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Benzinpreisentwicklung planbar machen – Ein Diskussionsbeitrag

Ein Problem für Unternehmen wie auch städtische Entscheider ist, dass Peak Oil mit Unsicherheit behaftet ist. Es gilt zwar als anerkannt, dass Erdöl endlich ist, aber das Prinzip des Peak Oil läßt sich im Detail anzweifeln und es gibt längst keine Sicherheit darüber, wann Peak Oil eintritt und welche Preisentwicklung dies hervorruft. Diese Unsicherheit kann zu Planungsfehlern führen, die zwischenzeitlich Wettbewerbsnachteile ergeben können. So äußerte ein Dresdner Stadtrat nach meinem Vortrag beim Runden Tisch zum Verkehrsentwicklungsplan2025+, dass heute aufgrund von Peak-Oil-Szenarien getroffene Entscheidungen sich in der Zukunft aufgrund unerwarteter Entwicklungen als mangelhaft herausstellen könnten, wodurch die Anpassungskosten sich als Nachteil heraustellen. So könnte der Aufbau eines O-Bus-Netzes in einer Stadt sich als Fehlinvestition herausstellen, wenn die Ölpreisprognosen nicht wie erwartet (und befürchtet) eintreten. Gerade im politischen Kontext müssen solche Entscheidungen jedoch gegenüber der Bevölkerung gerechtfertigt werden und die Angst der Entscheider, ihre Entscheidungen könnten "unpassend" sein, ist groß.

Daraus ergibt sich unter Peak-Oil-Gesichtspunkten eine schwierige Situation. Frühzeitiges Handeln wäre angebracht, um die negativen Peak-Oil-Wirkungen zu verringern. Doch vorbeugendes Handeln birgt das Risiko, dass die Entwicklung (wenn auch nur zwischenzeitlich) anders verlaufen könnte und dadurch Rechtfertigungsdruck bei den Entscheidern entsteht. Daher erscheint es den Entscheidern sinnvoller, den bisherigen Entwicklungspfad beizubehalten, statt aus ihm vorbeugend auszubrechen.

Für Neulinge: Als "Peak Oil" wird der Höhepunkt der globalen Ölförderung bezeichnet. Europa hat seinen Peak Oil um die Jahrtausendwende erreicht, im Vergleich zu 2002 liegen die Fördermengen heute um 40% niedriger. Da Öl in allen wirtschaftlichen Aktivitäten eine Rolle spielt, haben steigende Ölpreise starke ökonomische Auswirkungen, die teilweise unsere heutige Lebensweise drastisch infrage stellen. Um Mobilität auch ohne Öl zu ermöglichen, müssen unsere Verkehrsstrukturen möglichst rechtzeitig angepasst werden. Dieser Artikel ist Teil der Suche nach Anpassungsmaßnahmen - und kein unbedachtes Plädoyer für steigende Spritpreise. Für den Anstieg der Spritpreise hat der Abfall der Förderraten in den vergangenen Jahren ganz von allein gesorgt: Seit der Jahrtausendwende hat sich der Ölpreis verfünffacht, ohne dass die Steuern sich nennenswert geändert hätten.

Das große Problem für die Entscheider ist also Planungsunsicherheit. Größere Planungssicherheit wäre vorhanden, wenn der Ölpreis vorhersagbar wäre. Wenn klar wäre, dass im Jahr 2016 der Ölpreis bei 200 US$ und der Benzinpreis bei 2,30 Euro stünde, wäre Handeln einfacher. Diese Klarheit existiert jedoch nicht. Sie wäre jedoch grundsätzlich herstellbar, aber auch dies bedeutet, vorausschauende Entscheidungen zu treffen. Ein politisch zweifellos strittiger, aber prinzipiell gangbarer Weg wäre, einen klaren Preisentwicklungspfad politisch anzustreben. So könnte die Steuerlast auf Mineralölprodukte so organisiert werden, dass sich ein stabiler Entwicklungspfad der Endverbraucherpreise ergibt. Beispielsweise könnten folgende Preise staatlicherseits vorgegeben werden:

  • 2013: 1,70
  • 2014: 1,80
  • 2015: 1,90
  • 2016: 2,00
  • 2017: 2,10
  • 2018: 2,20
  • ...

