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Kybernetik in Bau, Architektur und Stadtplanung (+Video)

Derzeit tobt eine kleine Debatte angeregt durch die Heizöl-Studie von Steffen Bukold (EnergyComment/energiepolitik.de) für die Grüne Bundestagsfraktion. Klaus Bergmann, Geschäftsführer von esyoil und "Bekennender Peak Oiler" gehen die Schlußfolgerungen, die die Grünen in ihrer Politik aus solchen Studien ziehen, nicht weit genug. Per Pressemitteilung "Öl Bashing? Thema verfehlt!" fragt er, warum die Grünen nicht "zur Sache" kommen? Die Größe der Wohnungen und ihr Energiebedarf sowie Suffizienzfragen müssten thematisiert werden und nicht einseitig auf eine einzelne Energiequelle eingeschlagen werden. Die exemplarische Diskussion geht letztlich um die Frage, wie wir bauen, und wohin wir unsere Konzentration in einem post-fossilen Energiewendeprozess lenken.

Ich bin angetan von der Arbeitsweise von Prof. Günter Pfeifer, seit ich ihn auf der Stadtumbaukonferenz Nordhausen traf. Sein dortiger Vortrag "Denken statt Dämmen" war gespickt mit Kritik an Energieeinsparverordnung EnEV und dem Dämmwahn und zeigte auf, wie Architektur für ein postfossiles Zeitalter gedacht werden sollte. Peak Oil hat zwar kurzfristig mehr mit dem Verkehrssystem als mit der Architektur zu tun, aber je nach Ausgestaltung der Architektur und der städtebaulichen Ordnung wird natürlich Verkehr produziert oder vermindert. Und da auch heute noch viele Häuser mit Heizöl gewärmt werden ist die Frage nach künftigen Wärmequellen im Haus relevant. Von Prof. Pfeifer gibt es zu diesem Thema einen Vorlesungsmitschnitt aus Münster (Symposienreihe "Sustainable by Design"), der nicht nur zeigt, wie Architektur unter energetischen Gesichtspunkten gedacht werden sollte, sondern der gleichzeitig Beispiel für eine kybernetisch-vernetzte Denkweise ist, die auch in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen Einzug halten muss.

[youtube MGq8yD9AnGA]

Insbesondere zu den letzten Minuten des Vortrags möchte ich ergänzen: Die Bauleitplanung in unseren Städten (Bebauungspläne, Flächennutzungspläne) sind kommunalpolitische Werkzeuge mit laaaaanger Wirkungsdauer. Ein heute aufgestellter Bebauungsplan setzt die Rahmenbedingungen für die in naher Zukunft gebauten Gebäude, die auch in ferner Zukunft noch stehen werden. Bebauungspläne sind also enorm zukunftswirksame Werkzeuge. Angesichts Peak Oil gilt es, diese Pläne auch unter dem Szenario möglicher Energie- und Ressourcenknappheit zu entwerfen, damit die künftig entstehenden Bauwerke widerstandsfähig (z.B. im Sinne ihrer Beheiz- und verkehrlichen Erreichbarkeit) sind und nicht ihre Nutzbarkeit und Nützlichkeit verlieren, sobald sich gesellschaftliche Rahmenbedingungen ändern. Der kybernetische Ansatz der Hauskonstruktion, die Prof. Pfeifer in dem Video überwiegend darlegt, beginnt mit einer Analyse der Standortbedingungen. Den Standort bereits stehender Häuser kann man schwer ändern (es sei denn, man reißt sie ab, eine Idee die Klaus Bergmann durchaus für bedenkenswert hält!), neue Häuser dagegen könnten von vornherein so aufgestellt werden, dass sie beispielsweise einstrahlende Sonnenenergie optimal nutzen. Bebauungspläne, bei denen die Hausstandorte dagegen nur aufgrund von Grundlinien bereits vorhandener Nachbar-Häuser festgelegt werden, sind im Sinne der kybernetischen Herangehensweise suboptimal. Ich wiederhole mich: Da heute aufgestellte Bebauungspläne jedoch eine sehr lange Zukunftswirksamkeit besitzen ist es umso wichtiger, sie bereits heute nach künftigen Notwendigkeiten auszugestalten.

