Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Ex-IEA-Analyst Olivier Rech: Abfall der Öl-Förderrate ab 2015

Olivier Rech machte im November Schlagzeilen, als er mit dem Ex-Bear-Stearns-Trader Luca Baccarini einen Fonds gründete, dessen Anlagestrategie auf steigende Ölpreise setzt. Konkret wurden 300 US$ in 2025 pro Barrel Erdöl genannt. Le Monde und gestern auch TheOilDrum veröffentlichten ein Interview mit dem ehemaligen Analysten der Internationalen Energieagentur, in dem es weniger um Preise für den Rohstoff geht sondern um das Absinken der Förderraten. Olivier Rech entwarf zwischen 2006 und 2009 Szenarien für die Internationale Energieagentur, die in den vergangenen zwei Jahren das Thema Peak Oil intensiver kommunizierte. Die aktuellen Szenarien der IEA gehen weiterhin von einem Anstieg der Ölfördermengen bis 2030 aus, Rech nennt im Interview nun das Jahr 2015 mit den ersten größeren Rückgängen in der globalen Ölproduktion. Seit 2005 hätten wir demnach das Plateau mit 82 Millionen Fass Erdöl pro Tag erreicht, welches mit Biotreibstoffen und CTL (coal to liquid) bei etwa 88 Millionen Fass pro Tag lag. 95 Millionen Fass wird die globale Erdölproduktion laut Rech nie erreichen, selbst wenn man konventionelles und unkonventionelles Erdöl zusammennimmt. Damit widerspricht er auch den jüngsten Szenarien von Exxon Mobil, die etwa 2015 95 Millionen Fass erwarten und bis 2040 sogar eine Steigerung auf über 110 Millionen Fass Tagesproduktion vorsehen.

Für die Nicht-OPEC-Länder, die für 58% der Produktion und 23 % der globalen Erdölreserven stehen, sei die Lage laut Olivier Rech klar: Dort ist bereits ein Abfall der Förderung von 1 bis 2 Millionen Fass pro Jahr zu beobachten, was einer Abfallrate (decline-rate) von etwa 5% pro Jahr entspricht. Die Situation der OPEC (42% der Produktion, 77% der Ölreserven) ist mangels eindeutiger Daten schwerer einzuschätzen. Er erwartet durch die weiter steigende Nachfrage in den Schwellenländern angespanntere Marktverhältnisse zwischen 2013 und 2015 und ab 2015 den Rückgang der globalen Ölproduktion - und zwar nicht nur bei konventionellem Öl sondern in der Gesamtversorgung mit Flüssigtreibstoffen. Dieser Rückgang muss nicht zwingend groß sein, da neue Produktion den Rückgang der alten Felder weitgehend ausgleicht, seine Aussage würde jedoch bedeuten, dass wir heute - im Jahr 2012 - schon am Ende der Plateau-Phase sind, die von 2005 bis 2015 dauert. Zum Vergleich: Die aktuell an die Öffentlichkeit gekommende australische Studie erwartet den Rückgang ab 2017.

Diese Situation bedeutet nicht, dass hierzulande keine Ölprodukte mehr kaufbar sind, sie bedeutet jedoch Preissteigerungen. In seinem aktuellen Interview macht Rech dazu keine Aussagen, doch in einem älteren Artikel ist zu lesen, dass die Strategie des von Rech und Baccarini aufgelegten Öl-Fonds von Preisen zwischen 90 und 170 US$ bis 2017 sowie zwischen 140 und 300 US$ bis 2025 ausgeht. 300 US$ pro Fass bedeuten bei einem konstanten Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar hierzulande Literpreise von 2,69 Euro für Benzin, 2,53 Euro für Diesel und 1,96 Euro für Heizöl.

Preissteigerungen beim Öl können nicht losgelöst von der volkswirtschaftlichen Lage beurteilt werden, da diese Preise insbesondere über das Transportwesen in alle Wirtschaftsbereiche hinein wirken. Sinkende Kaufkraft bei steigenden Kosten und eine instabilere Wirtschaftslage sind zu erwarten. Um diesen Auswirkungen zu entgehen müßten sowohl auf betriebswirtschaftlicher aber auch auf volkwirtschaftlich/politischer Ebene bereits jetzt Maßnahmen ergriffen werden, um den Verbrauch von Öl und Ölprodukten zu verringern. Je später Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden, umso unwahrscheinlicher wird eine reibungslose Anpassung, da Ölpreise weltweit wirken und damit weltweit zu Anpassungsmaßnahmen führen werden. Wird der Anpassungsprozess hinausgezögert kann es dazu kommen, dass zu einem späteren Zeitpunkt viele Akteure zeitgleich handeln wollen, was aber mangels Industriekapazitäten schwierig wird: Man stelle sich nur vor, viele Kommunen kämen zum selben Moment auf die Idee die Elektrifizierung ihres ÖPNVs voranzutreiben oder Straßenbahnstrecken auszubauen. Lange Wartezeiten und große Preissprünge wären zu erwarten, da die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen oder Schienen nicht kurzfristig zu decken wäre. Dies gilt auch für Unternehmen, die mineralölbasierte Produktion auf andere Energieträger umstellen wollen.

