Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Nachlese: “Fracking für die Freiheit?” in Hamburg

Vergangenen Dienstag luden BUND und PFI zu einer Diskussionsrunde unter dem Titel "Fracking für die Freiheit?" ein. Wegen eines Todesfalls in der Familie und überraschenden beruflichen Verpflichtungen musste die Runde ein wenig umgestaltet werden, so dass Jo Müller für Paul Nellen als Moderator einsprang und ich statt Christoph Senz einen Einführungsvortrag hielt.

Die Ursprungsidee für den Abend ging auf eine Kolumne von SPIEGEL-ONLINE-Kolumnist Jan Fleischauer sowie meine Antwort auf dessen Artikel zurück. Er forderte angesichts der Ukraine-Krise im März "Fracking für die Freiheit" und argumentierte, man müsse sich für unabhängigere Außenpolitik unabhängiger von russischen Gaslieferungen machen. In meiner Replik darauf wollte ich darauf hinweisen, dass Fracking nur einen winzigen Teil der russischen Gasimporte ausgleichen könne und mit hohen Risiken verbunden sei. Etwa 30 Besucher wollten diese Diskussion verfolgen, allerdings...

...allerdings schien so manche Argumentation von Jan Fleischhauer zu provokant, so dass erste Zuhörer bereits zu Beginn der Diskussion wieder dem Ausgang zustrebten. Er vertrat die Ansicht, dass in der Fracking-Diskussion sehr viel Irrationales in der Diskussion sei und warf den Fracking-Gegnern vor, diffuse Ängste zu pflegen, unter anderem vor dem, was da "aus der Erde kommen könne". Als Beleg führte er an, dass Fracking bereits seit den 1960ern auch in Deutschland praktiziert würde und erst jetzt - nachdem der Atomstreit gewonnen sei - sich das grüne Milieu neuen Schlachtfeldern zuwende. Die psychologische Dimension des Streits um Fracking bzw. hinsichtlich der Ausrichtung unserer Energieversorgung finde ich sehr spannend. Allerdings schien nicht jeder an dem Abend auf solch eine Debatte eingestellt.

Einigkeit auf dem Podium kam - in meiner Wahrnehmung - darüber zustande, dass über die Konsequenzen des Umbaus der Energieversorgung und des Verzichts auf Schiefergas und "Schieferöl" kaum diskutiert wird. Die Grünen, die Jan Fleischhauer als Lieblingsfeind erkoren hat (eine auf Gegenseitigkeit beruhende Verbindung), führen eine wachstumskritische Diskussion kaum noch, weil kaum Antworten da seien, die kompatibel zum gängigen Wählerwillen seien: Wie wolle man denn steigende Staatsausgaben und hohen materiellen Lebensstandard in Einklang bringen mit einer schrumpfenden Energiezufuhr und schrumpfender Wirtschaft? Mutige Systemdiskussionen, die aus dem Mantra "Egal wie wir Energieversorgung und Wirtschaft ausrichten, der Lebensstandard steigt" ausberechen, gibt es in der politischen Arena kaum noch.

Obwohl diese Überlegungen durchaus provokant daherkommen, empfand ich den Abend als lehrreich. Auch wenn das nicht alle so sahen, muss festgehalten werden: Es war der Versuch eine überfällige Diskussion zu führen. Eine Diskussion über die Widersprüchlichkeiten dieser Zeit, festgemacht an Fracking und Windrädern.

Dank an Paul Nellen und BUND für Organisation, Dank an Jo Müller für recht spontane Moderation, Dank an Jan Fleischhauer für interessante Diskussion. Dank an Zuhörer für kritische und konstruktive Fragen und Diskussionsbeiträge!

35 Kommentare to “Nachlese: “Fracking für die Freiheit?” in Hamburg”

  1. Ted sagt:

    ” Die Grünen, die Jan Fleischhauer als Lieblingsfeind erkoren hat (eine auf Gegenseitigkeit beruhende Verbindung), führen eine wachstumskritische Diskussion kaum noch, weil kaum Antworten da seien, die kompatibel zum gängigen Wählerwillen seien: Wie wolle man denn steigende Staatsausgaben und hohen materiellen Lebensstandard in Einklang bringen mit einer schrumpfenden Energiezufuhr und schrumpfender Wirtschaft? Mutige Systemdiskussionen, die aus dem Mantra “Egal wie wir Energieversorgung und Wirtschaft ausrichten, der Lebensstandard steigt” ausberechen, gibt es in der politischen Arena kaum noch.”

