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Unkonventionelles Öl – die Lösung für Peak Oil? Teil 2: Ölschiefer

Öl ohne Ende? Die Ölschiefer der Green River Formation

Unkonventionelles Erdöl kann aus den verschiedensten Quellen kommen, wobei diese alle eine Gemeinsamkeit haben: Die Ölgewinnung ist technisch hochkomplex, energieintensiv, kostspielig, umweltschädlich und relativ langsam! In den Medien werden diese Ressourcen gerne als das Öl der Zukunft dargestellt, wobei suggeriert wird, dass eine weltweite Versorgung durch die Ausbeutung von unkonventionellem Erdöl auf Jahrzehnte hinaus gesichert ist. In dieser Artikelserie werde ich alle unkonventionellen Erdölarten einzeln hinsichtlich ihrer Fähigkeit untersuchen, einen nennenswerten Beitrag zur weltweiten Ölversorgung zu liefern. Dabei werde ich auch auf die "Nebenwirkungen" dieser Art der Ölproduktion eingehen.

Im letzten Artikel haben wir uns ausführlich die aktuelle Entwicklung in den Bakken Shales in North Dakota und Montana angeschaut. Dieses dank "hydraulic fracturing" (fracking) aus dichten Schiefern gewonnene "Tight Oil" steuert aus rund 4.000 Bohrlöchern aktuell etwa rund 850.000 Fass/Tag zur amerikanischen Ölversorgung bei. Das entspricht pro Bohrung rund 0,4 Liter/Sekunde. Das „Wunder“ der Bakken Shales, dass sich auf die Staaten North Dakota und Wyoming zurzeit wie ein neuer Goldrausch auswirkt, verblasst aber gegen die Legenden um die größte unkonventionelle Kohlenwasserstoffressource der USA – die Ölschiefer der Green River Formation. Dieses Thema spielt speziell im aktuellen amerikanischen Wahlkampf eine große Rolle, wobei konservative Kräfte gerne auf die riesigen Ölressourcen in Form von Ölschiefer anspielen. Wie die Ölproduktion aus den Ölschiefern der Green River Formation aussehen soll, werden wir uns im Folgenden etwas genauer anschauen.

Laut USGS  betragen die „total in place reserves“, also die gesamte im Erdreich vermutete Menge, im Green River Basin rund 1440 Milliarden Fass. Zum Vergleich: Saudi Arabien hat nach eigenen Angaben „proved reserves“, also Reserven, die als sicher nachgewiesen und zu heutigen Preisen und mit heutiger Fördertechnik förderbar gelten, in Höhe von 265 Milliarden Fass. Die Welt verbraucht aktuell rund 30 Mrd. Fass Öl pro Jahr. Die 1440 Mrd. Fass der Green River Formation klingen also zunächst wirklich sehr beeindruckend. Es stellt sich also die Frage, warum die USA nicht längst der größte Erdölproduzent der Welt sind – bei solchen Lagerstätten!

Schauen wir uns die Ölschiefer der Green River Formation mal etwas genauer an. Diese Gesteinsformation in Wyoming, Colorado und Utah entstand als Ablagerung eines großen Süßwassersees im Eozän, vor rund 48 Mio. Jahren.

Geologische Übersichtskarte der Green River Formation in den USA Quelle: USGS

Dieses Gestein hat zwar einen relativ hohen organischen Anteil, aus dem sich bereits sogenannte Kerogene bilden konnten, erreichte aber wegen mangelnder Überdeckung durch andere Gesteinsschichten nie das Stadium der Katagenese (Begriffserläuterungen siehe Teil 1). Es fehlten die dafür nötigen Drücke und Temperaturen.

Ölschiefer aus der Grube Messel in Deutschland Quelle: wikimedia commons

Vereinfacht gesagt war Mutter Natur bei diesem Gestein nicht so freundlich, das „Öl“ aus dem Gestein „herauszukochen“. Um Öl aus diesem Gestein zu gewinnen, muss der Prozess der Katagenese künstlich „nachgeholt“ werden, was, Sie erahnen es schon, nur mit ungeheurem Energieaufwand möglich ist. Daher schreibt der amerikanische geologische Dienst USGS in einer Untersuchung aus dem Jahr 2010 über die Green River Formation auch folgenden treffenden Satz:

"Bisher hat kein Versuch stattgefunden, die Menge des ökonomisch gewinnbaren Öls abzuschätzen, da bisher noch keine Methode entwickelt wurde, das Öl aus der Green River Formation kostendeckend zu fördern."

