Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Vom Ölpreisverfall zum Ölmengenverfall – Überlegungen angesichts des neuen WEO

Der aktuelle Preisverfall beim Öl verwirrt, wenn man von der Überlegung herangeht, dass im Zuge von Peak Oil eine Verknappung von Öl zu steigenden Ölpreisen führt. Offenbar gibt es derzeit keine Knappheit, sondern eine relative Überversorgung, die den Preis senkt. Waren die Gazetten bis vor kurzem noch damit voll, dass der sinkende Preis mal wieder ein Beleg für die Fehlthese eines Ölfördermaximums ist, warnen nun vermehrt Stimmen, dass ein niedriger Preis bei den Ölverkäufern natürlich zu schrumpfenden Erlösen führt. Die Kosten des einen sind nunmal die Erlöse eines anderen. Aus diesen derzeit schrumpfenden Erlösen müssen die Ölförderer nicht nur ihre laufenden Kosten decken, sondern auch die Rücklagen bilden, aus denen Investitionen in künftige Ölförderprojekte finanziert werden. Schrumpfende Ölpreise heute schrumpfen demnach die Investitionen morgen. Diese Tatsache wird kritisch, wenn man sie vor dem Hintergrund des aktuellen IEA-WorldEnergyOutlook (WEO) sieht.

Dieser Vorausblick auf die Weltenergieversorgung sagt einen Anstieg des Weltenergieverbrauchs bis 2040 um 37% über das heutige Niveau voraus. Jeweils ein Viertel der Energie soll dann aus Öl, Gas, Kohle und "kohlenstoffarmen Quellen" kommen. (Die Welt ist mit diesem Szenario auf einem 3,6K-Durchschnittstemperaturanstieg unterwegs, sagt die IEA.) Von 90 Millionen Barrel Öl-Tagesverbrauch heute soll der Ölbedarf auf 104 Millionen Barrel Tagesverbrauch 2040 steigen. Allerdings warnt die IEA den aktuellen Preisverfall auf die lange Sicht fortzuschreiben und formuliert Unsicherheiten, dass die Versorgung so auch funktioniert:

Bis Beginn der 2030er-Jahre werden Investitionen in der Größenordnung von 900 Milliarden USD pro Jahr in die Öl- und Gasförderung notwendig sein, um die projezierte Nachfrage decken zu können, allerdings besteht Unsicherheit, ob diese Investitionen rechtzeitig verfügbar sein werden – insbesondere dann, wenn die Förderung von Light- Tight-Oil in den Vereinigten Staaten Anfang der 2020er-Jahre stagniert und die Gesamtproduktion zurückgeht.

Projektierte 900 Milliarden US$ müssen finanziert werden aus eben den Erlösen, die derzeit durch den sinkenden Ölpreis schrumpfen. Hält das aktuelle Ölpreisniveau an, werden diese 900 Milliarden nicht zusammenkommen, womit klar ist: Entweder lebt die Welt mittelfristig mit weniger Öl oder mit höheren Ölpreisen. (Oder mit beidem.)

Der aktuelle Ölpreisverfall birgt Risiken an anderer Stelle. So verweist DIE ZEIT gut formuliert auf die Finanzrisiken, die der sinkende Ölpreis hervorbringen kann. Da die Ölfirmen ihre Reservenschätzungen als Sicherheit für Kredite hinterlegt haben, schrumpfen diese Sicherheiten mit dem Ölpreis - denn ein sinkender Ölpreis schrumpft die förderbaren Reserven. (Als Reserve gilt Öl, welches technisch und wirtschaftlich förderbar ist. Öl, was zwar vorhanden, aber nicht förderbar ist, gilt als Ressource.) Somit werden die Kredite faul, wenn der Ölpreis zu stark sinkt. Eine Ansteckung des sowieso instabilen Finanzsystems durch Finanzprobleme des Energiesektors wird wahrscheinlicher. Die teure Förderung von Tight Oil durch Fracking und Ölsanden wird zudem unrentabel, wenn der Ölpreis schrumpft. Schon das jetzt erreichte niedrige Niveau führt dazu, dass die Überlegungen zur umstrittenen KeystoneXL-Pipeline in den USA überholt sind: Beim aktuellen Preis rechnet sich das Projekt nicht mehr, schreibt CNBC.