    Ein sehr wichtiger Aspekt.
    Die Probleme sind real, naturgesetzlich, wir alle mitverantwortlich und letztlich nicht zu überwinden (bestenfalls abzumildern).

    Das entspricht aber nicht dem, was der gemeine Mensch sich wünscht.
    Sofern er die Probleme überhaupt erkennt, möchte er Schuld zuweisen…

  2. Danke fuer die Nachlese.

    Greift es nicht etwas kurz, die Diskussion auf parteipolitische Scharmuetzel und den Willen einer schlecht informierten Waehlerschaft zu begrenzen? Heute ist doch entscheidend, ob wir “Freiheit” von fossiler Energie moeglichst bald und damit kontrolliert, oder spaeter zwanghaft durch massive Krisen erlangen.

  3. Florian Hoppe sagt:

    Es überrascht mich nicht, dass Fleischhauer gleich mit dem alten “60 Jahre” Mythos gekommen ist.

    http://mythopedia.mediamatters.org/myths/fracking-has-been-used-without-incident-for-over-60-years

  4. Galaske, Heinz sagt:

    Wer behauptet, dass die Freiheit Deutschlands durch Fracking verteidigt wird,(es gab auch schon jemanden, der meinte, die Freiheit Deutschlands wird am Hindukusch verteidigt) der hat keine Ahnung, was im Inneren des Landes passiert und wie die Kinder heranwachsen. Denn die Freiheit Deutschlands wird in der Schule, in jeder einzelnen Klasse verteidigt. Nicht von Öl- und Gasbohrer oder Soldaten. Von Lehrern!
    Deswegen: Verpulvert das Geld nicht für Technologien,die heute schon erkennbar ein Auslaufmodell sind,stellt mehr Lehrkräfte ein,die fähig und willens sind, die Kinder zu verstehen, sie da abzuholen
    wo sie stehen. Aber die vor allem so sensibilisiert und ausgebildet sind, dass sie allen Kindern die gleiche Chance geben, sie fördern und ihnen eine gemeinsame Identität vermitteln können.

  5. Michael Egloff sagt:

    Mal ganz abgesehen von der (stutzig machenden) starken Intransparenz der Fracking-Firmen, der teils dichten Besiedlung der deutschen Shale-Gebiete usw:
    der Slogan “Fracking für die Freiheit” hätte ja nur dann eine Berechtigung, wenn man die Importabhängigkeit von Gasexporteuren außerhalb der EU massiv senken oder beseitigen könnte. Und zwar auf längere Sicht.

    Bestenfalls (!) würde aber die Freigabe der Gasförderung in Deutschland aus dichtem Gestein per Fracking maximal ausreichen, um den ständig zurückgehenden Anteil an konventionellem deutschan Gas zu kompensieren, allerbestenfalls vielleicht noch den kommenden Rückgang der Gasimporte aus EU-Ländern. Mehr werden die deutschen Shales nicht hergeben. Und auch das eben nicht auf Dauer, sondern für vielleicht 2 Jahrzehnte.
    Die Abhängigkeit von geopolitisch unkalkulierbaren Ländern außerhalb der EU könnte also bestenfalls für eine gewisse Zeit auf heutigem Niveau stabilisiert werden, um dann in 20 Jahren sprunghaft abzusteigen.

    Der Slogan suggeriert also eine Energieunabhängigkeit, die sich nicht im Entferntesten erreichen ließe.

    • Michael Egloff sagt:

      Interessant übrigens bei den Folien zum Einführungsvortrag die Folie zu den Schätzungen der Shalegasvorkommen in den USA und insbesondere in Polen.
      Von gigantisch in 2010 durch die EIA bis zu fast nichts 2 Jahre später.
      Diese Schätzerei ohne verlässliche Datengrundlage ist einfach nur unseriös.
      Genau so könnte es den deutschen unkonventionellen Gasvorkommen gehen.
      Flächendeckend wurde hier überhaupt noch nichts erkundet.
      Auch in der Ukraine nicht, diesem angeblichen unkonventionellen Gasparadies.

