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Erdöl reicht noch 57 Jahre?

Bei Brennstoffhandel.de hat man sich informiert: Man hat aus einer Grafik der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe die Menge der Ölreserven rausgesucht (228 Milliarden Tonnen) und auch die Menge der Ölressourcen (410 Milliarden Tonnen). Und man hat diese Reservenmenge durch die heutigen Verbrauchsmengen geteilt (3,88 Milliarden Tonnen pro Jahr) und kommt zu dem Schluss:

...reichen die derzeit sicheren Ölreserven für die nächsten 57 Jahre, ohne dass neue Quellen erschlossen werden müssten.

Das ist beruhigend. Und vor allem: Gut fürs Geschäft. Denn:

Ein Mangel an Erdöl oder eine Verknappung, wie sie beispielsweise die Verfechter der Peak Oil-These seit Jahrzehnten immer wieder voraussagen, ist demnach auf absehbare Zeit also nicht zu erwarten.

Ich gebe zu: Früher habe ich auch so gedacht. Mir war bewusst, dass Erdöl eine endliche Ressource ist und mir war auch klar, dass ihre Nutzungsdauer sich berechnen läßt, indem man Gesamtmenge durch Verbrauchsmenge teilt. Allerdings mußte ich feststellen, dass dies eine sehr naive Sichtweise ist. Denn so kann man nur unter einer Bedingung rechnen:

Wenn die Menge des verbrauchten Öls nicht steigt und wenn die Fördergeschwindigkeit mit der Verbrauchsgeschwindigkeit Schritt hält.

Genau das ist jedoch das Problem, was wir mir Peak Oil bezeichnen: In der Realität, in der wir leben, ist die Fördergeschwindigkeit aus einem Ölfeld nicht konstant. Sie steigt an, wenn ein Feld frisch aufbereitet wird und der ersten Bohrung weitere folgen, aber sie sinkt wieder ab, wenn der natürliche Lagerstättendruck nachläßt. Oder wenn es zu Havarien kommt. Oder wenn es zu Hürden beim Transport kommt.

Von der Quelle zum Verbraucher gibt es sehr viele Stolperstellen, an denen das Öl aufgehalten werden kann. Öl wird in Ölförderländern gefördert, es gibt keine Zwangsläufigkeit, dass diese Länder es auch exportieren. Und selbst wenn sie es exportieren gibt es keine Zwangsläufigkeit, dass dieses Öl auch nach Europa exportiert wird und dort ankommt, wo der Leser dieses Textes es gern hätte. Die Gefahr, die mit Peak Oil einhergeht ist beispielsweise, dass die Förderländer lieber ihre eigene Bevölkerung versorgen, anstatt den wertvollen Rohstoff für billiges Geld in die weite Welt zu schicken. Diese Überlegungen werden sich zeigen und verstärken, wenn das globale Fördermaximum überschritten ist. Bewohnern von Deutschland sollte bewusst sein, dass nur 3% der hierzulande verbrauchten Mengen im Land gefördert werden. Zu 97% ist die hiesige Ölversorgung abhängig von außen, insbesondere von Rußland.

Der Punkt, den wir (im engeren Sinne) mit Peak Oil bezeichnen, ist nun eben gerade der Moment, wo die Ölförderung eben nicht mehr mit der Ölnachfrage Schritt hält; wo die täglich geförderten Mengen sich nicht weiter steigern lassen. Natürlich - und da hat der Autor des Textes von Brennstoffhandel.de recht - wird dann weiterhin Öl auf diesem Planeten gefördert. Doch die täglich verfügbaren Mengen sind dann limitiert. Nach dem Förderhöhepunkt, nach dem Peak, sinken die verfügbaren Mengen. Um bis zu 10% pro Jahr sinken die Fördermengen einzelner Ölfelder, wenn sie ihren Höhepunkt hinter sich haben, bei den sehr großen Feldern glücklicherweise langsamer. Und nun kommen die entscheidenden Fragen:

  • Wie entwickelt sich der Ölpreis? Bezahlen wir künftig 2 Euro pro Liter Heizöl, wie - je nach Wechselkurs - es in 2016 denkbar ist (S. 47 der Sachsen-Studie)?
  • Wohin wird Öl geliefert, wenn die Fördermengen abnehmen? Müssen die Importländer mit schnellerer Schrumpfung rechnen als die Förderländer?

Und die sich daraus ableitbaren Fragen:

  • Wie organisieren wir/Wir organisiert sich unser Transportsystem?
  • Welche Auswirkungen hat ein steigender Ölpreis auf das Pendlerverhalten, auf die Wirtschaftslage, auf das Transportgewerbe, auf den Automobilbau, auf die Chemieindustrie?
  • Kommt es zu Wirtschaftskrisen, Massen- und Transformationsarbeitslosigkeit?
  • Sind Finanzkrisen die Folge, weil weiteres Wirtschaftswachstum bei sinkendem Energieangebot nicht möglich ist?
  • Müssen wir unsere Städte und Gemeinden umstrukturieren? Müssen wir unsere Versorgungsstrukturen überdenken, weil Äpfel aus Neuseeland und Fleisch aus Argentinien und Milch aus dem Chiemgau viel zu teuer werden?
  • Wie positioniert sich das einzelne Unternehmen hinsichtlich dieser Entwicklung?