Alles eine Frage der Technik?

Da werden die technikbegeisterten unter den Lesern sicher gleich denken, dass man ja einfach nur eine Technik entwickeln müsste, um bei entsprechend hohen Preisen das Peak Oil Problem zu "lösen". Man könnte aus dem Öl der Green River Formation die Welt bei heutigem Verbrauch rund 50 Jahre lang mit Öl versorgen, vorausgesetzt man würde alles Öl schnell genug aus dem Gestein herausbekommen! Außerdem ist die Green River Formation zwar die weltweit größte, aber bei weitem nicht die einzige Ölschieferressource.

Die Idee, diese Lagerstätten zur Ölgewinnung zu nutzen, ist nicht wirklich neu. Es wurden in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Versuche unternommen, verschiedenste Methoden zu entwickeln. Die dem amerikanischen Militär nahe stehende RAND Corporation hat im Jahr 2005 eine Studie mit dem Titel: Oil Shale Development in the United States - Prospects and Policy Issues verfasst. Darin werden verschiedene mögliche Abbaumethoden für Ölschiefer diskutiert.

Das generelle Problem an diesen Lagerstätten ist, dass sie kein flüssiges Öl enthalten, sondern aus einem festen Gestein bestehen! Sie haben von ihrer Handhabung mehr mit Kohle als mit Erdöl zu tun! Es bleiben also im Endeffekt nur zwei Möglichkeiten, die wir in ähnlicher Weise schon von der Teersandproduktion in Alberta/ Kanada kennen.

  1. Man kann sie bergmännisch abbauen und das Gestein in einer nahegelegenen Fabrik weiterverarbeiten.
  2. Man kann das Gestein im Berg („in-situ“) erhitzen, um Teile davon später als flüssiges Öl zu fördern.

Beide Methoden wurden ausgiebig getestet und laut RAND Studie ist die aussichtsreichste Produktionsmethode die "in-situ"-Methode, für die die grossen Ölkonzerne breites eigene Technologien entwickelt haben.  Shell den in situ conversion process, Chevron das "Crush" Verfahren  und ExxonMobil das sog. Elektrofrac-Verfahren. Der Vorteil der "in situ" Methoden soll laut RAND Studie in der relativ geringen „Landschaftsveränderung“ liegen! So soll beispielsweise bei der von Shell entwicklelten Technologie ein Gesteinspaket mit einem Volumen von etwa 0,6 Kubikkilometer elektrisch für einen Zeitraum von 4 Jahren auf eine Temperatur von rund 350°C - 370°C erhitzt werden. Nur elektrisch läßt sich ein solches Gesteinpaket gleichmäßig genug erwärmen, damit die entsprechenden Katageneseprozesse stabil ablaufen. Notwendig dafür sind Bohrungen in einem Raster von 2,5 m, in die eine elektrisch gut leitfähige Substanz eingebracht wird. Der Strom soll von einem Kohlekraftwerk mit einer elektrischen Dauerleistung von rund 1200 MW kommen.  Das entspricht den größten in Deutschland stehenden Kohlekraftwerken. Ein solches Kraftwerk wird pro Jahr rund 5 Mio Tonnen Kohle verfeuern! Im Gegenzug ließe sich aus einem solchen Gesteinspaket einen Menge von rund 100.000 Fass Erdöl pro Tag fördern.

Damit die umliegenden grundwasserführenden Schichten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, soll beim Shell Verfahren das Gestein rund um das erhitzte Gesteinspaket eingefroren werden, durch eine sogenannte „Gefrierwand". Bei dieser, aus dem Tunnelbau stammenden Technik, läßt man eine rund -50°C kalte Flüssigkeit durch speziell dafür angelegte Bohrungen zirkulieren, damit das um die Bohrungen liegende Gestein langsam einfriert und dadurch hydraulisch undurchlässig wird. Auch für diese Technik ist der energetische Aufwand enorm! Folgendes Schaubild zeigt den "Shell in situ conversion process":

Schema des Shell in situ conversion process Quelle:wikimedia commons

Trotz des gigantischen energetischens Aufwands soll laut Angaben von Shell ein energetisch positiver Return möglich sein. Jeder investierten Energieeinheit soll ein Return von 3,5 Energieeinheiten gegenüberstehen!

