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Steigende Benzinpreise – Ist Peak Oil die Ursache?

Mit den Benzinpreisen steigen auf Peak-Oil.com auch die Besucherzahlen. Deshalb soll es für "Neulinge" mal einen Überblick zum Stand des Peak Oil geben.

Peak Oil läßt sich am besten übersetzen mit "Gipfel der Ölförderung". Der Begriff wurde in den 1950ern vom Geologen Marion King Hubbert geprägt. Trägt man die Fördermengen aus einem Ölfeld über die Zeit in ein Diagramm ein, wird ein typisches Muster erkennbar: Ölförderung verläuft ähnlich einer Glockenkurve:

Was für ein Ölfeld gilt, gilt auch für die Summe mehrerer Ölfelder, so dass das Peak-Prinzip auch auf die globale Ölförderung anwendbar ist. Peak Oil kennzeichnet demnach den Moment, bei dem sich die globale Ölförderung nicht mehr steigern läßt. Die Gelehrten streiten sich dennoch. Manchmal wird Peak Oil als reine Theorie bezeichnet ohne realen Bezug. Dem widersprechen aber die Förderkurven unterschiedlichster Ölfelder (siehe dieses Papier von Mikael Höök ab S. 38), die nun längst nicht dem Ideal folgen, aber grundsätzlich zeigen: Die Förderung aus einem Ölfeld steigt anfänglich durchaus stark an, um später einen (oder manchmal auch mehrere) Höhepunkte zu erreichen und danach in die Decline-Phase zu geraten - also die Phase, wo die jährlichen Fördermengen dauerhaft sinken.

Kritisch ist dieses geologische Problem deshalb, weil Mineralöl in allen industrialisierten Regionen der Welt Fundamentalbaustein ist: Die 2010 veröffentliche Studie der Bundeswehr zu Peak Oil schätzte, dass 90% aller industriell hergestellten Produkte Mineralöl benötigen. Dass diese Zahl realistisch ist zeigt die Tatsache, dass kaum ein Produkt ohne Transportdienstleistungen hergestellt oder verteilt werden kann und deshalb jedes Produkt auch von dem hochgradig erdölabhängigen Verkehrsbereich abhängt. "Peak Oil" im weiteren Sinne bedeutet deshalb auch die Auswirkungen des geologischen Fördermaximums auf die menschliche Gesellschaft. Und diese Auswirkungen werden teilweise als drastisch eingeschätzt. Dabei gilt es zu betonen: Peak Oil bedeutet nicht, dass von einem auf den nächsten Tag kein Erdöl mehr da ist. Peak Oil bedeutet, dass die verfügbaren Mengen stagnieren, was sich zuerst in steigenden Preisen niederschlägt. Und genau hier könnte man fragen: Sind die aktuellen Benzinpreise, die sich rasant auf 1,70 Euro pro Liter Benzin zubewegen, Peak Oil zuzuschreiben?

Das Kartellamt meint, es gäbe in Deutschland zu wenig Wettbewerb an den Tankstellen. Da ist sicherlich was dran. Doch der aktuelle Preisschub kommt hauptsächlich vom steigenden Rohölpreis und vom sinkenden Euro-Wert. Da Erdöl global in Dollar gehandelt wird, hebelt die Euro-Schwäche den Spritpreis nach oben. Kurzfristig wirkt hier vor allem die Iran-Krise. Iran selbst ist mit 5,4% des Weltmarktanteils auf den ersten Blick kein großer Spieler, doch 5% sind eben angesichts eines zunehmend enger werdenden Marktes ein Problem. Hinzu kommt die Befürchtung, dass ein Konflikt im arabischen Raum nicht nur die iranische Ölproduktion sondern auch die anderer Länder unterbrechen könnte. Und wichtig ist nicht nur die Förderung selbst, sondern auch der Transport des Öls: Deutschen Autofahrern nützt es wenig, wenn Iran zwar Öl aus dem Boden holt, es mangels Transportkapazitäten aber nicht zu den Raffinerien und als Benzin oder Diesel in den Tank kommt. Die Seestraße von Hormuz ist dabei Nadelöhr: Durch die Meerenge werden täglich 20% der Exportmengen verschifft, würde sie ausfallen würden dem globalen Markt also 20% seiner Handelsmengen fehlen. Das wäre kein Problem, wenn andere Länder ihre Produktion ausweiten könnten, doch genau das geht nicht: Ölförderung ist ein langwieriges Geschäft. Von der Planung bis zur Öllieferung vergehen Jahre. Dagegen ist die Nachfrage nach dem Rohstoff inzwischen global - selbst in Ländern, in denen noch vor kurzem Eselfuhrwerke die Haupttransportfahrzeuge waren, setzt man zunehmend auf ölgetriebene Mobilität. Der Trägheit der Förderung steht eine Abhängigkeit beim Verbrauch gegenüber und die "Enge des Marktes" führt dazu, dass wir heute wie in Zukunft immer häufiger stark schwankende Preise erleben werden.