Über die Frage resilienter Stadtstrukturen hat sich auch der Architekt Thomas Sieverts in disP - The Planning Review Gedanken gemacht: Resilienz - zur Neuorientierung des Planens und Bauens

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7 Kommentare to “Kybernetik in Bau, Architektur und Stadtplanung (+Video)”

  1. steffomio sagt:

    In Sachen Wärmedämmung rumort es allmählich unter der Haube. Im tiefsten Winter muss zwar weniger geheizt werden, dafür aber sehr viel länger. Teilweise von Ende bis Anfang Sommer, weil die Sonne das Haus in den Herbst und Frühjahr nicht mehr aufheizen kann.
    Dazu kommt, dass durch die Temperaturunterschiede und der Luftundurchlässigkeit der Dämmung reichlich Kondenswasser zwischen Dämmung und Hauswand entsteht. Dies führt zu Algen und Schimmelbildung.
    http://www.welt.de/finanzen/immobilien/article13372977/Sanierte-Haeuser-massenhaft-von-Algen-befallen.html

    Ein (überhaupt nicht) humoriger Faschings-Vortrag von Konrad Fischer, Dipl.-Ing. Architekt aus Hochstadt am Main, auf der Unternehmerschulung des Landesinnungsverbandes des Bayer. Maler- und Lackiererhandwerks in der Kurfürstlichen Reitschule Ingolstadt am 29. Januar 2010:
    http://www.holzgibtgas.com/viewtopic.php?p=81652#p81652

    • Tschuldigung sagt:

      aber ich hatte mir mal irgendwann schonmal nen Vortrag von Konrad G. Fischer angehört. Wenn Sie den Typen wirklich ernst nehmen sollten, empfehle ich Ihnen den Stoff der Klassen 1-6 nochmal zu wiederholen.

    • Stephan Becker sagt:

      Was passiert im Winter bei einem Feuchtigkeits durchlässigen Haus, wenn es draußen ständig unter Null Grad hat? Wohin wandert die Feuchtigkeit, wenn sie durch eine Eiswand blockiert wird?

  2. smiths74 sagt:

    Hallo Norbert,
    spannendes Video. Es gibt aber durchaus kommerzielle Anbieter, die versuchen, solche Ansätze umzusetzen:
    http://www.bob-x.de/

    So ein Gebäude entsteht gerade in Dresden!

    Des Weiteren ist die Entwicklung von Dänemark interessant. Dort ist seit diesem Jahr der Einbau von Öl-und Gaskesseln in Neubauten verboten. Ab 2016 sogar bei der Sanierung von Altbauten!!

    http://www.energiepolitik.de/danemark-verbietet-olheizungen-ab-1-1-2013/

    Das ist ein konsequenter Weg, da im Gebäudebereich, im Gegensatz zur Mobilität bezahlbare, funktionierende Alternativen vorhanden sind!
    Teurer wird das Bauen dadurch wohl schon, aber der langsame Abschied von den Fossilen ist halt kein einfacher Weg. Bei der langen Lebensdauer von Gebäuden (min. 25-30 Jahre und mehr) müssen die Weichen halt heute schon gestellt werden!

    Viele Grüße

    smiths74

  3. Tom Schülke sagt:

    Konzepte für wirklich hervorragende Gebäude was den Energieverbrauch betrifft sind Prinzipiell schon seit Jahren verfügbar. Es beginnt schon damit , dass inzwischen die Meisten Studenten für Ihr Studium Integrierte Entwürfe abliefern müssen die glücklicherweise über den ästhetischen Aspekt hinausgehen.

    So mußten wir z.B. eine Planung abliefern in der von Anfang an mit einer Simulation das Wärmeverhalten überprüft und mitbedacht wurde.

    Solche Gebäude zu planen ist dann vergleichsweise leicht, wenn man von Anfang an Entwurfsaspekte passiver Solarenergienutzung mitberücksichtigt, passive Wärmespeicher mitberücksichtigt, passive aussenverschattungen für den Sommer usw.

    Das Problem liegt woanders.