  6. Tom schülke sagt:

    Zunächst mal hat es mich sehr gefreut, Norbert live zu erleben. Das von ihm vorgetragene Einstiegsreferat hätte jede grundlage geliefert die diskussion im angemessenen Rahmen der allgemeinen Energieressourcenverfügbarkeit auf ihre tatsächliche Sinnhaftigkeit für unsere zukunft abzuklopfen. Jan Fleischauer schien mir die Diskussion jedoch viel zu stark auf eine reine Psychologieangelegenheit zu reduzieren. Sosehr ängste und Irrationale Wahrnehmungen aber auch ein wichtiges thema sind, reicht es dennoch nicht aus die Debatte darauf zu reduzieren. Das einige Zuhörer sich nicht auf psychologisch verängstigte affektgrüne reduzieren lassen wollten ist verständlich. Deswegen aber genervt den Saal zu verlassen war aber sicher kein hilfreicher beitrag. Norbert gebührt der Respekt die situation zugunsten einer besseren Diskussionskultur gerettet zu haben in dem er für eine etwas entspanntere Herangehensweise an Jan Fleischauers Provokante Thesen plädierte. In seinem schlusswort plädierte Der für ein Entspannteres Heranngehen an das Thema. “Mann solle doch die firmen einfach machen lassen. Sie selber seien es doch die im Fall eines scheiterns des Frackings die Kosten zu tragen Hätten”. Ein wahrhaftig naiver Gedanke im Anbetracht der Atommüllendlagerungs debatte, wie Jo Müller zum Abschluss Dankenswerter weise sehr deutlich machte.
    Es war dennoch sehr Unterhaltsam, auch wenn Jan Fleischauer scheinbar nicht wirklich bereit war das Frackingthema im grösseren Rahmen zu beleuchten.

  7. Frank Bell sagt:

    Als Beleg führte er an, dass Fracking bereits seit den 1960ern auch in Deutschland praktiziert würde

    So ein Dummkopf!

    Er sollte einmal in Fachpublikationen nachlesen, in denen unter anderem Schlumberger Ltd. schreibt.

    Da kann er dann nachlesen, dass die Technologie erst zwischen 1985 und 2005 nach und nach entwickelt wurde.

    • Norbert Rost sagt:

      Es gab sicherlich schon länger technische Aspekte, die eingesetzt wurden, die sich auch beim Fracking wiederfinden. Insbesondere das Aufsprengen von dichtem Gestein wurde sicherlich auch schon vor 2005 zur Stimulierung von Lagerstätten eingesetzt.

      Nun kann man drüber diskutieren, inwieweit die “neueren Aspekte” das heutige Fracking erst “ZU DEM” Fracking machen, aber das ist ja nur eine akademische Diskussion: Horizontale Bohrungen, mehrere Bohrungen von eine Bohrplatz aus, Fracking-Fluids aus verschiedenen Chemikalien, flächendeckender Einsatz der Technologie.

      Aber um diese Diskussion wirklich angemessen zu führen, fehlte uns ein Geologe vor Ort…

      • Frank Bell sagt:

        @ Norbert Rost

        DAS sind alles neuere Techniken.

        Im übrigen: NICHTS wird über Nacht gänzlich neu erfunden. Das glaubt nur eine naturwissenschaftlich unbeleckte Öffentlichkeit.

        Es werden immer Ideen anhand vorhandener, älterer Ideen weiter-entwickelt, es kommen neue Aspekte hinzu, etc.

        Selbst so etwas wie die Schrödinger-Gleichung oder die Quantelung von Energie ist nicht einfach aus dem Nichts entstanden, auch wenn die Konsequenzen (für die Zeitgenossen) sicherlich “revolutionär” waren.

    • Stephan sagt:

      Man kann Fracking ja auch mit dem Hot-Dry-Rock-Verfahren (Aufpressen von Gestein unter hohen Druck in Tiefen von 3.000 bis 6.000 m) bei der Geothermie vergleichen:
      http://de.wikipedia.org/wiki/Hot-Dry-Rock-Verfahren

      Ich hatte gerade noch mal bei Wikipedia nachgelesen: Auch bei Fracking wird bis in mehrere tausend Meter Tiefe Gestein aufgepresst. Allerdings sind die Behörden, Medien und Anwohner in Bezug auf entstehende Erdbeben anscheinend nicht so empfindlich wie die Bewohner Mitteleuropas (s. Einstellung der Geothermiebohrungen bei Basel).

  8. Ert sagt:

    @Norbert

    Klasse Präsentation – und Herr Fleischhauer scheint ja viele “Hau Drauf” Kommentare zu haben. Ohne fundierte Argumente bleibt eben oft nur Polemik – mag ich da fast denken mögen, ohne dies natürlich Herrn Fleischhauer unterstellen zu wollen.

    Es ist echt ein Wahnsinn wie verschiedene Personen eine bevorstehende Änderung nicht einmal gedanklich zulassen bzw. akzeptieren wollen – selbst wenn es mit einfachsten mathematischen und Mittel und selbst nach allen offiziellen “System”-Informationen kein drumrum um eine Änderung gibt – wie Du auch aufgezeigt hast.

    Die faktische Angst – das Deutschland PostIndustriell oder PostFossil werden können sitzt da wohl sehr tief.

