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Peak Oil 2

Spiegel Online hat heute die Schlagzeile parat: "Ölproduktion übersteigt Höhepunkt". Damit ist nicht gemeint, dass die täglichen Ölfördermengen weiter steigen, sondern das Gegenteil: Die zitierten Fachleute meinen, der Höhepunkt liegt hinter uns. Auch wenn Peak Oil damit längst noch nicht Allgemeingut ist, können wir derzeit einen Wendepunkt in der Entwicklung bemerken. Schon die ASPO-Tagung in Wien hat für diverse Pressereaktionen gesorgt, bei denen das Ölfördermaximum diskutiert wurde. Im Nebensatz taucht die Endlichkeit des Rohstoffs Öl inzwischen in vielen Artikeln auf, speziell wenn sie sich mit Energie- oder Verkehrsfragen befassen. Eine zunehmende Zahl von Veranstaltungen befasst sich mit dem Thema und sorgt dafür, dass ich persönlich immer öfter auf Menschen treffe, denen Peak Oil ein Begriff ist oder die Menschen kennen, die sich intensiver mit Öl befasst haben. Ich glaube diese Streuung der Informationen ist Grundlage dafür, dass ein Bewusstsein für die Auswirkungen des Peaks auf Entscheiderebene entstehen kann.

Axel Bojanowski, der Autor des Spiegel-Artikels, schließt diesen mit dem Satz "Die Debatte um "Peak Oil 2" scheint eröffnet." Auch dies ein Hinweis, dass die Diskussion in Gang kommt. Notwendig wird in der Diskussion nun eine Differenzierung, so dass die Problemwelten, die mit dem Ölfördermaximum zusammenhängen, deutlich werden. Bojanowskis Ausführungen zeigen, dass es dem Verständnis wenig hilft, wenn die Geologen nur unter die Erdoberfläche blicken. Nach der, von einem Wirtschaftler geäußerten Ansicht, dass in den kommenden Jahren die Ölpreise steigen werden, darf der Mitarbeiter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe Babies vor einer "Dramatisierung" warnen: Die steigenden Ölpreise sorgen doch dafür, dass neue Fördermethoden rentabel werden, wodurch das Öl-Angebot wieder wächst. Abgesehen davon, dass die Historie zeigt, dass selbst die Preisanstiege in den vergangenen Jahren eben nicht zu einer überdimensionalen Ausweitung der Fördermengen führten, unterläßt es Bojanowski, seinen Gesprächspartnern aus dem Wirtschaftsbereich die Frage vorzulegen, wie denn die Wirtschaft auf die steigenden Ölpreise reagiert. Es gehört nicht besonders viel Weisheit dazu, aus einer relativen Knappheit eines Rohstoffs auf steigende Preise zu schließen und es ist ebenfalls wenig Weitsicht vonnötigen festzustellen, dass steigende Preise den Ölproduzenten Dollarzeichen in die Augen zeichnen und ihre Aktivitäten anregen.

Die Dimension des Problems Peak Oil liegt nun eben gerade nicht darin, dass steigende Preise neue Fördermethoden und noch intelligentere Wege zur Rohstoffausbeutung provozieren, sondern eben leider dort, wo Öl verbraucht wird. Mit steigenden Preisen mögen die geologischen Probleme vorerst gelöst erscheinen, die wirtschaftlichen Probleme beginnen dort jedoch erst. Peak Oil hat seinen Ursprung unter der Erde, doch die Auswirkungen über der Erde sind das, was uns Sorgen machen muss. Wenn in Transportunternehmen die Kraftstoffkosten 25% der unternehmerischen Gesamtkosten ausmachen, sind steigende Preise existenzbedrohend. Wenn Airlines ein Drittel ihrer Umsätze für (unbesteuertes!) Kerosin ausgeben, ist eine ganze Branche vom Aussterben bedroht. Wenn die chemische Industrie, die in Deutschland zu 72% auf Mineralöl als Input-Faktor angewiesen ist, höhere Rohstoffkosten tragen muss, werden Kunststoffverarbeiter und Landwirte ebenfalls unter Kostendruck kommen. Steigende Ölpreise setzen natürlich Anreize, um sich vom Rohstoff zu verabschieden, doch das geht für viele Unternehmen eben nicht von heute auf morgen und es besteht die Gefahr, dass die steigenden Preise schneller die Geschäftsgrundlage zersetzen, als mögliche Anpassungsmaßnahmen greifen können. Die Auswirkungen des Peak Oil werden sich nur für Geologen unter der Erde beobachten lassen. Für alle Nicht-Geologen finden die Wirkungen in der Nachbarschaft oder der eigenen Familie statt. Dort liegen Ursachen für die Sorgenfalten der "Peakisten". Und dort wird wohl auch die Diskussion "Peak Oil 2" stattzufinden haben und nicht so sehr in den technischen Details "unkonventioneller Fördermethoden".