Planungssicherheit wäre plötzlich vorhanden: Benzin würde von Jahr zu Jahr um 10 Cent teurer werden. Diese Sicherheit würde für Anpassungsmaßnahmen sorgen, sofern die Marktteilnehmer sicher sein können, dass dieser Weg konsequent beschritten wird. Der Staat als Hauptakteur in diesem Prozess könnte die Steuern auf Mineralöl so flexibel setzen, dass immer der geplante Endverbraucherpreis realisiert wird - es gäbe also keinen fixen Steuersatz, sondern die Steuern ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Einkaufspreis und dem angestrebten Preisziel. Das Risiko, dass der Ölpreis tatsächlich schneller steigt, als das Preisentwicklungsszenario annimmt, könnte zugleich der Staat tragen. Er subventioniert dann zeitweilig die übermäßig gestiegenen Preise. Umgekehrt profitiert er dann durch zusätzliche Steuereinnahmen, wenn die Ölpreise nicht so schnell steigen, wie das Preisentwicklungsszenario vorgibt. Die Differenz aus Einkaufs- und Verkaufspreis würde in den Stabilisierungs-Fonds fließen und dort Puffer aufbauen, die dann abgeschmolzen werden, wenn der Einkaufspreis über dem Verkaufspreis liegt. Um die Marktkräfte nicht völlig auszugrenzen wäre auch denkbar, einen Preiskorridor vorzugeben, der Wettbewerb innerhalb dieses Korridors zuläßt. Die Preise an den Tankstellen würden dann also beispielsweise um +-5 Cent von der Zielmarke abweichen, je nachdem wie der Wettbewerb unter den Anbietern läuft. Dann wäre zwar keine absolute, aber relative Preissicherheit gegeben.

Die Steuereinnahmen müssen nicht zweckentfernt genutzt werden. Prinzipiell wäre ein Bonus-Malus-System einsetzbar, bei dem die Bürger überschüssige Einnahmen zurückbekommen. Wer viel Sprit verbraucht würde mehr Steuern zahlen, als er als Rückvergütung erhält. Wer wenig Sprit verbraucht, würde durch die Rückvergütungen überproportional profitieren. Bonus-Malus-Systeme sind lenkende Instrumente, bei dem erwünschtes Verhalten durch höhere Rückvergütungen befördert wird. Denkbar wäre auch, keine Direktvergütung vorzunehmen, sondern die Steuereinnahmen zum Ausbau jener Strukturen zu nutzen, die eine Abkehr vom Öl ermöglichen. In diesem Fall würde das System zwei Anreize kombinieren: Planungssicherheit durch klar vorgebene Preisentwicklung plus finanzielle Förderung jener Strukturen, die eine Ölabkehr erleichtern. Beispielsweise könnten O-Bus-Strecken auf Basis Erneuerbarer Energien in Kommunen mitfinanziert werden.

Dieser Vorschlag ist unausgereift und konträr zu vielen gewohnten Regelungen. Allein einen staatlichen Einfluss zu denken, um Preise auf einen Entwicklungspfad zu lenken, widerspricht üblichem Marktwirtschaftsdenken. Unausgereift ist der Vorschlag auch, da Preisfestsetzungen immer zu Marktverzerrungen führen und von einzelnen Akteuren zu Mißbrauch genutzt werden können. Marktverzerrungen sind in dem Maße ja Sinn dieses Vorschlags, da die Planungssicherheit kalkulierbar steigender Spritpreise die Kommunen, Unternehmen und Haushalte in die Lage versetzt, langfristige Entscheidungen treffen zu können, ohne sich kurzfristig Wettbewerbsnachteile einzuhandeln. Marktverzerrungen derart, dass die Mineralölkonzerne die staatlichen Garantien zugunsten ihrer Gewinnmargen ausschlachten, sollten durch clevere Regelungen verhindert werden. Da kann das Kartellamt sicherlich passende Vorschläge machen.

Es ist zu erwarten, dass Vorschläge wie dieser in der öffentlichen Diskussion auf massive Ablehnung stößt. Befürchtet würde sicherlich eine "Abzocke" der Autofahrer durch einen immer stärker zugreifenden Staat. Dem Autofahrer wird jedoch in den kommenden Jahren so oder so eine deutlich spürbare Preissteigerung ins Haus stehen, das erwartet selbst die Internationale Energieagentur. Was obige Diskussionsgrundlage beinhaltet ist, die Preissteigerungen nicht rein vom Marktgeschehen und geopolitischen Entwicklungen in den Ölförderländern abhängig zu machen, sondern für alle Treibstoffnutzer planbarer zu machen. Planbarkeit hat den Vorteil, dass Unsicherheiten und Risiken vermieden werden. Zu erwarten wäre bei Umsetzung solch eines Vorschlags, dass Kommunen stärker in den ÖPNV und verdichtete Stadtstrukturen investieren, dass Unternehmen bei Dienstwagen und der Standortsuche noch stärker den Spritverbrauch achten und dass Haushalte ihre Anschaffungen unter der klar definierten Erwartung steigender Benzinpreise abwägen. Ein Umbau zu Strukturen, die auch ohne Öl funktionieren, würde vermutlich stark beschleunigt. Dem Autofahrer aber auch den Fuhrunternehmen wäre klar, was preislich auf sie zukommt. In der heutigen Situation, die rein marktgetrieben und auf Szenarien und Prognosen angewiesen ist, bestehen über die künftige Preisentwicklung zwar grobe Annahmen, die aber als unsicher empfunden werden und daher nicht in die Strategien einbezogen werden. Das führt soweit, dass im Verkehrsentwicklungsplan 2025+ der Landeshauptstadt Dresden keine Annahmen über den künftigen Ölpreis getroffen werden.