    Aber wo ist das Problem? Mir ist es doch egal ob wir PostIrgendwas (C) werden – solange das ganze ProFreiheit, ProWarmerHintern, ProVollerMagen sowie ProEinmalAmTagEinLächelnImGesicht (Minimum ;-) ist.

    • Frank Bell sagt:

      Bedenke:

      Wenn wir PostIndustriell werden, sind wir sicher nicht die einzigen, die es werden!

      Und manche Nationen werden es niemals geworden sein.

      Wahrscheinlich haben einige dieser sogenannten “Rechten” grosse Angst, etwas anders als Wachstum, Wachstum, Wachstum der Öffentlichkeit präsentieren zu müssen.

      Denn dann kann man auch nicht mehr auf Menschen in Hartz IV schimpfen.

  9. Kai Fischer sagt:

    Na, also ich fand das Norbert das ganze Thema anfangs sehr versachlicht hat. Das hat aber Herrn Fleischauer nicht gepasst und er fing an zu provozieren und inhaltlich falsche Sachen zu sagen z.B. “In Niedersachsen hat es ja auch keinen Fracking Widerstand gegeben” usw.
    Im Prinzip hat Norbert es ZU GUT gemacht, indem durch den Einführungsvortrag jedem klar wurde das selbst wenn man das (Fracking) nun macht, es ein Tropfen auf den heißen Stein ist, die Probleme aber nicht löst. Damit war Fleischauer in die Ecke gedrängt und musste auf die Grünen eindreschen und sinnbefreite Äußerungen loslassen. Schade. Aber unbequeme Wahrheiten sind eben unpopulär trotz cooler Quote.

  10. Florian Hoppe sagt:

    Persönlich frage ich mich ja, ob Herr Fleischhauer in seiner Kolumne auf den vergangenen Dienstag eingehen wird.

    Ansonsten:
    http://www.stilstand.de/wider-den-bosen-okologismus/
    Einige Auszüge aus Fleischhauers Gedankengut.

    Ihr werdet jetzt sicher bei einigen Zitaten den Kopf schütteln und denken “Was für ein Betonkopf”.

    Ganz so einfach ist es aber nicht, wir mir vor kurzem dieser Artikel hier klar machte.
    http://www.huffingtonpost.com/bill-shireman/how-environmentalists-cre_b_4855881.html
    Ich empfehle den Artikel selbst gründlich durchzulesen.

    Zusammengefasst sagt er, dass sich sowohl die Ökologiebewegung und die wirtschaftsliberale/libertäre Szene in ihren Kampf gegeneinander immer mehr gegenseitig radikalisiert haben und somit zu Extrempositionen/Betonkopfdenken beigetragen haben.

    • Frank Bell sagt:

      @ Florian Hoppe

      Die Aussage “wenn beide Seiten nicht so radikal wären, könnten wir spielend Lösungen finden” ist reichlich naiv.

      Auch die angebliche Angst der Koch-Brüder, Umweltschutzauflagen würden den “freien Handel” vernichten, ist unsinnig. Deren Macht ist so gross, dass es aufgrund von Monopolen schon gar keinen freien Handel mehr gibt.

      Wenn die Koch-Brüder “freier Handel” sagen, meinen sie Bereicherung auf Kosten der Ärmeren, Umverteilung.

      • Frank Bell sagt:

        P.S. Die angeführte Aussage von Naomi Klein ist meiner Meinung nicht radikal, sondern vernünftig, wenn man der Meinung ist, dass die Reichen zuviel Geld und dadurch zuviel Macht haben.

        Die folgenden Aussagen kann ich vollständig unterstützen:

        scale back overconsumption, bring back long-term planning, heavily regulate and tax corporations, maybe even nationalize some of them, cut military spending

        Auch unser Grundgesetz erlaubt Enteignungen.

  11. Stephan sagt:

    Was ist Fracking:
    “Mit Vollgas hochgiftige Schlackse in die Erde wemsen und dann mal kucken was so passiert” (Copyright Heute-Show aus “Energie für Männer”) ;-).

    • Stephan sagt:

      Und etwa nicht so lustiges…

      ” Wie wolle man denn steigende Staatsausgaben und hohen materiellen Lebensstandard in Einklang bringen mit einer schrumpfenden Energiezufuhr und schrumpfender Wirtschaft?”