Greenpeace, bekannt als radikal denkende Organisation, hat vergangene Woche einen Fahrplan vorgelegt, um weltweit aus dem Öl auszusteigen statt die steigenden Ölpreise zum Anlass zu nehmen, risikoreich auch in der Arktis Öl zu fördern. Dennis Meadows war jüngst auf ARTE zu sehen, wo er - ebenfalls mit Verweis auf den Höhepunkt der Erdölförderung - betonte, dass es zu spät für nachhaltige Entwicklung sei, sondern Resilienz (Widerstandsfähigkeit) im Vordergrund stehen sollte. Beide Empfehlungen könnten in die Kategorie "Dramatisierung" fallen, aber sie sind Beispiele dafür, wie man "out of the box" denken kann und sollte. Denn die Abhängigkeit vom Rohstoff Öl ist hoch. Möglicherweise zu hoch, um unsere heutigen ökonomischen Systeme einen Ölpreisschock überstehen zu lassen. Die Debatte um "Peak Oil 2" darf also beginnen...

Für Telepolis: Clean Fracking, Peak Oil und “unterirdische Raumplanung”

Zur ASPO-Jahrestagung in Berlin stand diesmal aber weniger der Höhepunkt der Ölförderung im Mittelpunkt, sondern vielmehr die bereits laufenden Anpassungsstrategien der Rohstoffförderer: Die Förderung mittels unkonventioneller Fördertechniken. "Hoffnungsträger unkonventionelles Erdgas?" war die Tagung überschrieben.

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ASPO tagt in Wien

Die ASPO tagt in Wien, was zu leicht erhöhter Aufmerksamkeit für das Thema Peak Oil führt (wird aktualisiert):

Sonnige Pfingsten

Ab wann gilt eine Ereignis als "weltbewegend genug", um es zu einer Meldung werden zu lassen? Los Angeles verbietet Plastiktüten. In spätestens 16 Monaten werden die Stadtbewohner ihre Einkaufstüten von zuhause mitbringen oder einen Groschen für eine Papiertüte hinlegen müssen. Ist das eine Meldung für peak-oil.com?

Oder die G8-Tagung letzte Woche, bei der die Regierungschefs sich weigerten, für US-Präsident Obama jetzt schon Wahlkampf zu machen und die strategischen Ölreserven freizugeben. Immerhin für später heben sie sich diese Möglichkeit auf. Bemerkenswert: "Es gab zunehmend Störungen in der weltweiten Versorgung mit Erdöl in den vergangenen Monaten." Ein Statement der G8.

Vielleicht ist es aber auch die Meldung, dass am 25. Mai Solarstrom einen Rekord von 22 Gigawatt Spitzenleistung zur deutschen Stromversorgung beitrug. Oder dass Norwegen mit seinen Pumpspeicherwerken "Europas Akku" werden könnte/will. Oder die Tour des Physikers Robert Laughlin, der uns Menschen reinen Eigennutz unterstellt und uns die kommenden Konsequenzen vor Augen hält: Energiewende? Bedeutet Gas aus Russland und Neuaufbau der Atomkraftwerke... Oder es bedeutet - wie Siemens andeutet - dass O-Busse wiederkommen und LKWs elektrisch per Oberleitung fahren.

Vielleicht ist es ja aber auch die Meldung, dass ab morgen die ASPO international in Wien tagt. Christoph Senz wird dort sein und ein paar Stimmen einfangen, vielleicht gibt es in den kommenden Tagen von ihm hier ein paar Einblicke. Karen Smith-Stegen ist als Referentin in Wien und sprach im Vorfeld mit dem STANDARD über ihr Thema "Geopolitik erneuerbarer Energien. Letzten Montag traf sich die ASPO Deutschland zur Jahrestagung übrigens in Berlin. Thema: Unkonventionelles Erdgas. Werner Zittels Vortrag ist online nachzulesen. Einen Nachschlag gibt's demnächst auf Telepolis. Achja: Die IEA hat ein Sonderausgabe ihres World Energy Outlooks fabriziert: Golden Rules for a Golden Age of Gas ist eine Art Umwelt-Handbuch für unkonventionelle Gasförderer.