Der jetzige Ölpreisanstieg wird nicht von Dauer sein. Je nachdem, wie lange er jedoch anhält, wird er die Weltwirtschaft wahrscheinlich in Schwierigkeiten bringen. Da Öl in allen Produkten drin steckt, verteuert der steigende Ölpreis die Produktionskosten, senkt die Erlöse der Unternehmen und kann zu einer Wirtschaftskrise führen. In dieser Krise würde zwar weniger Öl verbraucht und damit sinken die Ölpreise voraussichtlich wieder, aber spurlos geht ein Ölschock nicht an uns vorbei. Wahrscheinlich ist, dass mit dem Plateau der Ölförderung auch eine Wachstumsgrenze in den industrialisierten Volkswirtschaften erreicht wird.

Krisenzone im Peak-Oil-Umfeld: Ende des Wachstums

Derzeit heben die Fluggesellschaften wie Swiss und Austrian Airlines aber auch die Lufthansa den Treibstoffzuschlag an. Die subventionierte Luftfahrt (kaum nennenswerte Steuern auf Kerosin) trifft der Ölpreisanstieg härter, da die geringeren Steuern den Ölpreis viel stärker auf der Kostenseite spürbar macht. Wer weiter denkt, dem fällt auf: Die steigenden Flugtickets werden sich auf das Verhalten der Passagiere auswirken. Sinkende Passagierzahlen sind die Folge, in diesem Jahr gingen bereits einige Fluggesellschaften pleite: Spanair, Cirrus, Airline Jetisfaction, Malev und American Airlines hat 2011 insbesondere aufgrund steigender Treibstoffpreise 2 Milliarden Dollar Verlust gemacht. Diese Ausfälle bedrohen ja nicht nur die Arbeitsplätze der Mitarbeiter der Fluglinien, sie stellen auch die Flughäfen-Standorte infrage und sie verändern die Transportwege für Menschen und Waren. Vielleicht werden Urlaubsreisen per Flugzeug so teuer, dass all den Tourismusgebieten in Griechenland, Spanien oder der Türkei die Gäste ausbleiben. Oder dass der Transport von Rosen aus Kenia nach Europa (auch im Winter!) sich einfach nicht mehr lohnt - die dortige Industrie spürte dies 2010 beim Flugzeugstillstand wegen des Island-Vulkans.

Hierzulande sind nicht nur Millionen von Pendler auf bezahlbare Transportrouten angewiesen, sondern ganze Branchen direkt (Spediteure, Taxi, Chemie) oder indirekt (Autoindustrie, Zulieferer, Einzelhandel, Handwerk) von steigenden Preisen betroffen. Derzeit subventioniert die umstrittene Pendlerpauschale die langen Arbeitswege, doch die Staatshaushalte lechzen nicht erst seit gestern um Entlastung. Die Melange zwischen Ölkrise und Finanzkrise ist ein potentielles Pulverfass.