7 Kommentare to “Benzinpreisentwicklung planbar machen – Ein Diskussionsbeitrag”

  1. Tom Schülke sagt:

    Ein Verfahren zur Beschleunigung der mit Peak Oil notwendig werdenden Infrastrukturumbauten, ist aus meiner Sicht sicher wünschenswert.

    Doch das erste Argument , dass man den Planern derzeitiger Verkehrskonzepte verdeutlichen sollte, ist , dass zu einer realistischen Risikoanalyse zukünftiger Preisentwicklungen am Energiemarkt, eben nicht nur zu bedenken ist, was bei nicht-eintreffen einer Verteurung geschieht, sondern auch, was bei Eintreffen der Preissteigerungen im Energiesektor auf uns Zukommt, wenn wir nicht rechtzeitig handeln.

    Bei aller Unsicherheit in den Prognosen halte ich das Risiko für sehr stark asymetrisch. Zu spätes Handeln führt auf direktem Weg in die Probleme der Energiefalle, wie wir Sie hier auf Peak-Oil.com bereits beschrieben haben. http://www.peak-oil.com/2012/07/die-energiefalle/
    Zu spätes Handeln, zerstört in großem Maßstab unsere Optionen, den Entwicklungen noch etwas entgegensetzen zu können, und die negativen rückckopplungseffekte einer dann sehr wahrscheinlich deflationären Wirtschaft werden das Ihre dazu tun. Dagegen steht sicherlich die gefahr zu früh zu handeln. sicherlich. doch Das dieses eine vergleichbar negative Wirkung hätte ist doch sehr unwahrscheinlich.

    Das größte Problem dieses Vorschlages sehr ich letztlich in der in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen Problematik selber. Der großteil der Bevölkerung würde wie im Artikel auch beschrieben lediglich das Goldene Kalb, “Marktwirtschaft” torpediert sehen und abzocke wittern.

    Auch hier muß natürlich vermittelt werden, dass die Mechanismen des Marktes, weitaus zu spät auf das Problem PO reagieren würden. Der Wahrnehumungshorizont ist schlicht zu kurzfristig. So wünschenswert ein solcher Vorschlag wäre, so sehr würde er derzeit immer noch an fehlendem Verständnis scheitern. So wie man deutlich ja auch an den Reaktionen des WEO der IEA ablesen kann.

  2. Jörg Andreas sagt:

    Die langfristigen und sicher auch vernünftigen Anpassungsmaßnahmen zu Peak-Oil, sind nach meiner Ansicht schwerlich über ein Preisfestsetzungssystem zu realisieren. Die Revolte ist vorprogrammiert. Besser wäre da die Idee einer anschaulichen “Offenbarung” der wahren (sozialen & ökologischen) Kosten fossiler Mobilität, über ein System von Energie- oder Ökoabgaben. Die Crux ist natürlich, auch dies den Menschen zu vermitteln.

    Ein Ansatz ist in meinen Augen die Erhöhung des “Leidensdrucks” anstatt der Verteuerung des “Safts”. Es gibt keinen rationalen Grund, warum in einer Großstadt Fahradfahrer nicht grundsätzlich Vorrang vor Autofahrern haben söllten. Dies würde andere Muster bedienen und Investitionen in eine andere Infrastruktur erleichtern. Der Wandel findet in den Köpfen statt – und natürlich auch am Geldbeutel.

    • Ert sagt:

      @Jörg

      Die Problematik bez. Radverkehr ist das leider immer noch an der autogerechten Stadt gearbeitet wird. das Buch “Totalschaden – Das Autohasserbuch” ist hier wirklich zu empfehlen.

      Ich habe es aktuell wieder – Parkplätze für Pkw sind wichtiger als Radfahrer und Fußgänger.