Somit wird deutlich: Der Ölpreis hat einen Stabilitätskorridor nach unten verlassen. Sowohl Förderprojekte wie auch die Staatshaushalte diverser Ölförderer stehen auf der Kippe, auch wenn sich der kurzfristig orientierte BiLD-Leser hierzulande über ein paar Cent Spritkostenersparnis freut.

Insgesamt müssen wir uns von der Vorstellung lösen, in einem Peak-Oil-Umfeld gingen die Preise schnurstracks nach oben. Vielmehr birgt das bereits erreichte Ölpreisniveau von zwischenzeitlich 100 US$ Platz für viel größere Schwankungsbreiten, die entsprechend größere Auswirkungen auf die Finanzlage der Ölunternehmen und Staatshaushalte haben. Darin unterscheidet sich die heutige Situation maßgeblich von der Anfang der Jahrtausendwende, als Öl noch für 25 US$/Barrel zu haben war und auch von der Situation in den 1970ern, als die Ölkrisen auf einem Niveau von 3 bis 10 US$/Barrel stattfanden. Die seit damals enorm aufgeblähten Ölmengen, die das planetare ökonomische System verschlingt, multipliziert mit dem inzwischen viel höherem Preisniveau formt letztlich eine sehr viel größere Risikoblase. Das aufgrund der sich verändernden Rahmenbedingungen die Ölversorgung von morgen keineswegs gesichert ist schreibt dann auch die IEA, fraglich ist, ob Entscheider in Unternehmen und Politik diesen Absatz lesen, verstehen und in ihre Entscheidungen angemessen einfließen lassen:

Die Komplexität und Kapitalintensität der Entwicklung der brasilianischen Tiefseevorkommen, die Schwierigkeit, die US-amerikanische Light-Tight-Oil Förderentwicklung in ähnlichm Maßstab außerhalb Nordamerikas nachzubilden, ungelöste Fragen bezüglich des Wachstumsausblicks der kanadischen Ölsandproduktion, die Sanktionen, die den Zugang Russlands zu Technologie und den Kapitalmärkten einschränken sowie – vor allem – die politischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen im Irak könnten alle zu einem Defizit an Investitionen unterhalb der erforderlichen Niveaus beitragen. Die Situation im Nahen Osten bereitet die größte Sorge, da die Welt zunehmend von der Ölproduktion in dieser Region abhängig wird, insbesondere die asiatischen Länder, die in 2040 zwei von drei international gehandelten Barrels importieren.

Im letzten Satz steckt zudem das sogenannte Export-Land-Model (ELM) als Problem drin: Wenn Asien in 2040 zwei von drei international gehandelten Barrels importiert, bleibt entsprechend nur noch 1 von 3 für den Export bestimmten Barrels für Europa, Nord- und Südamerika, Afrika und Australien übrig. Wenn 2040 Öl dann immer noch zu heutigen Kosten zu kriegen sein soll, muss der Bedarf dieser Weltregionen ganz schön zusammenschrumpfen...

PS:

Presseschau November 2014

Lange Schreib-Pausen deuten darauf hin, dass ja eigentlich alles gesagt ist.