      Das wir auch in Deutschland inzwischen jede Menge Armut haben wird leider oft vergessen, wobei das trotzdem überhaupt kein Vergleich zu Südeuropa ist:

      “Jahrespressekonferenz 2014

      „Es entsetzt uns, dass immer mehr Menschen von Armut betroffen sind, obwohl Deutschlands Wirtschaftszahlen gut sind. Die Tafeln sind eine Kompassnadel für gesellschaftliche Entwicklungen. Bei uns wird die Not der Menschen sichtbar. Wir beobachten schon seit längerem die Tendenz, dass neben ALG-II-Empfängern auch Menschen zu uns kommen, die Arbeit haben. Das sind vor allem Alleinerziehende und ihre Kinder, prekär Beschäftigte und Teilzeitkräfte. ”
      http://www.tafel.de/news-detailseite/artikel/jahrespressekonferenz.html

      1. Tafel 1993, heute (2014) über 900 (S. 4):
      http://www.tafel.de/fileadmin/pdf/Publikationen/Taf_JB13_Gesamt_140521.pdf

      Interessant ist bei dieser Grafik auf S. 4 auch der Vergleich mit den Arbeitslosenquote, genauer dem Anteilen der Arbeitslosen an den Erwerbstätigen: Seit 2005 gibt es Hartz IV, vorher traten Hartz I bis III in Kraft, in diesem Jahr gab es auch ein relatives Maximum bei der Arbeitslosenquote von 13,0% und seither ist die Zahl der Tafeln sehr stark gestiegen obwohl sich gleichzeitig die Quote nahezu halbiert. Dies ist vermutlich zum einen die Folge der Ausbreitung von Mini-Jobs, deren Inhaber damit nicht mehr als arbeitslos gelten, aber auch von Leiharbeit mit letztlich sinkendem Lohnniveau, was auch gleichzeitig zu Problemen bei den Renten- und Krankenkassen führt.

      • Frank Bell sagt:

        Die Tafeln, das ist so eine Sache.

        Wo ich wohne, werden alle, die kein Hartz IV bekommen, abgewiesen, auch wenn sie hilfsbedürftig sind. Also ganz besonders prekär Beschäftigte und Teilzeitkräfte.

        Das finde ich wenig vertrauenserweckend.

        Übrigens: Dass Krankenkassen Probleme haben, höre ich zum ersten Mal. Denn erstens konnte man die “Praxisgebühr” abschaffen und zweitens ist die TK in der Lage, Beiträge zurückzuzahlen.

        • Stephan sagt:

          Was zahlst Du dazu, wenn Du einen Zahnersatz oder eine neue Brille brauchst? Wie umfangreich ist eine Zahnsteinbehandlung und wie oft findet sie statt pro Jahr?
          Wieviele Menschen werden nach einer Operation noch leicht blutend nach Hause entlassen und trotzdem ist der Beitragssatz ständig gestiegen?
          Was ist mit Zuzahlungen für Krankentransporte?
          Krankenhäuser werden geschlossen, dabei geht ein Tag pro Woche jeweils für Verwaltungskram drauf.

          Ein Grund für die steigenden Beitragssätze sind vor allem wohl die ständig steigenden Ausgaben für Medikamente.

  12. Ert sagt:

    Eine gute Zusammenfassung von Orlov bez. der “Age Of Limits” Konferenz: http://cluborlov.blogspot.de/2014/05/review-age-of-limits-2014.html

    Da war auch Meadows anwesend – der dort gesagt hat, das wenn erst einmal “ein Peak” erreicht ist, das LtG Modell aus den 70ern nicht mehr aussagekrüftig ist – und ganz andere Dynamiken anstehen: “Once the peaks occur (between 2015 and 2020) all bets are off: past that point, the model’s predictive ability is not to be relied on because the assumptions on which it relies will no longer be valid.”

    Man achte auch auf den Zeitrahmen…..

    Gail hat auch aus Ihrer Präsentation bei der Konferenz einen Artikel gemacht: http://ourfiniteworld.com/2014/05/29/converging-energy-crises-and-how-our-current-situation-differs-from-the-past – nicht viel neues, aber der gelegentliche Leser findet einen guten Kondens!

    Ich glaube Rons vorletzter Artikel ist ganz untergegangen: http://peakoilbarrel.com/closer-look-saudi-arabia/ – er beleuchtet Saudi Arabien. Kurzzusammenfassung: Es ist vorbei… Ghawar ist fertig.. jetzt machen die nach Wasser noch CO2 – und alle alten Felder, dis bisher nicht wirtschaftlich waren, sind “online”. Ab nun gehts nur noch in eine Richtung!

    Happy Collaps! ;-)

    • Marcus Kracht sagt:

      @Ert

      Danke für die Zusammenfassung. Ich hatte gestern über die ASPO diese Beiträge entdeckt und gelesen. Ich fand sie sehr empfehlenswert.