    Investoren berücksichtigen bei Ihren Investitionen Amortisationszeiten die weit unterhalb der Lebenserwartung moderner Gebäude liegen. Ein Haus steht 50-200 Jahre. Innerhalb dieser Lebensspanne summieren sich die Energiekosten auf mehr als den Betrag der für die Errichtung benötigt wurde.

    Um also Nullenergiehäuser zu bauen benötigt man also eine Energiekosten kalkulation des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes. Wer also in maßstäben mit 30 bis 40 Jahren kalkuliert wird mit Gewissheit beim Niedrigenergie oder Passivhaus landen. Etwas das lediglich von Familienunternehmen einkalkuliert wird, die auch an die Eigenen Kinder denken und auch nur dann, wenn das Gebäude in der Familie bleibt.

    Alle anderen kalkulieren -wie so oft in unserer Gesellschaft- mit Amortisationszeiten die kürzer liegen. Und dann fallen Energieeinsparefekkte oft unter den Tisch.

    Es ist das gleiche Problem, das uns spätfolgen wie Klimawandel und Umweltverschmutzungen ignorieren lässt.

    Kurzfristiges gewinnstreben.

    • Ert sagt:

      @Tom

      Ja und es wird nicht besser mit der kurzfristigkeit.

      Aktuell muss man ja erst einmal das Geld haben – bzw. man verschuldet sich. Angesichts der Entwicklungen ist es mehr als Fraglich wie lange Job / Konjunktur so sind, das das Gebäude auch länger gehalten werden kann. Baut man mit 30 – dann ist mit 80 spätestens Schluss mit dem bewohnen des “Eigenheims”. Das ist der maximale Planungshorizont. Die Rahmenbedingungen ändern sich einfach zu schnell.

      Wer auf Basis der Erkenntnisse hier baut – der baut ggf. gar nicht mehr. Denn dieser jemand weiss das er nur zwei realistische Optionen für die Zukunft hat: Superklein – oder geeignet für eine größere Wohngemeinschaft mit reduzierten Ansprüchen (Reduktion der Aussenflächen im Verhältnis zum Wohnraum, Architektur mit warmen Kern, etc.pp – ala die Häuser in 7 Linden z.B Brunnenwiese ala http://www.architekt-scharmer.de/files/wha-submission-7linden-kl.pdf).

      Oder man hat selber in der Familie noch “vor Ölkrisenbauten” an der Hand. Was machen, wenn die Eltern noch darin leben? Das ist dann alles sentimental – aber nicht wirtschaftlich. Abreissen und neubauen? Oder versuchen energetisch auf die nächsten 20 Jahre zu planen und dann weitersehen was geht?

      Wenn das Haus z.B. in einer Region mit Kfz-Produktion steht.. was machen? Wenn das Thema abgehakt ist – bzw. deutlich kleiner wird, dann gehen auch die Immopreise in der Region baden. Und ich denke nicht, das es nach dem Niedergang der Kfz Industrie in D noch eine Möglichkeit geben wird die Arbeiter/Angestellten in Equivalent bezahlten Jobs unterzubringen, damit der lokale Konsum und das Preisgefüge bei den Immos aufrechterhalten werden kann.

  4. Patrick sagt:

    Genau solche Fragen stelle ich mir ehrlich gesagt auch.

    Was gilt es zu tun beim Thema Immobilie oder Wohnen?

    – ein altes (veerbtes) schönes Haus mit hübschem Grundstück aufwändig energetisch fit machen für die Zukunft?
    – eine eher neuere Eigentumswohnung kaufen und darin wohnen oder vermieten (aber so auslegen, dass man sie selbst bewohnen könnte)?
    – lieber zur Miete wohnen und sein Geld irgendwie anders anlegen (wobei mir wirkliche Alternativen fehlen), um flexibel zu sein, wenn die De-Industrialisierung ihren Lauf nehmen wird und man somit “mobil” ist?
    – auch ein Wertverlust von Immobilien ist natürlich denkbar (Gebäudebestand ist nicht gerade auf PeakOil vorbereitet), die demografische Entwicklung wird ebenfalls daran nagen…

    Diese Fragen stelle ich mir auch schon eine Weile, weil sie mich über kurz oder lang betreffen werden, aber eine wirkliche Lösung ist mir noch nicht eingefallen.

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