Neuigkeiten:

Tesla Motors – Prototyp der elektromobilen Revolution? Teil 3 – E-Mobilität und Ressourcen

Ein Beitrag von Christoph Senz

Seit dem letzten Artikel sind schon wieder mehrere Monate vergangen. Und in dieser Zeit hat sich bei Tesla Motors viel getan. Es ist spannend zu beobachten, mit welcher Vehemenz sich Tesla Motors als ernstzunehmender Hersteller etabliert. Echte Konkurrenz ist meilenweit nicht in Sicht, auch wenn man bei Audi und Mercedes inzwischen offiziell zugibt, an Konkurrenzmodellen zu arbeiten, die vorrausichtlich aber nicht vor 2018 (Audi) bzw. 2021 (Mercedes) auf den Markt kommen sollen. Bei Mercedes heißt es, dass der E-Mercedes nicht auf eine der aktuellen Modellarchitekturen aufgesetzt werden kann. Dazu sei die erforderliche Batterie zu groß, weshalb der „Tesla-Fighter“ wohl auch nicht vor 2021 in den Handel kommen wird. Hier wird deutlich welchen Vorsprung Tesla Motors heute schon hat. Inzwischen wurde eine Allrad-Version des Model S vorgestellt, die in ihrer Top-Ausführung kurzzeitig über 500 kW (690 PS) leisten kann und den Wagen in unglaublichen 3,2 Sekunden aus dem Stand auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt, wie man in diesem Video sehen kann. Damit lässt dieser Wagen auch Supersportwagen, die leicht das 5-10fache des Tesla kosten, schlicht „stehen“. Dass es hier im Wesentlichen nur um „Prestige“ geht, dürfte klar sein, denn so viel Leistung braucht eigentlich niemand. Auch ein ausgeklügeltes Assistenzsystem für das Model S wurde vorgestellt. Der Schritt zum autonom fahrenden Auto ist nicht mehr weit.

Des Weiteren nimmt die von Tesla geplante „Giga-Factory“ immer konkretere Formen an. Die grundlegende Vereinbarung mit Panasonic wurde inzwischen unterzeichnet. Auch der Standort in Nevada steht inzwischen endgültig fest und die Dimensionen der Anlage wurden von Tesla Motors genauer spezifiziert. So soll die Batterie-Zellenproduktion bei rund 50 GWh pro Jahr liegen.

Tesla_Gigafactory_new

Skizze der geplanten Giga-Factory        Quelle: Tesla Motors

Bemerkenswert sind die Flächen für die Wind- und Solarparks, die die „Gigafactory“ zu weiten Teilen mit Energie versorgen sollen. 2020 sollen in dieser Fabrik Batteriepakete für rund 500.000 Elektroautos pro Jahr entstehen. Zum Vergleich: Tesla wird im November voraussichtlich das 50.000ste Model S verkaufen. Mitte 2015 kommt dann das Model X, für das auch schon rund 21.000 mit jeweils rund 4.000 € anbezahlte Vorbestellungen vorliegen. Und wenn 2017 noch das Mittelklassenmodell in der Größe eines BMW 3er mit dem Namen Model III auf den Markt kommt, erkennt man schnell, dass Tesla Motors die „Gigafactory“ dringend braucht. Daher ist es höchste Zeit, sich mal mit der Ressourcenseite der jetzigen Batterietechnologie auseinanderzusetzen. (mehr …)

Zum Tode des Total-Chef Christophe de Margerie

Die Spekulationen werden mal wieder ins Kraut schießen: Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Privatjet einen Schneepflug in dichtem Nebel rammt und der einzige Passagier (neben der Crew) der Chef eines Ölkonzerns ist. So passierte es gestern auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo, als der Chef des französischen Total-Konzerns Christophe de Margerie starb. Der Fahrer des Schneepflugs war alkoholisiert, blieb aber offenbar unverletzt.

De Margerie gehörte zu den wenigen Managern im Ölgeschäft, die offen über das Ölfördermaximum sprachen. Auch wenn er nach dem Fracking-Boom in den USA seine Meinung zu einem nahenden Peak Oil relativierte, thematisierte er jedoch regelmäßig die Grenzen des Ölfördervolumens. 2012 positionierte er sich für Total mit der Aussage, maximal 98 Millionen Barrel Tagesförderung seien förderbar. Ein lang anhaltendes Förderplateau würde folgen.