      Ich unterstreiche, was Dennis Meadows gesagt hat: in einem langem Interview erwähnte er einmal, dass die größten Probleme bereits vor dem Peak auftreten, weil die Wachstum gewohnten Systeme ausgebremst werden. In diesem Moment, so scheint mir, werden viele Reaktionen auf das Problem erprobt, die uns mal in die eine mal in die andere zerren.
      Kommt der Peak, ist das meiste gelaufen. Zeit für ausgewogene Entscheidungen wird man nicht mehr haben. Was dann genau passiert, ist alles andere als klar.

      Ich persönlich gehe von einer Wirtschaftskrise 2014/15 aus (Kyle Bass hat sich nicht nur passimistische über Japan geäußert, siehe http://www.domokos-kracht.eu/marcus/2015.html, sondern kürzlich ebenso über China, siehe auch die Kommentare auf http://www.theautomaticearth.com). Diese Krise wird heftiger ausfallen als 2008, weil alle “Rezepte” bereits ausprobiert wurden. Die schwelenden Konflikte können ein Übriges zur Destabilisierung tun.

      Die Krise könnte (aber muss nicht) den Energieverbrauch in den Keller reißen. Dann hätte sich das Fracking erst einmal erledigt. Sagt mein Optimismus …

    • Stephan sagt:

      @Norbert Rost

      Danke für das Wachhalten der Bürger in Sachen Peak Oil. ;-)

      @Ert
      Danke für den Artikel zur Problematik der Ölförderung in Saudi-Arabien. Matthew Simmons hatte also wirklich Recht gehabt mit seinen Analysen des “Water cuts” bei der saudi-arabischen Ölförderung. Allerdings hatte er diese Offline-Felder nicht oder nicht mehr “auf dem Schirm” (Copyright Captain Piccard oder Captain Kirk – nein ich bin kein Trekki ;-) ).

      Bei der Analyse der ersten Grafik mit dem monatlichen Förderverlauf der Ölförderung in Saudi-Arabien (SA) ist mir aufgefallen, dass hier eine deutliche Differenz zu den Zahlen von BP (“BP Statistical Review of World Energy” ) z.B. dem von 2013 existiert. Laut BP hatte SA in 2009 eine durchschnittliche Förderung von 9,7 Mio. Barrel pro Tag (bpd). In der Grafik von peakoilbarrel.com kann man allerdings nur eine Förderung von etwa 8,1 Mio. bpd herauslesen. Hängt das mit der Dazunahme von NGL bei der BP-Statistik zusammen?

  13. Florian Hoppe sagt:

    http://www.huffingtonpost.com/2014/05/31/american-driving-car-decl_n_5424867.html

    Seit 2004 ist die Anzahl der autofahrenden U.S. Haushalte anscheinend um 10% zurückgegangen. Bei jungen Leuten ist die Anzahl an Führerscheinbesitzern auf weniger als 70% geschrumpft. (Vor 20 Jahren waren es noch 87%.)

    @China: Dazu hab ich mich ja letztens schon geäußert. China durchlebt aktuell einen sehr starken demographischen Wandel, welcher auch schwerwiegende Folgen für deren Wirtschaft haben wird.

    Siehe auch hier:
    http://www.businessinsider.com/8-charts-on-chinese-demographics-2013-11

  14. Florian Hoppe sagt:

    Schlechte Nachrichten für Kanada.

    http://www.huffingtonpost.com/jeffrey-rubin/will-asian-gas-deal-quash_b_5393303.html
    Der China/Russland Gas Deal wahrscheinlich kanadische LNG Exportpläne zunichte machen. (Hauptsächlich weil das russische Gas die Gaspreise in China auf unter 10$ treiben könnte und LNG per Schiff dann zu teuer wäre.)
    http://www.huffingtonpost.com/jeffrey-rubin/are-harpers-dreams-of-can_b_5432598.html
    Zum gleichen Zeitpunkt, wird ein neues Ölsand Projekt in Kanada auf Eis gelegt, weil es scheinbar nicht wirtschaftlich operabel wäre.

  15. Stephan sagt:

    Ich habe hier noch ein paar Artikel aufgelistet, die meiner Meinung nach wichtig sind in Bezug auf die weitere Entwicklung von Saudi-Arabien im politischen Sinne:

    Die Zukunft von Saudi-Arabien steht auf Messers Schneide
    31.05.2014
    von Hans Jakob Ginsburg

    In diesem Artikel steckt allerdings eine falsche Zahl:”Die saudische Königsfamilie verfügt über wesentlich mehr Erdöl als Katar, muss aber 21 Millionen Landeskinder in einem Land von der sechsfachen Größe Deutschlands ruhig halten.”