Diskutiert wird weltweit darüber, wann der Peak Oil nun eintritt. Relative Einigkeit herrscht inzwischen darüber, dass leicht zu förderndes, konventionelles Öl seinen Peak bereits hinter sich hat. Das liest man bei der Internationalen Energieagentur und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, man liest es bei BP und Exxon Mobil. Auf den unkonventionellen Fördermethoden liegt die Hoffnung für eine weitere Steigerung der täglich verfügbaren Ölmengen: Tiefseeförderung, Schieferöl, Ölsande, Flüssiges Erdgas, Öl aus Biomasse. Optimisten wie die Ölkonzerne gehen davon aus, dass der (geologische) Peak damit bis nach 2030 verschiebbar ist. Allerdings machen sich diese Optimisten bislang wenig Gedanken um die ökonomischen Auswirkungen und ihre Rückkopplungen (steigende Ölpreise verändern das wirtschaftliche Klima, in welchem auch Ölkonzerne handeln). Die Pessimisten gehen davon aus, dass auch der Gesampeak bereits hinter uns liegt oder nur noch wenige Jahre entfernt ist (2015, 2017?). Darüber hinaus diskutiert man darüber, wie schnell der Abfall der Fördermengen nach dem Überschreiten des Peaks passiert und natürlich: Was geeignete Anpassungsmaßnahmen sind.

Angesichts der langen Dauer eines Umbaus unserer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systeme wäre ein Handeln bereits heute notwendig, selbst wenn der Peak erst 2035 überschritten wird. Bis dahin sind es etwas mehr als 20 Jahre. Nach Robert Hirsch braucht unsere Gesellschaft 20 Jahre, um den Umbau relativ problemlos zu gestalten. Bleibt weniger Zeit ist mit starken Auswirkungen zu rechnen. Diese Auswirkungen sind sowohl innergesellschaftlich zu spüren als auch zwischengesellschaftlich. Auf das internationale Konfliktpotential geht dabei insbesondere die Bundeswehr-Studie zu Peak Oil ein.

In unsere Studie über "Peak Oil in Sachsen" für die Grüne Landtagsfraktion haben wir auch einen Exkurs über die Energieproteste in Großbritannien sowie die Gefahr von Energiearmut am Beispiel Großbritanniens eingebracht. (Auf der Insel gibt es derzeit Streit um ein RWE-Kohlekraftwerk, welches zu einem "Bio"massekraftwerk umgebaut werden soll - mit dem Problem, dass die lokalen Holzbestände nicht ansatzweise ausreichen.) Die Beispiele zeigen, wie schnell und wie schleichend zugleich Gesellschaften mit Energieproblemen zu kämpfen haben. Bislang gibt es sowohl auf politischer wie auch kommunaler und auch auf unternehmerischer Ebene nur stark begrenzte Aktivitäten, das Problem steigender Ölpreise und (irgendwann) abnehmender Ölmengen klar anzugehen. Angesichts der enormen Abhängigkeit und dem Problempotential ist das weiterhin: Viel zu wenig! (Siehe auch: Die ZEIT: Europa allein am Golf.)

Fazit: Der Großteil der aktuellen Preissteigerungen an den Tankstellen ist durchaus Peak Oil zuzuschreiben. Auch wenn wir den Peak selbst noch nicht erreicht haben, befinden wir uns zweifellos in der Plateau-Phase der Ölförderung, bei der die Fördermengen nur noch sehr langsam steigerbar sind, während die globale Ölnachfrage weiter anzieht. Dies verengt den Markt, der dadurch viel preissensibler auf Nachrichten, Verbrauchssteigerungen oder tatsächliche Liefereinschränkungen reagiert. Der Iran-Konflikt wird primär als Atom-Konflikt dargestellt, letztlich geht es jedoch auch um geopolitischen Einfluss in der Strategischen Ellipse, zu der Iran gehört. Und auch der sinkende Euro-Kurs ist in gewissen Maße mit Peak Oil verbunden: Das ölarme Europa, dessen große Fördergebiete in der Nordsee ihren Peak bereits überschritten haben, ist angesteckt von der Subprime-Krise in den USA, die ihrerseits von den 2007/2008 steigenden Ölpreisen verstärkt wurde. Die Phase, in der die aktuellen Benzinpreissteigerungen stattfinden, ist zweifellos stark vom globalen Ölfördermaximum beeinflusst.