In Russland ist Total stark investiert. Die Investitionen waren wohl auch Gesprächsinhalt seines Besuchs in Moskau. Im Mai wurde ein Joint Venture mit Lukoil gegründet, das die Tight-Oil-Förderung im Bazhenov-Gebiet in Westsibirien zum Ziel hat. Seitdem die Firma ihr eigenes Ölfördermaximum im Jahr 2004 mit 2,75 Millionen Barrel Tagesproduktion erreichte, ist Total wie alle anderen privat organisierten Ölkonzerne von dem Dilemma steigender Förderkosten bei rückläufigen Fördermengen betroffen. Man trennte sich von alten Feldern und begann die Investitionen (eben auch in Russland) hochzufahren. Die Sanktionen gegen Russland bezeichnete er als Irrweg. Totals Umsatz-Peak war bislang im Jahr 2012, das Gewinn-Maximum im Jahr 2011. Wie andere Ölfirmen auch investierte auch Total unter De Margerie in erneuerbare Energiequellen.

Die Grafik zeigt die entsprechenden Fördermengen seit 2000. Damals förderten die fünf Firmen zusammen knapp über 10 Millionen Barrel pro Tag (Mb/d) . Bis 2004 stieg die Förderung auf etwa 10,5 Mb/d, fiel dann bis 2008 auf unter 10 Mb/d, hielt sich auf diesem Niveau bis 2010, stürzte dann 2011 auf knapp über 8 Mb/d ab und rutschte in den zwei folgenden Jahren auf unter 8 Mb/d. Die deutlichsten Verluste erlitt dabei BP zwischen 2010 und 2011.

Im Herbst 2012 warnte De Margerie vor den Umweltrisiken der Ölförderung in der Arktis. 2013 wurden Aussagen von ihm durch Pressevertreter stark verzerrt interpretiert, die seine Aussage es würde noch 100 Jahe Öl geben als eine Streichung jeglichen Fördermaximums interpretierten.

Zuletzt machte Christophe de Margerie auf sich aufmerksam, als er im Sommer anmerkte, dass der Ölhandel zwar in Dollar bepreist, aber durchaus auch in Euro abgerechnet werden könnte. Der Euro solle eine größere Rolle im Ölhandel spielen. Im Zusammenhang mit der Diskussion zwischen französischen Politikern, den Euro stärker in internationalen Handelsgeschäften einzusetzen sagte er:

Es gibt keinen Grund, Öl in Dollar zu bezahlen.

Gas-Stresstest: Schneller Energienotfall bei russischem Gasboykott

Aufgrund des europäisch-russischen Ukraine-Konflikts ließ die EU-Kommission im Rahmen eines "Stresstests" erstmals das Szenario untersuchen: Was passiert, wenn Russland Europa den Gashahn abdreht? Das nun veröffentlichte Papier entspringt einer zwiespältigen Situation: Endlich beginnen die Behörden, Untersuchungen solcher Szenarien durchzuführen. Zugleich aber steht der Vorwurf im Raum: Warum erst jetzt? Es zeugt von großer Verantwortungslosigkeit, mangelndem Gespür für die wichtigen Themen (wie z.B. Versorgungsfragen) und fehlendem Weitblick, dass erst eine Krisensituation eintreten muss, bevor die europäischen Behörden handeln. Der Vorwurf trifft allerdings nicht nur die EU-Ebene, auch die deutsche Politik wurde erst nach Fukushima wach und hat bis heute keine Risikoszenarien für Öl- und Gaskrisen veröffentlicht. Auch auf Landes- und kommunaler Ebene ruht man sich vielfach auf viel zu groben "Klimaschutzberichten" aus, die nur CO2-Moleküle zählen und den Rohstoff-Input in die lokalen Energieverbraucher gern ausblenden.

