, muss jeder, der mehr Produkte und Dienstleistungen für sich beansprucht, diese entweder jemand anderem wegnehmen oder sehr viel effizienter wirtschaften. Wir erhalten ein Nullsummenspiel.

    Globalisierung
    Vor dem Peak ist es möglich, die Produktionsketten rund um den Globus immer weiter zu verlängern, weil die Transportkosten gering sind.
    Nach dem Peak steigen die Transportkosten und werden die eingeübten langen Produktionsketten unterbrechen. (Schon heute lassen die Reeder, um Treibstoff zu sparen, ihre Schiffe – auch vor dem Horn von Afrika – so langsam fahren, dass sie leicht von Piraten gekapert werden können).

    Transferleistungen
    Auf unserer Welt arbeiten einige Milliarden unsichtbarer Energiesklaven für uns. Diese erhalten dafür keine Gegenleistung und also kann deren Arbeitsleistung problemlos umverteilt werden. Unserer Ökonomie erscheint dieser wachsende Verteilungsspielraum jedoch als Ergebnis der von unseren “Leistungsträgern” bewirkten Effizienz. Vor dem Peak ist es möglich diese Transferleistungen permanent zu steigern.
    Nach dem Peak, wenn weniger Energiesklaven zur Verfügung stehen, sinkt die Arbeitsleitung und es muss zu verstärkten Verteilungskämpfen – einerseits zwischenstaatlich, aber auch innerstaatlich – um diese Transferleistungen kommen. Das Märchen von der wunderbaren Effizienz unserer Wirtschaft / unserer Leistungsträger, entpuppt sich als Fata Morgana.

    Rohstoffförderung
    Vor dem Peak ist es möglich mit billiger Energie nahezu jede Rohstoffquelle zu erschliessen. Da alle endlichen Rohstoffe den gleichen Gesetzmässigkeiten wie Peak-Oil ausgesetzt sind, wird es einerseits irgendwann zu einer Verknappung dieser Rohstoffe kommen, andererseits wird man bei der Ausbeutung auch hier immer schlechtere Rohstoffquellen ausbeuten müssen. Diese Ausbeutung ist mit einem höheren Energieverbrauch verbunden, sodass die “graue Energie”, die in diesen Rohstoffen steckt, steigen muss. Bei gleichzeitiger Energieverknappung schlagen sich diese höheren Energiekosten überproportional in den Preisen der geförderten Rohstoffe nieder. Das Problem des EROEI gibt es also allgemein bei Rohstoffen (und das geht bis zu unseren Nahrungsmitteln.)

    Ressourcennutzung
    Vor dem Peak ist es so, dass natürliche oder mineralische Ressourcen, die langfristig in ihrer Wertentwicklung den Zins unterschreiten, abgebaut und damit verbraucht werden. Da die Wirtschaft ohnehin aufgrund der günstigen Bedingungen seitens der Rohstoffbasis wächst und damit die Konjunktur gut läuft, ist der Zins tendenziell hoch, was die Ausbeutung natürlicher Rohstoffe übertreibt. Wir haben es also mit einem Produkt und Verbrauchermarkt zu tun.
    Nach dem Peak, wenn die Konjunktur schlecht läuft und der Zins niedrig ist, liegen die erwarteten Wertsteigerungen der natürlichen und mineralischen Ressourcen tendenziell über dem Zins. Jetzt lohnt es sich für die Besitzer dieser Ressourcen (sofern sie es sich leisten können) im Boden zu lassen und nicht zu fördern, wodurch die Preise der Ressourcen und damit die Gewinne weiter steigen. Wir erhalten einen Ressourcen- und Rohstoffmarkt. Dieser schädigt die Konjunktur und besonders alle, die ihr Einkommen aus der laufenden Periode erhalten.

    Ich weiss nicht, ob diese Überlegungen alle so korrekt sind, aber ich fürchte, es könnte so sein.

  4. eliso sagt:

    Aus der Ecke von – There is no tomorrow – auch sehr gut aufgearbeitet und präsentiert:

    What the Economic Crisis Really Means – and what we can do about it

    http://www.youtube.com/watch?v=euhkIesmW7E

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