 

Video: Vortrag mit Christoph Senz und Norbert Rost anläßlich der Vorstellung der Studie "Peak Oil - Herausforderung für Sachsen":

[youtube 1q1ZUsmBKyU]

3 Kommentare to “Steigende Benzinpreise – Ist Peak Oil die Ursache?”

  1. Ulf Bunge sagt:

    Super Erklärung der Grundlagen, die man ‘Anfängern’ zukommen lassen kann!
    Sehr gute Arbeit.
    Danke und Gruß
    Ulf Bunge

  2. Tom Schülke sagt:

    Wieder ein sehr schöner Artikel der so wie er ist auf Zeit Online, der Welt, FAZ usw. übernommen werden sollte.

    Ich bin mit allem einverstanden so wie es hier formuliert wurde. Es gibt nur einen Teilaspekt, den ich gerne einmal anders hinterfragen möchte. Die steigenden Kosten der Ölförderung und der Erschließung unkonventioneller Öle spielen gewiss eine große Rolle was die Preise betrifft, und noch mehr, wenn man in Betracht zieht, dass man an den Börsen nur mit knappen Resourcen trefflich spekulieren kann.
    Und doch frage ich mich welchen Anteil an steigenden Preisen die Änderungen der Fundamentaldaten der Erdölförderung tatsächlich beitragen.

    Ich könnte mir vorstellen, dass Die Einflüsse der Zentralbanken mit Ihren Geldspritzen für die Wirtschaft hier bisher eine noch größere Rolle spielen. Die Steigende Geldmenge die weltweit im Umlauf ist bewirkt in dem Sinne eine inflationäre Geldmengenausweitung, die sich nur geringfügig auf die Preise der gewöhnlichen Verbraucherwaren auswirkt, dafür aber Rohstoffpreise wie Öl oder Metalle durchaus massiv steigen lassen kann. Inflation an den Börsen und Deflation in der Standartverbraucherwelt ?

    Könnte es nicht sein, dass die steigenden Ölpreise vorrangig durch die Proesse unseres Finanzsystems bewirkt werden und bisher nur zum Teil durch die steigenden Förderkosten ?

    Ich kann mir Vorstellen, dass die großen Peak-Oil Preisschübe erst dann massiv durchschlagen werden, wenn der Markt eine echte Physikalische Verknappung erlebt.

    gruß

    Tom Schülke

  3. Norbert Rost sagt:

    @Tom: Ja, dem würde ich zustimmen. Auf den Preis wirken unterschiedliche Elemente mit unterschiedlicher Frist.

    Sehr kurzfristig: Die aktuelle Zuspitzung der Iran-Krise und die tagtägliche Nachrichtenlage – wird vor allem spekulativ umgesetzt.
    Mittelfristig: Aktuelle Aktivitäten der Zentralbanken sorgen für größere Liquidität auf den Handelsplätzen. In der Tat sehe ich da inflationäre Entwicklungen bei Aktien, Rohstoffen und ähnlichem, während die Löhne und die Konsumgüter eher deflationären Prozessen ausgesetzt sind.

    Die Förderkosten sind tatsächlich eher langfristig wirksam. Wenn irgendein staatliches Ölunternehmen ein neues Ölfeld angeht oder neue Fördermethoden umsetzt, so sind die dafür kalkulierten Kosten und Preise meist sehr langfristig orientiert. Entsprechend macht es wenig Sinn, dass sie sich kurzfristig auf die Weltmarktpreise niederschlagen.

    Daraus abzuleiten, der aktuelle Ölpreisanstieg sei rein spekulativ im Sinne von reinen Wertpapierspekulationen, finde ich aber zu kurz gegriffen. Denn spekulieren im Sinne von “sich für die Zukunft absichern” tun auch Chemiefirmen oder Raffinerien, die heute schon die Rohstoffe für morgen kaufen und dabei ebenfalls “spekulativ” unterwegs sind. Da ist derzeit sicherlich eine steigende Nachfrage spürbar, da sich jedes größere Unternehmen lieber mit Vorräten eindeckt, falls es im Iran doch “knallt”. Daher wird derzeit gekauft und eingelagert.

Diesen Eintrag kommentieren: Tom Schülke

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