Elgin-Gasleck gestopft, Ölpreis und Wirtschaft im Rückwärtsgang

Der (Brent-)Ölpreis sinkt seit geraumer Zeit von über 120 US$ auf jetzt etwa 110 US$. "Die Spekulanten gehen raus" titelt finanzen.net und macht dies an fallenden Vertragszahlen für steigende Preise fest (long-Positionen). Weniger Geldjongleure an den Börsen, die auf steigende Preise wetten, stattdessen ein unregierbares Griechenland, das in einem Monat erneut wählen muss - will es im Euro bleiben oder will es raus; will es von außen aufgedrückte Reformen umsetzen oder will es die (zweifellos notwendigen) Reformen selbst bestimmen. Die sich (mal wieder) zuspitzende Unsicherheit das Finanzsystem läßt erahnen, dass die Konjunktur den Rückwärtsgang einlegt und in den nächsten Monaten vermutlich weniger Öl gebraucht wird. Angebot und Nachfrage vorgreifend sinken die Ölpreise. In Italien, Spanien, Frankreich und Griechenland sowieso schrumpft die Wirtschaft, nur Deutschland, Finnland und Belgien tragen mit ihren Wachstumsraten zu einem Gesamtwachstum in der Euro-Zone von 0,5% im ersten Quartal 2012 bei. Die Zahlen verdeutlichen die Instabilität im System und die zunehmenden Ungleichgewichte in Europa - kein Wunder, dass auch die Völkerwanderung zunimmt: Fast 1 Million Menschen schwammen 2011 parallel zu den Geldflüssen ins Exportland Deutschland und hinterlassen in ihren Heimatländern Lücken im wirtschaftlichen und im sozialen Netz. Stabiler werden sie dadurch nicht.

Schwimmen ist eines der großen Stichworte dieser Tage: Total hat wohl das Gasleck der Gasplattform Elgin gestopft. Fast 2 Monate sind seit dem dortigen Unfall vergangen, was zeigt, wie schwer es ist, Förderungen auf dem Meer zu kontrollieren und im Un-Fall zu beherrschen. Beendet ist das Thema noch nicht: Total arbeitet an einer Entlastungsbohrung, die einerseits den Druck aus der Förderstelle senken soll, doch andererseits sicherlich dazu dienen soll, den Rohstoff zu fördern - denn im Boden lassen will man das Erdgas letztlich eher nicht. (Demnächst auf Peak-Oil.com: Teil 3 der Reihe zu unkonventioneller Erdöl-Förderung. Diesmal: Gas to Liquid) Dass die Offshore-Förderung, also die Förderung im Meer noch wichtiger werden wird, verdeutlicht die aktuelle Werbung der Maritim Vertriebs GmbH für die neue Anleihe, die das Unternehmen aufgelegt hat und verspricht, 8,25% Zinsen zu bezahlen. Die Firma will sich damit in acht Einschiffgesellschaften einkaufen, die Spezialschiffe betreiben, mit denen Förderplattformen auf See installiert werden können. In der Pressemitteilung wirbt der Geschäftsführer auch mit einem Verweis auf Peak Oil:

Da der Peak-Oil an Land bereits erreicht ist, wird die Offshore-Förderung zur Sicherung der weltweiten Energieversorgung immer wichtiger und ist auf dem aktuellen Ölpreisniveau bereits sehr lukrativ.

Peak Oil treibt uns also raus auf's Meer. Dass selbst das nicht reichen wird, analysierte für TheOilDrum jetzt Luis de Sousa. Er hat die weltweiten Tiefsee-Funde zusammengetragen und kommt zu dem Schluss:

Die Förderung von Tiefsee-Öl wird helfen, den Förderabfall in der Weltproduktion durch die alternden Felder zu verringern. Laut IEA müssen vier mal die Mengen Saudi Arabiens bis 2030 gefunden werden, um den aktuellen Rückgang in den Fördermengen zu ersetzen (was etwa 5 % pro Jahr sind). Die Tiefsee-Gesamtmengen repräsentieren wahrscheinlich weniger als ein halbes Saudi Arabien. Das ist nicht genug!