      Radwege sind bewiesener Maßen gefährlicher als das Fahren auf der Fahrbahn – fast egal wie viele Kfz dort fahren. Die BASt Studie V184 untersucht dieses und kommt zu einem ziemlich schlechten Ergebnis für insb. benutzungspflichtige Radwege. Aus politischen Gründen wurden die bekannt gefährlichen Kontenpunkte ausgespart – ansonsten hätte man das Thema benutzungspflichtigen Radwege in Deutschland beerdigen müssen – was man aber aus anderen Gründen nicht will.

      Ein sinnvolles Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit gibt es ja auch nicht. Feinstaub und Verschmutzung der Luft in den Innenstädten spielen anscheinend nicht einmal bei den Anwohnern eine Rolle.

      Eine Einsicht kann ich nicht sehen – auch will dieses die Mehrheit anscheinend nicht. Und wenn, dann oft nur wenn daraus ein persönlicher finanzieller Vorteil abgeleitet werden kann.

  3. Patrick sagt:

    Prinzipiell finde ich diesen Vorschlag der Preissteuerung und Planbarkeit richtig gut.

    Wenigstens befasst sich mal jemand mit alternativen Methoden. Denn eins ist klar: so weitermachen wie bisher mit der gleichen Politik und den gleichen Politikern wie bisher wird uns am Ende ins Chaos stürzen. Das sehe ich absolut vorprogrammiert.

    Das Problem der Entscheider kann ich sogar nachvollziehen. Der ach so schlaue Bürger würde es nicht verstehen, wenn massig Kohle in den ÖPNV und Elektrifizierung, Radewege etc. gesteckt würde und dann der Spritpreis in den kommenden Jahren eher niedrig bleibt. (was ja aufgrund der weltweiten Rezessionen durchaus möglich ist)
    Dann kommenn die Konservativen Polit-Heinies und nehmen den Pöbel gleich mit!

    Es ist letztendlich immer genau das gleiche Problem. Aufklärung und Akzeptanz. Egal welche Maßnahmen wir treffen werden: solange der Großteil der 80 Mio. Einwohner in der BRD nichts von Peak Oil wissen (oder wissen wollen) oder einfach ablehnen, werden wir nichts ausrichten können.

    Das gilt für so einen Markteingriff wie die planbaren Spritpreise, wie auch eine Energie-/Öko-Abgabe, die ja hier auch vorgeschalgen wurde.
    Ich glaube, es gibt mehrere Optionen (vielleicht sogar in Kombination), die uns wirklich helfen würden, aber ohne die breite Akzeptanz der Bürger der eigentlichen Problemstellung werden sich keine Politiker finden (Kommunal-, Landes- oder Bundesebene), die irgendetwas in dieser Richtung unterstützen werden.
    Denn Politiker denken in sehr kurzen Perionden – von Wahl zu Wahl.

  4. Paul Nellen sagt:

    Die Planbarkeit und eine gewisse marktseitige Verstetigung des auf lange Sicht unvermeidlichen Preisauftriebs für Erdöl herzustellen war auch die Zielsetzung des “Oil Depletion Protocol” von Colin Campbell und Richard Heinberg. Kurz gefasst: “…ein globales, kooperatives Rationierungssystem zur Produktions-, Verbrauchs- und Importreduktion von Erdöl, um die weltweit wachsende Nachfrage nach Erdöl in eine einigermaßen ausgeglichene Balance mit den allmählich knapper und damit teurer werdenden Vorräten zu bringen… Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Öl importierenden Länder ihre Einfuhren in dem Maße kürzen, wie die Ölreserven zurückgehen. Entsprechend müssten auch die erdölexportierenden Nationen ihre Erdölausfuhren drosseln. Dies würde dazu führen, dass der Ölpreis zwar hoch, aber stabil und damit kalkulierbar bliebe. Damit könne für Erdöl eine Preisumgebung hergestellt werden, die es allen Ländern gleichermaßen erlaube, sich geordnet auf die unvermeidlich kommende und bereits absehbare Zukunft ohne Öl einzustellen.” (WP). Die Umsetzung dieser Idee setzt voraus, dass sich alle Staaten weltweit im Sinne eines “Protokolls” zu einer solchen Maßnahme verpflichten. Zuvor müsste allerdings ebenso weltweit und einhellig Peak Oil als historische Zäsur und damit die Phase der allmählichen Angebotsbegrenzung festgestellt worden sein. Davon kann keine Rede sein. Solange immer wieder noch Funde getätigt werden und das Vertrauen in technische Innovationen à la Fracking, Horizontalbohrungen usw. groß ist, werden Regierungen lieber – “Alles halb so schlimm!” – mit dem Spatz in der Hand zufrieden sein. Im Rahmen anhaltender Wirtschafts-, Verschuldungs- und politischer Legitimierungskrisen wird der Ruf nach staatlich verordneter Erdöl- bzw. Benzinverteuerung auf – wie es dann heißen wird – “voluntaristischer, wissenschaftlich umstrittener Grundlage” schnell wutbürgerlich erstickt werden. Man kann nur versuchen, mit Unterstützung weitsichtiger PolitikerInnen in Ländern und Kommunen Aufklärung über krisenresilientes Verhalten bzw. eine postfossile Lebensstilumstellung zu betreiben. Die geopolitischen Spannungen der kommenden Jahre werden dazu reichlich Anlass bieten und Zulauf bewirken.