Laut SPIEGEL ONLINE hat das Bundeswirtschaftsministerium der EU-Kommission eine interne Analyse zugearbeitet, die weitaus größere Risiken für Deutschland beschreibt, als dies in öffentlichen Ruhigstellungen oftmals thematisiert wird. Demnach müßte die Bundesregierung bei einem vollen Gasboykott Russlands schon nach kurzer Zeit den Energienotfall ausrufen, woraufhin Rationierungspläne durch die Bundesnetzagentur greifen. Haushalte und Gaskraftwerke würden prioritär beliefert, aber Industrieunternehmen und Gewerbe hätten keine Liefergarantie. Steigende Energiepreise bei gleichzeitiger Störung der Industrieproduktion - das ist angesichts der hohen Gasabhängigkeit selbst beim Exportvizeweltmeister zu erwarten. Die verantwortliche politische Ebene hat dies vor Jahren nicht vorhersehen können?

Die Pressemitteilung der EU-Kommission liefert eine Kurzzusammenfassung der Ergebnisse des EU-Stresstest-Berichts. In ihr findet sich nicht nur die Aufforderung an die EU-Staaten, im Krisenfall zu kooperieren statt egoistische Strategien zu verfolgen, es findet sich auch die Ansage:

Staatliche Eingriffe sollten auf regionaler Ebene sorgfältig vorbereitet und nur vorgenommen werden, wenn dies notwendig ist.

Die "regionale Ebene", die die Kommission hier anspricht, dürfte in Deutschland den Bundesländern entsprechen: Es ist also eine Aufforderung an die hiesigen Landesregierungen, zu handeln. Ausgehend von dieser offiziellen Aussage der EU-Kommission habe ich untenstehend eine kurze Frageliste formuliert, die in den meisten deutschen Landesparlamenten in Form einer "kleinen Anfrage" durch Parlamentsfraktionen eingereicht werden könnte.

Ich möchte interessierten Lesern dieses Blogs empfehlen, sich die energiepolitischen Sprecher von ihnen nahestehenden politischen Fraktionen ihres jeweiligen Landtags herauszusuchen und mit einem freundlichen Anschreiben empfehlen, die Frageliste als "kleine Anfrage" einzureichen. Für Sachsen habe ich bereits zwei Landtagsabgeordnete angeschrieben. Möglicherweise muss der Text auf die regionalen Begebenheiten angepasst werden, so heißt die "Landesregierung" in Berlin beispielsweise "Senat". (Über Mitteilungen, wer in welchem Bundesland an dieser Aktion mitmacht, freue ich mich!)

Antworten dürften einige Wochen dauern. Aber es ist eine Gelegenheit, die Diskussion um Öl- und Gaskrisen stärker zu den lokalen Strukturen "hinzuziehen" in denen sich jeder Einzelne von uns bewegt.


Die EU-Kommission hat einen Gas-Stresstest für den Fall durchgeführt, dass ein Gaslieferboykott durch Russland erfolgt. Auf Basis des Gas-Stresstests empfiehlt die EU-Kommission, staatliche Eingriffe auf regionaler Ebene sorgfältig vorzubereiten:

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-1162_de.htm

  • Welche Eingriffe bereitet die Landesregierung vor und wie erfolgt diese Vorbereitung?
  • Welche Wirkungen eines russischen Gas-Boykotts auf hiesige Unternehmen und Haushalte würde die Landesregierung im Fall eines Gasboykott-Szenarios erwarten?
  • Welche Empfehlungen an Haushalte, Unternehmen, Kraftwerksbetreiber und Kommunalverwaltungen gibt die Landesregierung auf Basis der Stresstest-Ergebnisse und der vorzubereitenden Eingriffe?
  • Ergeben sich aus dem Gas-Stresstest Änderungen an der Energiestrategie der Landesregierung?
  • Inwieweit hält die Landesregierung es angesichts der hohen Ölabhängigkeit gegenüber Russland für notwendig, Stresstests hinsichtlich eines Ölboykott-Szenarios durchzuführen?