Diese sehr magere energetische Ausbeute wird allerdings nochmals verschlechtert, da für die Weiterverarbeitung jedes Fasses rund 3 Fässer Wasser benötigt werden - in einer tendenziell eher wasserarmen Gegend ist dies das wahrscheinlich größte Hindernis bei der großmaßstäblichen Erschließung dieser Ressource. Angesichts dieses Aufwands ist es wohl etwas gewagt, die Ölschiefer mit dem saudischen Öl zu vergleichen!

Wie sieht es aber mit der Wirtschaftlichkeit des Abbaus aus? In den frühen 1980er Jahren wurde bereits viel über Ölschiefer geforscht, was im Wesentlichen mit der sogenannten zweiten Ölkrise von 1979/1980 zusammenhing. Damals hieß es, dass ab einem Preis von 30 – 40 $/Fass sich die Produktion rechnen würde. Um diese Zahlen mit heutigen Zahlen vergleichen zu können, muss der Kaufkraftverlust des US-Dollars berücksichtigt werden. Dazu folgende Grafik, die den nominalen Ölpreis gegen den inflationsbereinigten Ölpreis zeigt.

Inflationsbereinigter Ölpreis und nominaler Ölpreis in US-Dollar pro Fass Datenquelle: www.inflationdata.com

Die Grafik verdeutlicht sehr gut die Auswirkungen der rein politisch bedingten ersten (ab 1973) und zweiten Ölkrise (ab 1979) auf den Ölpreis. Im Zuge dieser gravierenden Veränderungen wurde fieberhaft nach Alternativen gesucht, wobei auch die Green River Formation ausgiebig untersucht wurde. Heute steht der Preis jenseits von 100$/Fass, was in etwa einem vergleichbaren Preis wie Anfang der 1980er entspricht. Dennoch gibt es bisher kein einziges großtechnisch umgesetztes Ölschieferprojekt in den USA! Aber das wird vermutlich noch kommen. In Ermangelung von echten Alternativen, wird der Ölhunger der Welt vermutlich auch aus diesen Lagerstätten gestillt werden. Viele Firmen stehen schon in den Startlöchern. Der Ölpreis muss nur dauerhaft ein Niveau halten, der eine ökonomische Ausbeutung diese Ressource ermöglicht. Daher an dieser Stelle noch ein paar Zahlen aus der RAND Studie, die das eigentliche Dilemma klar machen, in dem wir uns befinden: Die RAND Corporation schätzt, dass eine erste großtechnische Umsetzung einer sochen "Schieferölproduktion" rund 6-8 Jahre dauern würde. Im allerbesten Fall könnten nach etwa 7 Jahren 1 Mio. Fass pro Tag, nach 12 Jahren 2 Mio. Fass pro Tag und nach 17 Jahren 3 Mio. Fass pro Tag zur Verfügung stehen. Es müsste also heute beschlossen werden, diese Lagerstätten im großindustriellen Maßstab abzubauen damit der Welterdölproduktion des Jahres 2030 3 Mio. Fass pro Tag aus der mit Abstand größten Ölschieferlagerstätte der Welt zur Verfügung stehen!

Laut Angaben der IEA müssen jedes Jahr zwischen 3 und 4 Mio. Fass Tageproduktion ersetzt werden, nur um den erschöpfungsbedingten Rückgang der heute produzierenden Ölfelder auszugleichen. Das Beispiel macht deutlich, dass die gigantischen Mengen an unkonventionellen Kohlenwasserstoffen uns wahrscheinlich nur wenig helfen werden, weil sie schlicht nicht schnell genug produziert werden können. Außerdem wird die mit der Produktion dieses Öls verbundene Umweltzerstörung immens sein. Vor allem das Thema Grundwasserverschmutzung ist dabei von großer Bedeutung, denn die Dichtheit der Gefrierwände zu garantieren dürfte schwierig werden. Vor allem nach dem Produktionszyklus und nach Abbau der Gefrierwände dürften noch erheblich Mengen an Ölresten durch Niederschlagswässer ausgewaschen und in den nächsten Vorflutern wiedergefunden werden. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die australische Doktorarbeit von Dr. Steve Mohr, die hier heruntergeladen werden kann!