    Das Wissen über die Endlichkeit und tendenziell sich auch im Preis abbildende Knappheit des Rohstoffs Erdöl ist inzwischen überall vorhanden. Das natürliche, Generationen übergreifende Denken der Menschen jenseits der wahlpolitischen “Alle-4-Jahre”-Periodisierung muss wieder aktiviert werden, ebenso wie das Bewusstsein, den wertvollen Rohstoff Öl den nachfolgenden Generationen noch überlassen zu sollen und nicht durch Auspuffe in die CO2-geschwängerte Luft blasen zu dürfen. Dass ein postfossilbewusstes Leben Wohlstand und Zufriedenheit bedeuten kann – auch weil es Ballast abwirft, für den wir alle viele “graue Kosten” (mit)bezahlen –, das werden uns – “bottom-up” – eher die Beispiele vieler Einzelner und mancher Gruppen (etwa der “Transition-Town-Bewegung”) aufzeigen und damit zur Nachahmung anregen. Politische “top-down”-Modelle mit Durchgriffscharakter, etwa auf der Ebene abgabenbasierter Preisgestaltung, werden dagegen eher zu Trotzreaktionen und Widerstand führen. Indirekte Ausweich- und Verstärkungsstrategien und politische Angebote als Reaktion auf neue, politisch artikulierte Bedarfe im Zuge von Lebensstiländerungen (Beispiel Erweiterung der Radfahr- und ÖPNV-Spuren auf Kosten des bislang bevorzugten Autoverkehrs) dürften auch wahlpolitisch sehr viel besser zu legitimieren sein. Die Frage, ob eine Verkehrs- oder Infrastrukturinvestition “auch bei einem sehr viel höheren Ölpreis als heute” die Erwartungen und die (künftigen) Kosten rechtfertigt, sollte für die postfossile politische Praxeologie der Zukunft zum Standard gehören. Sie ähnelt damit der Frage nordamerikanischer Indianer nach der “7. Generation”, gegenüber welcher eine Maßnahme perspektivisch noch Bestand haben muss, wenn sie gebilligt werden will. Schon eine kurze planspielerische Überlegung, welche Auswirkungen eine geopolitische Krise etwa im Nahen Osten auf die Ölpreiskurve haben wird, kann dabei helfen, manche Sorglosigkeiten in Wirtschaft und Verwaltung zu zerstreuen und zu resilientem Vorsorgeverhalten zu bewegen. Bei diesem Bewußtwerdungswandel akiv mitzuwirken hätte die Politik noch eine strukturierende Aufgabe.

  5. Tom Schülke sagt:

    Tja.

    heute seh ich die letzte Sternausgabe mit einer Titelstorry…..

    “Wie der neue Ölrausch die Welt verändert”…

    Ich fühle mich versucht den Journalisten dort einen Besuch abzustatten und sie zu fragen wie viele (wenige) Stunden Sie sich mit dem WEO beschäftigt haben.. Wahrscheinlich nur den Waschzettel gelesen..

    Und der Bürger meint nun überzeugt… Öl.. alles kein Problem. Die Weltuntergangsspinner wollen uns weiter abzocken…

    Traurig.

  6. Marcus Kracht sagt:

    Der kalkulierbare Endpreis für das Benzin hat den Haken, dass letztlich das Risiko auf den Staat abgewälzt wird. Der muss dann die Unwägbarkeiten schultern, denn den Rohölpreis kann er nicht diktieren. Da die Risiken aber auch für den Staat ständig zunehmen (siehe Euro-Krise), wäre es vernünftiger, die Menschen darüber aufzuklären, dass die Zeiten der Sicherheit sich dem Ende nähern. Auf lange Sicht nehmen die Risiken sowieso überall zu. Wir müssen uns daran gewöhnen.

    — Marcus

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