Sonstiges:

Ebola, ein eingestellter Flugverkehr und Peak-Oil-Analogien

Aus dem Blickwinkel der Gesundheitsvorsorge hätten die weltweiten Flughäfen vermutlich schon vor Wochen geschlossen werden müssen, um die Ebola-Ausbreitung abzubremsen. So wie es bereits Terry Gilliam in 12 Monkeys hollywoodmäßig aufbereitete, steht heute die die Welt vor dem Risiko, dass sich ein Virus weltweit ausbereitet und dazu die menschengeschaffenen Transportwege nutzt. Dem Flugverkehr kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu, denn er transportiert Menschen (und damit Krankheiten) schnell über große Distanzen - und kann somit Krankheiten binnen weniger Stunden auf der ganzen Welt verbreiten. Und sie erreichen im Flugzeug viele Menschen auf engstem Raum, die sich nach dem gemeinsamen Flug über örtliche Verkehrsmittel verteilen oder - das ist die Natur von Flughäfen - ins nächste Flugzeug steigen, um zum nächsten Flughafen zu reisen.

Dem Risiko, dass genau dies passiert ist und fortwährend passiert, setzen wir uns derzeit aus. Der erste Ebola-Tote in den USA kam per Flugzeug und hat sein Umfeld angesteckt, heute wird über die mit leichten Ebola-Symptomen von Ohio nach Dalls flugreisende Krankenschwester berichtet, mit dem Ergebnis, dass öffentlich über eine Reisesperre für Flugzeuge aus Westafrika diskutiert wird. Solch eine Sperre ist jedoch nur wenig geeignet, wenn das Virus sich schon innerhalb der USA ausbereitet, eigentlich hätte die Sperre vor dem Erreichen des amerikanischen Kontinents eingerichtet werden müssen und ergänzt werden müssen um Maßnahmen, die die Einreise des Virus auf Umwegen - zum Beispiel über Europa - ermöglicht. Beim Stand der Dinge müßte konsequenterweise über eine Unterbrechung des Flugverkehrs auch innerhalb der USA nachgedacht werden. Und natürlich auch in anderen Ländern.

Doch vor solchen gesundheitspolitischen Überlegungen stehen wirtschaftliche Interessen. Obwohl der Flugverkehr als hochdefizitäre Branche hochsubventioniert werden muss, um überhaupt "wirtschaftlich" zu sein, hat er für einzelne Unternehmen und damit für die Weltwirtschaft eine große Bedeutung. In Dresden begann mit den Landtagswahlen eine von Wirtschaftsvertretern angestoßene und von der Wissenschaft gern aufgegriffene Diskussion, die Landesregierung möge sich um den Ausbau der Flugverbindungen vom Flughafen Dresden kümmern. In einer Zeitungsanzeige der Gruppe hieß es:

"Unsere Landeshauptstadt und die umliegende Region leiden darunter, dass es auf dem Flughafen Dresden immer dunkler wird."

Aus Sicht von Ebola gilt die umgekehrte Argumentation: Eine stärkere Einbindung des Dresdner Flughafens in die globalen Flugverkehrsrouten erhöht die Wahrscheinlichkeit ankommender Krankheiten, wodurch die Bewohner der Landeshauptstadt und der Umlandregion unter ganz anderen Sorgen leiden könnten. Natürlich läßt sich argumentieren, dass Krankheiten auch auf anderen Wegen wie dem Zug- oder PKW-Verkehr verbreitet werden. Der große Unterschied ist die Geschwindigkeit und die sich daraus ergebenden Verbreitungswahrscheinlichkeiten und -risiken. Die meisten wissenschaftlichen Analysen zur Verbreitungsvorhersage setzen auf einer Netzwerkanalyse der Flugverbindungen auf. Die Untersuchung von Brockmann, Schaade und Verbeek an der HU Berlin zeigt auf einer interaktiven Karte das relative Importrisiko nach Regionen. Dieses Risiko ist umso höher, je vielgenutzter und integrierter der jeweils örtliche Flughafen in die internationalen Flugrouten ist. Dresden liegt dort zwar weit hinter München, Frankfurt, Berlin Düsseldorf oder Hamburg, aber es ist explizit aufgeführt (im Gegensatz zu Gegenden mit winzigen Regionalflughäfen oder Städten ohne Fluganbindung).