Auch engt sich der Handelsspielraum von Unternehmen und Kommunen ein, wenn die Treibstoffpreise anziehen. Die zusätzlichen Kosten, die für Fuhrparks, Warentransporte oder Rohstoffeinkauf entstehen, können dann nicht mehr in Ersatzinvestitionen gesteckt werden und das sich verschlechternde wirtschaftliche Umfeld gefährdet Umsätze und Steuereinnahmen. Dies und weitere Problemstellungen sind der Kern dessen, was mit Peak Oil bezeichnet die Herausforderung schlechthin ist - der sich bislang aber leider nur wenige Akteure annehmen.

Nach dem Preisanstieg verringern sich Zug um Zug jedoch auch die Mineralölmengen, die weltweit kauf- und nutzbar sind. Die für den Export bestimmten Mengen werden wahrscheinlich schneller schrumpfen als die Gesamtförderung, da der Eigenverbrauch der ölproduzierenden Länder meist weiter steigt - siehe Ägypten. Importeure wie Deutschland (Importquote: 97%) sind davon ganz besonders betroffen - allgemein hat die Europäische Union eine vergleichsweise geringe Eigenversorgung an Erdöl vorzuweisen. Die australische Studie erwartet einen Rückgang der Produktionsmengen um 20% bis 2035 und um 50% bis spätestens 2050. Gut möglich, dass bis zu diesem Zeitpunkt nur noch Mengen Europa erreichen, die mit den heutigen Verbrauchsmengen nicht ansatzweise zu vergleichen sind. Das bedeutet, dass binnen 30 bis 40 Jahren unsere Volkswirtschaft so umgestellt sein muss, dass sie auch ohne Erdöl funktioniert, was eine enorme Herausforderung angesichts dessen ist, dass wir sein über 100 Jahren unsere Wirtschaftsweise auf Basis des Verbrennungsmotors betreiben und jegliche Strukturen an der Verfügbarkeit von Flüssigtreibstoffen ausgelegt haben. Für einzelne Unternehmen ist jedoch weniger der Zeitraum bis 2050 ausschlaggebend, sondern bereits die absehbaren Preissprünge der kommenden Jahre, die ja nicht nur die unternehmensinternen Prozesse berühren sondern auch die Lage bei Kunden und Zulieferern.

3 Kommentare to “Ex-IEA-Analyst Olivier Rech: Abfall der Öl-Förderrate ab 2015”

  1. smiths74 sagt:

    Es kristallisiert sich immer mehr heraus: Zwischen 2015 und 2020 wird wahrscheinlich der “Peak all liquids” liegen. Ölpreise von 200 Dollar und mehr vorraus, gefolgt von starker wirtschaftlicher Kontraktion. Im schlechtsten Fall ergibt sich aus dieser Situation ein negativer Feedback Loop:
    Schechter wirtschaftlicher Ausblick–> weniger Investitionen, auch in der Ölindustrie–> weniger Öl–> wirtschaftliche Kontraktion..Wo fängt sich ein solches System wieder?
    Sind wir darauf vorbereitet? Für meine Region kann ich definitiv sagen: Nein! Wir retten lieber Fussballvereine, statt eine bereits in Vorplanung befindliche neue elektrische Stadtbahn zu realisieren!So sind die Prioritäten der Politik: Lieber von Fussballfans in 2 Jahren wiedergewählt werden, anstatt die wirklich wichtigen Herausforderungen anzugehen!
    Trotz allem, danke für deine wichtige Arbeit!

    Beste Grüße

    smiths74

  2. heilbuttschnitte sagt:

    Peakoil ist ein Mythos. Es wird immer genug Öl für alle geben.

  3. Bernd1964 sagt:

    Die obige Glockenkurve und der Text dazu berücksichtigen nicht die Abnahme des Netto-Energiegewinns bei der Förderung der noch vorhandenen Ressourcen. Während der ersten Hälfte der Förderung fossiler Energieträger wurden die am leichtesten förderbaren und energiereichsten Ressourcen zunächst verbraucht. Was nun übrig ist hat einen wesentlich schlechteren Netto-Energiegewinn als gewohnt.

    Hierdurch wird die Hubbertklippe viel steiler ausfallen als die obige Grapfik vermuten läßt, siehe http://www.drmillslmu.com/peakoi89.jpg .

    Bereits um das Jahr 2025 werden deshalb praktisch überall auf der Erde die Lichter ausgehen – wir werden wieder leben müssen wie unsere Urgroßeltern anno 1900, d.h. ohne individuellen motorisierten Personenverkehr und elektrischen Strom nur in dringenden Ausnahmefällen wie OPs oder ähnlichem. Nur ein wirklicher Fortschritt bei der Energieerzeugung wie z.B. eine kalte Kernfusion, könnte uns vor diesem Schicksal noch bewahren.

Diesen Eintrag kommentieren:

* Hinweis: Dieses Formular speichert Name, E-Mail und Inhalt, damit wir den Ueberblick ueber auf dieser Webseite veroeffentlichte Kommentare behalten. Fuer detaillierte Informationen, wo, wie und warum wir deine Daten speichern, welche Loesch- und Auskunftsrechte Du hast - wirf bitte einen Blick in unsere Datenschutzerklaerung.