    Es sind inzwischen ca. 27 Mio. Landeskinder, wenn man den Angaben des CIA Factbooks Glauben schenken darf:
    http://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sa.html

    Nach Wikipedia waren es im Jahr 2011 schon über 28 Mio. Einwohner und bei einer Wachstumsrate von 2,2% pro Jahr wäre es heute schon 30 Mio.

    Ein weiteres Zitat aus obigem Wiwo-Artikel:
    ” Nach Informationen des US-Magazins „Bloomberg Businessweek“ haben die staatlichen saudischen Finanzplaner mindestens 20 Milliarden Dollar weniger Öleinnahmen in den kommenden fünf Jahren eingeplant. ”

    Das wären bei 115 Dollar pro Barrel nur etwa 100.000 Barrel pro Tag weniger, also praktisch nichts für Saudi-Arabien. Diese Zahl ist also, wenn man an den Artikel von Ron Patterson denkt, definitiv zu gering angesetzt.

    Neue Hinweise für Unruhen in Saudi-Arabien / BBC-Dokumentation erhält selten gewährte Einblicke in die von Unruhen geprägte östliche Provinz Saudi-Arabiens

    30.05.2014 10:13
    Quelle: BBC World News newsroom

    Iran und Saudi-Arabien: Die Rivalen gehen aufeinander zu
    15. Mai 2014
    Quelle: dpa
    “Zwar liegt noch kein offizielles Einladungsschreiben vor, ein baldiges Treffen zwischen den beiden Außenministern in Riad steht allerdings wohl auf der Agenda.”

    Tödliches Coronavirus – Neue Mers-Tote in Saudi-Arabien
    13.05.2014 10:59 Uhr von Marc Röhlig

    Deutsche Rüstungslieferungen Warum Saudi-Arabien militärisch sicher sein muss
    4. Januar 2013 15:19
    Ein Gastbeitrag von James W. Davis
    James W. Davis, 49, ist Professor für internationale Politik und Direktor des Institutes für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen.

  16. Norbert Rost sagt:

    Jan Fleischhauer hat seine Erfahrungen der oben genannten Veranstaltung ebenfalls aufgeschrieben und in eine SPON-Kolumne verwandelt:
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/fracking-jan-fleischhauer-ueber-die-deutsche-angst-vor-dem-bohren-a-974313.html

    Wie immer: Provokant gegenüber grünen Weltbildern, aber leicht einseitig in der Argumentation. Stichwort: 300 Fracs in Deutschland in der Vergangenheit sind kaum vergleichbar mit dem großindustriellen Einsatz der Technologie, wenn es erstmal losginge. Schließlich ist die unkonventionelle Gasförderung mehr oder weniger eine DEZENTRALE Energiegewinnung, so weit ist das Gas im Gestein verteilt. Auch fehlt die Abwägung, ob der Einsatz einer Technologie auch zielführend ist – angesichts des vorhergehenden Aufrufs von ihm, “Fracking für die Freiheit” zu betreiben ist sie das wohl kaum. Die zu erwartenden Fördermengen lassen keine Unabhängigkeit von Putin erwarten.

    Den Seitenhieb auf den Film, den wir in Hamburg gezeigt haben, ist aber durchaus gerechtfertigt. Der rein technische Blickwinkel (http://www.oerb.com/?tabid=242) war leider nur auf Englisch zu haben. Der ARD-Film trug jedoch die Konnotation der “bösen Technologie” bereits in sich. Dass sich davon Jan Fleischhauer provoziert fühlen würde ist aus jetziger Sicht mehr als nachvollziehbar.

    • Michael Egloff sagt:

      Nichts wäre einfacher, als den “Mythos von der bösen Technologie” zu zerstören: völlige Transparenz.
      Sollen doch die Frackingfirmen Kamerateams zutritt zu verschiedenen Rigs nach freier Auswahl gestatten, ihnen umfassende Informationen zu der Technologie geben und sie berichten lassen.

      Was geschieht in Wirklichkeit? Taucht auch nur ein Kamerateam in der unmittelbaren Nähe der Rigs auf, wird sie sofort des Ortes verwiesen mit sehr robustem Vorgehen.
      Eigentlich eigenartig für Firmen, die überhaupt nichts zu verbergen haben.