Mohr hat ein seiner Doktorarbeit alle in Frage kommenden konventionellen und unkonventionellen Öl- und Gaslagerstätten untersucht. Darüber wird es einen eigenen Artikel geben. Im nächsten Artikel wird es aber zunächst um die Gas-to-liquid-Technologie (GtL) gehen, mit der man Erdgas in flüssige Treibstoffe umwandeln kann.

9 Kommentare to “Unkonventionelles Öl – die Lösung für Peak Oil? Teil 2: Ölschiefer”

  1. Tom Schülke sagt:

    Da bin ich nun also der erste der Dir im Namen aller Leser für deine Arbeit danken kann. So wie der letzte Artikel sehr schön geschrieben. Ich frage mich andauernd, wie wir es schaffen können einen solchen Artikel in einer der großen Zeitschriften unterzubringen.

  2. DerDienstbote sagt:

    Was du über Kohlekraftwerke schreibst ist etwas undurchsichtig.
    Beispielsweise Voerde hat eine Leistung > 2000 MW dieses Kraftwerk läuft durchschnittlich mit 1300 MW Und Braucht dafür ca 4 Mio Tonnen Steinkohle!
    Daten aus Wikipedia!

    • Christoph Senz sagt:

      Hallo Dienstbote,
      meine Daten stammen von hier:

      A RAND study in 2005 estimated that production of 100,000 barrels per day (16,000 m3/d) of oil (5.4 million tons/year) would theoretically require a dedicated power generating capacity of 1.2 gigawatts (10 billion kWh/year), assuming deposit richness of 25 US gallons (95 l; 21 imp gal) per ton, with 100% pyrolysis efficiency, and 100% extraction of pyrolysis products. If this amount of electricity were to be generated by a coal-fired power plant, it would consume five million ton of coal annually (about 2.2 million toe).

      Man achte überigens auf die Annahmen für den Pyrolyseprozess und die Extraktion der Pyrolyseprodukte, also des Öls…

      http://en.wikipedia.org/wiki/Shell_in_situ_conversion_process#Energy_consumption

      Voerde hat übrigens 4 Blöcke! Es gibt aber auch Einzelblöcke mit bis zu 1000 MW! Solche waren gemeint!

      smiths74

  3. Patrick sagt:

    Wieder ein toller Beitrag!
    Vielen Dank dafür.
    …wo sind denn nun die Herren Pressevertreter, die sich dieses Themas ja auch mal so langsam annehmen könnten?

  4. Tom Schülke sagt:

    Was ich auch allen Beteiligten empfehle, ist, diese Artikel ständig in den Onlinemedien als Link zu Posten. In den Foren oder in den Leserkommentaren.

  5. Daniel sagt:

    Wenn’s ums Überleben ginge, könnte ich mich ja mit all dem arrangieren. Aber die Motivation dahinter ist ja, unsere aus den Zeiten des billigen Öls erworbenen Luxusgewohnheiten noch ein paar Jahre länger aufrecht zu erhalten, zusammen mit der Wachstumsfalle, die zwar nur noch Schaden anrichtet, aber immer noch alle Mittel rechtfertigt. Und die Schwellenländer wollen auch nochmal, bevor’s dann vorbei ist. Uns kann nur noch der ganz große Wirtschaftscrash retten.

  6. […] im ersten Teil der Artikelserie mit „Tight Oil“ aus dichten Schiefern in North Dakota und im zweiten Teil mit der künftigen Ölgewinnung aus den Ölschiefern der Green River Formation […]

  7. […] werden. Auf der Welt gibt es sehr große Gebiete mit kerogenhaltigen Gesteinen, wie z.B. die Green River Formation in Utah, Wyoming und Colorado. Aktuell wird nur in Estland Ölschiefer in nennenswerten Mengen […]

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