In der Diskussion um die Gefahr von Ebola zitiert die Wirtschaftswoche Jonas Schmidt-Chanasit, den Leiter der Virusdiagnostik des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin, der die Gefahr einer seuchenartigen Ausbreitung in Deutschland für Null hält. Zwar sei es möglich, dass einzelne Kranke Deutschland erreichen, aber ein Ausbruch wie in Westafrika schließt er aufgrund des hiesigen Gesundheitssystem und der kulturellen Voraussetzungen aus.

An einer nun dennoch stärker werdenden Debatte um eine mögliche Entschleunigung/Sperrung des Flugverkehrs läßt sich ablesen, wie verletzlich die Wirtschaftsstrukturen gegenüber Ölkrisen sind - da auch eine Ölkrise den Luftverkehr bremsen oder sogar stoppen könnte. Die subventionslastige Luftverkehrsbranche wird durch steigende Ölpreise regelmäßig gebeutelt. Egal ob Flugreisen aus Gesundheitsvorsorge oder wegen zu hoher Betriebskosten ausfallen, das Ergebnis wirkt ganz ähnlich. All jene Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell oder ihre Geschäftsprozesse auf die unbedingte Verfügbarkeit von Flugreisen setzen, leiden am meisten. Das betrifft insbesondere den Tourismus und dort anhängig die Hotellerie und Gastronomie. Das Beispiel der Produktionsunterbrechnung bei BMW beim Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjalla erinnert daran, dass so manches Unternehmen zwecks Optimierung der just-in-time-Produktionsweise auf reibungslosen Flugverkehr angewiesen ist: Üblicherweise per Flugzeug gelieferte Elektronikbauteile für die BMW-Produktion aus Asien fehlten wegen des Flugverbots anno 2010 und unterbrachen die Just-in-Time-Logistik bis hin zur zwischenzeitlichen Werksstillegung. Die Kettenreaktion solcher Ereignisse ist vor allem dann fatal, wenn die Unterbrechnung länger anhält und keine Alternativen zur Flugverkehrsdienstleistung vorhanden sind. Im Ebola-Fall könnte eine vorsorgliche Unterbrechnung des Flugverkehrs mehrere Wochen anhalten, was von Seiten vieler Unternehmen zweifellos als inakzeptabel angesehen würde. Im Fall von Ölkrisen würde eher ein schleichender Prozess zur Ausdünnung von Flugrouten führen. Doch auch dieser würde einzelne Unternehmen oder Branchen hart treffen und beispielsweise in der Tourismuswirtschaft einen tiefgehenden Strukturwandel hervorrufen.

Kommentarlos, Teil 56

laubblaeser_barbara

postfossile Evolution, angezettelt von Barbara

Europas Ölversorgung zwischen Russland und China

In Vorbereitung auf die Podiumsdiskussion "Was kommt nach Öl und Gas?" in der 4Elemente-Veranstaltungsreihe in Dresden habe ich mir die aktuellen Zahlen zur europäischen Ölversorgung nochmal angeschaut. Europas Ölversorgung ist für Dresden relevant, weil die Stadt in die europäischen Pipeline- und Handelsstrukturen eingebunden ist. Europas Ölförderung hat seinen Peak längst hinter sich: Seit 2003 schrumpft die jährliche Ölförderung und sie tut es seitdem mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5,7% pro Jahr. Hält diese Schrumpfungsgeschwindigkeit an, bedeutet dies eine Halbierung der jährlichen Fördermenge alle 12 Jahre.

Auch der Ölbedarf Europas hat seinen Höhepunkt bereits hinter sich. Am höchsten war der europäische Ölverbrauch im Jahr 2006, seitdem sinkt er und zwar mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 1,4% pro Jahr. Das folgende Diagramm zeigt sowohl die Ölförderkurve (dunkelblau) wie auch die Ölverbrauchskurve (dunkelgrün) und schreibt die bisherigen Schrumpfungsraten in eine mögliche Zukunft bis ins Jahr 2030 fort (helle Kurven):

europa_oelfoerderung_oelverbrauch_bis_2013

(mehr …)