Akzeptiert man die Vorstellung eines Förderhöhepunktes, also eine Grenze in der Fördergeschwindigkeit von Erdöl, so muss man eine Knappheit anerkennen - es sei denn, der Verbrauch von Mineralöl sinkt auf freiwilliger Ebene (!) mindestens so schnell wie die Fördermengen. Werden nicht genug Anstrengungen unternommen, den Verbrauch zu senken, so wird dieser erzwungen: Im Gegensatz zum modernen Geld, das man in beliebigen Mengen (mit Nebenwirkungen) per Buchung erschaffen kann, muss handfestes, energiereiches Erdöl in der physischen Welt gefunden, gefördert und transportiert werden. Wird es das nicht, ist Knappheit die Folge und Knappheit geht oft einher mit Verteilungsfragen. Diese zentrale gesellschaftliche Herausforderung, die da vor unserer Tür lungert, ist bislang weder in der Politik, noch bei den Unternehmen, noch in der allgemeinen Bevölkerung angekommen.

Die Herangehensweise von Brennstoffhandel.de mag für den Mathematikunterricht diskutabel sein (Bruchrechnung, super!), für die reale Wirtschaftswelt ist sie es nicht (Wirtschaftskunde: Ungenügend!). Es wird ganz bestimmt noch in 57 Jahren Erdöl auf der Erde gefördert, aber für uns als Verbraucher dieses Rohstoffs und Nutzer der Infrastrukturen, die auf diesem Rohstoff aufgebaut sind, ist dies die völlig falsche Frage! Wichtig ist zu fragen, was Öl demnächst kostet und ob es sinnvoll ist, sich nicht besser von möglichst vielen Abhängigkeiten von diesem Rohstoff zu befreien.

Bei esyoil.de hat man die Zeichen der Zeit viel besser erkannt. Auch das ist ein Brennstoffhändler, allerdings zeichnet dieser sich nicht nur durch kritische Kommentare zur Ölversorgung aus, sondern man hat Peak Oil auch in der Unternehmensstrategie berücksichtigt. Zumindest weiß man: Dieses Geschäftsmodell trägt nicht ewig und ist auf der Suche nach was Neuem. Etwas mehr kritische Distanz zum eigenen Geschäft täte auch Brennstoffhandel.de gut, aber dass es nicht leicht ist, sich mit Peak Oil zu befassen, hat ja schon die Bundeswehr-Studie in passende Worte gegossen:

Psychologische Barrieren sorgen für das Ausblenden an sich unbestreitbarer Fakten und führen zu fast instinktiver Ablehnung einer eingehenden Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Thematik.

 

 

Peak Oil ist längst kein Thema aus der Spinnerecke mehr, wie ein paar Blicke in die Presse zeigen:

10 Kommentare to “Erdöl reicht noch 57 Jahre?”

  1. CHristoph Senz sagt:

    Foolgendes habe ich über die Funktion “Feedback” auf der Webseite brennstoffhandel.de geantwortet:
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    wieder ein sehr irreführender Beitrag, der den Menschen Sand in die Augen streut! Es geht gar nicht darum, ob noch Öl für 57 Jahre vohanden ist. Die Probleme beginnen doch nicht mit dem letzten geförderten Barrel! Die Angabe der R/P ist sehr irreführend, weil sie uns in Sicherheit wiegt. Das gegenteil ist aber der Fall! Es bestreitet ja niemand, das es noch große Mengen an (vor allem unkonv.) Erdöl gibt, die Frage muss doch lauten: Können wir uns dieses leisten? Die bei den Medien beliebten Bilder von Zapfpistolen, aus denen kein Kraftstoff mehr kommt, sind dabei die falsche Illustration für künftige Szenarien. Ein Bild mit einem leeren Portemonnaie wäre passender!
    Ich habe diesen Winter viele Menschen in meinem Bekanntenkreis, die das erste mal in ihrem Leben ihren Heizöltank nur mit dem absoluten Minimum befüllen…weil sie sich 86 ct pro Liter schlicht nicht leisten können!
    Aber es gibt ja noch Öl für 57 Jahre…

    Mit freundlichem Gruß

    Christoph Senz
    PostFossil Institut

  2. Super Beitrag von Christoph Senz, dem ist nichts mehr hinzu zu fügen.
    Bereits heute benötigen hundert tausende Menschen Heizkostenzuschüsse, um überhaupt über die Runde zu kommen, ein weiterer Preisanstieg bei Heizöl wird die Lage dramatisch verschlimmern.

    Ich hatte das Glück, Informationen über Peak Oil und der Energiewende aus Erneuerbaren bereits vor 12 Jahren beim Wiener Solarstammtisch zu erhalten, heute decke ich zu 100% meinen Energiebedarf aus Erneuerbaren http://www.energiebauernhof.com
    Damals (2002)wurde ich belächelt, heute von so manchen beneidet.
    Erneuerbare Energien sind nicht alles, aber alles ist nichts ohne den Erneuerbaren(Hermann Scheer)

    Vielen Dank an Norbert Rost für seine hervorragende Arbeit.

    Mit sonnigen Grüßen
    Wolfgang Löser

  3. Gerd Hott sagt:

    Erdöl ist abiotisch!
    reicht bis fast unentlich.

    • mo sagt:

      @ gerd hott

      genau, und die erde ist eine scheibe.

      ich fürchte, leute wie Sie werden selbst dann noch verzweifelt an ihren unsinn glauben, wenn sie schon längst aus ungeheizten wohnungen frierend auf verrostende autos blicken.

      und wer die mainstreamjubelmeldungen alá “faz” von wirklichen kleckerfeldern als belege heranzieht, entblösst sich auf unnachahmliche weise selbst.

Diesen Eintrag kommentieren: Gerd Hott

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