  17. Stefan Wietzke sagt:

    Sowohl die oekologische Bewegung wie auch viele Kritiker im Peak-Oil Bereich machen immer wieder den gleichen Fehler, der es der anderen Seite unglaublich einfach macht die Argumente auszuhebeln. Es wird gerne eine unterschwellige Technik – und Veränderungsangst bedient. Dabei gehen die eigentlichen Argumente komplett unter.

    Zwei Beispiele:
    Bei Fracking wird vor allem auf die möglichen Gefahren für das Grundwasser hingewiesen. Die sind aber im Verhältnis zu anderen Lebensrisiken marginal. Und wenn man mal die Luftbilder von gefrackten Regionen anschaut, sieht das auch nicht schlimmer aus wie die verspargelten Landschaften in der Uckermark. Und genau hier hackt Fleischhauer (übrigens zu Recht) ein. Das eigentlichen Problem bei Fracking ist doch:
    – Es ist keine Lösung für unser Energieproblem (keine ausreichenden Fördermengen)
    – Es fördert die Illusionen, dass wir kein Energieproblem haben
    – Es führt zu einer enormen Fehlallokation wirtschaftlicher Mittel
    – Es geht wertvolle Zeit für den Umbau des Energiesystems verloren.

    Den gleichen Fehler hat man bei der Kernenergie gemacht. Das grundlegende Problem ist doch nicht, dass da alle 20 Jahre ein Reaktor hoch geht (in der gleichen Zeit werden auf deutschen Straßen ca. 120.000 Leute totgefahren und die Amis erschießen etwa 600.000 Personen durch privaten Schusswaffengebrauch).
    Die eigentlichen Probleme sind doch:
    – Das ungelöste Abfallproblem (keine Lösung in Sicht)
    – Uran ist ein äußerst knapper Rohstoff
    – Kernenergie iet eine extrem teure Energieuelle (wenn man Vollkosten korekt ansetzt)

    • Bruno Müller sagt:

      Auch die richtigen Argumente gehen unter oder würden unter gehen. Warum? Selbst die richtigen Argumente greifen ein in die persönlichen oder geschäftlichen Lebensplanungen – fordern ein anderes Denken und Handeln – ein neues Geschäftsmodell.

      Selbst die richtigen Argumente stellen das bisher Gedachte oder Getane in Frage. Selbstkritik und Selbstreflektion wird dann erwartet. Wer von uns Normalbürgern (Darin enthalten sind z.B. auch Bürgermeister oder Gemeinderäte) sind mehrheitlich in der Lage dies zu tun – haben den Kopf frei, dies zu tun – trauen sich dies zu tun? Es könnte ja dabei heraus kommen, dass wir bisher Vieles falsch gemacht haben, uns an der Nase von Werbung, Politikern oder Presse herumführen ließen. Es wäre ein Eingeständnis, bisher das Falsche getan zu haben. Wer gibt das schon gerne zu?

      Der innere, natürliche Verdrängungsmechanismus (Schutzmechanismus) und die bewusste oder unbewusste Manipulation der Menschen, die z.B. bereits bei den Kindern in der Schule beginnt, ist ein Fakt, an dem selbst die richtigen Argumente mehrheitlich abprallen.

      Die falschen Argumente helfen den Peak-Oil- und den Anti-Fracking-Kritikern. Das mag richtig sein. Die richtigen Argumente helfen einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich trauen nachzudenken, sich ein wenig umzustellen, hilft dem guten Gewissen, das richtige Argument geliefert zu haben, was natürlich gut ist – mehr aber leider nicht. Selbst die richtigen Argumente werden nicht helfen, die globale Kuh (Klimaveränderung, Energie- und Rohstoffeverknappung, Trinkwasserverknappung, usw.) vom Eis zu bekommen.

      Prominentes Beispiel: Der 1. Bericht an den Club of Rome von 1972: “The limits to Growth”.
      Ein Buch, voll mit, wie ich meine, richtigen Argumenten. Dennis Meadows selbst sagt heute noch, wie naiv er und die Gruppe um ihn herum doch waren, als sie glaubten, mit diesem eindrucksvollen Bericht wird sich die Menschheit in ihrem bisherigen Verhalten ändern, sonst fährt das “ganze Ding” gegen die Wand. Es geschah nichts, was die Marschrute auch nur im Geringsten verändert hätte!

Diesen Eintrag kommentieren: Norbert Rost

* Hinweis: Dieses Formular speichert Name, E-Mail und Inhalt, damit wir den Ueberblick ueber auf dieser Webseite veroeffentlichte Kommentare behalten. Fuer detaillierte Informationen, wo, wie und warum wir deine Daten speichern, welche Loesch- und Auskunftsrechte Du hast - wirf bitte einen Blick in unsere Datenschutzerklaerung.