 

Bündnis90/Grüne vermurkst Fracking-Moratorium + Ärger im Iran

Am 10. Mai beriet der Bundestag über einen Antrag der Fraktion Bündnis90/Grüne namens "Transparenz und Kontrolle bei der Förderung von unkonventionellem Erdgas in Deutschland". Schwerpunkt des Antrags war es, ein Moratorium für Fracking zu erreichen. Fracking sollte in Deutschland ausgesetzt bleiben, bis gesicherte Erkenntnisse aus den USA vorliegen. Die Idee war gut, doch außer den 62 Grünen stimmten nur 130 SPDler dafür, DIE LINKE enthielt sich und FDP und CDU stimmten nahezu geschlossen dagegen. Verwunderlich ist das nicht, enthielt der Antrag doch nicht nur den Beschluss, Fracking auszusetzen, sondern auch einen Teil 1, in dem die Bundestagsabgeordneten unter anderem feststellen sollten:

In Nordrhein-Westfalen haben diese Berichte [aus den USA. N.R.] jedoch zu einer erheblichen Verunsicherung in der Bevölkerung geführt. Eine in der Vergangenheit von Intransparenz und Geheimniskrämerei geprägte Informationspolitik der früheren schwarz-gelben Landesregierung haben für zusätzliche Verunsicherung gesorgt. Die rot-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen arbeitet die Versäumnisse der Vorgängerregierung nun auf, stellt umfassende Transparenz und Bürgerbeteiligung her und versucht die bisher nicht stattgefundene Bewertung der Risiken der Förderung von unkonventionellem Erdgas nachzuholen.

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Nachfrageverschiebungen

Angesichts steigender Ölpreise aufgrund von Peak Oil erwarten wir Nachfrageverschiebungen. Die Theorie: Da mehr Geld benötigt wird, um ölpreisintensive Produkte oder Leistungen zu kaufen, bleibt weniger Geld für andere Produkte. Der Konsument reagiert

  • durch Ersatzkonsumption, fährt beispielsweise mehr ÖPNV oder Fahrrad statt mit dem Auto,
  • oder durch Nicht-Konsumption, wenn nach dem Treibstoffkauf kein Geld mehr "übrig" ist.

Eine (nicht repräsentative) Online-Umfrage des Österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Club (ÖAMTC) kommt frisch zu folgenden Ergebnissen, die diese These zumindest in den Antworten der Befragten zu belegen scheinen:

  • "Zwei Drittel der befragten Autofahrer fühlen sich durch die Spritpreise stark belastet, 35 Prozent sogar sehr stark."
  • das Tankverhalten ändert sich: Tankstellenpreise werden intensiver verglichen und "Tankstrategien" führen zum Vormittagstanken
  • man spart sich Trinkgeld an der Tankstelle
  • 21% der Befragten geben an, "unnötige Fahrten" zu vermeiden
  • ein Drittel der Befragten geben an, sich bei "autofremden Ausgaben" einzuschränken: "Verzichtet wird vor allem auf Restaurantbesuche, Ausgehen und Reisen."
  • ein Fünftel denkt darüber nach, sich ein verbrauchsärmeres Fahrzeug anzuschaffen.

Die Forderung des Clubs natürlich: "Entlastungsmaßnahmen".

Bei 15,7% lag der Marktanteil spritschluckender SUV-Geländewagen im Januar 2012. SUV heißt laut Auto-Bild (und Handelsblatt) nicht mehr Sports Utility Vehicle, sondern "Senioren und Veteranen" - weil in dieser Altersgruppe der komfortable Beinfreiraum geschätzt und das nötige Kleingeld vorhanden zu sein scheint. Was diesen Trend bremst ist weniger der Spritpreis als der Platz in der Garage. Nicht für alle, so läßt sich daraus ablesen, sind die aktuellen Spritpreise ein Problem.

"Der Leidensdruck wird steigen" sagt ASPO-Deutschland-Chef Jörn Schwarz im Interview mit der Magdeburger Volksstimme. Mal sehen, was wir uns bei 2 Euro Spritpreis sparen...

Luftfahrt vor dem Absturz?

Die gute Nachricht zuerst: Der U.S. Geological Survey (USGS) hat in einer neuen Schätzung die weltweit technisch verfügbaren, aber noch unentdeckten Mengen an Erdgas um 20% auf 5,606 Billionen Kubikfuss angehoben. Die schlechte Nachricht: Die Mengen an technisch förderbarem, noch unentdecktem Erdöl wurden um 13% auf 565 Milliarden Barrel gesenkt. Die letzte Schätzung dieser Art wurde im Jahr 2000 vorgenommen.

Dies sind keine übermäßig besonderen Zahlen, sie bestätigen nur, was sowieso in den Zeitungen steht: Öl wird teurer, Öl wird knapper. Das merkte zuletzt unter anderem die Luftfahrt. (mehr …)